Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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und hockte sich, genau wie Ondra, Bahadir und Mia, zu ihr und Mavi an das Feuer. „Ich frage jetzt nicht, wo Ihr das gelernt habt, aber …“

      „Aber?“

      Liz zuckte die Achseln. „Beeindruckend. Was genau habt Ihr vor?“

      „Außer so schnell wie möglich von hier zu verschwinden?“ Sie sollte nicht davon ausgehen, dass Hiron die Ostländer lange würde aufhalten können. „Diese zwei beschädigten Fuhrwerke, ich glaube, die wären … Auf welche Entfernung könnt Ihr eine Illusion aufrechterhalten, Liz?“

      „Hängt von den Umständen ab, der Art der Illusion, was ich gleichzeitig noch zu tun habe.“

      „Ihr müsst nur auf einem Pferd sitzen, oder auf einem Wagen, falls das die Sache erleichtert. Und es wird diesig sein, schlechte Sichtverhältnisse, womöglich fällt sogar Schnee.“ Hätte Sakar sie doch ein, zwei Wetterzauber gelehrt, dann könnte sie dafür sorgen.

      „Meint Ihr?“

      „Es riecht jedenfalls nach Schnee und es ist merklich kälter als gestern, ist Euch das nicht aufgefallen?“

      „Es ist immer kalt in Mandura, Mara.“

      Sie lachte leise, schaute ihn von unten her an und tunkte ihr Brot in die dünne Suppe. „Ihr braucht lediglich aus den beiden Wagen ein ganzes Dutzend machen, hier oben auf dem Hügel.“

      Ondra sah erst Mara, dann Liz verblüfft an. „Das könnt Ihr?“

      „Ja, sicher. Es sollte recht einfach sein, sehr viel einfacher jedenfalls als die angreifenden Reiter gestern, die waren …“

      „Ihr wart das? Ich meine … die Reiter waren gar nicht echt, eine bloße Illusion? Und ich habe mich gefragt, wohin sie verschwunden sind!“

      Liz fand sichtlich Gefallen an Ondras offener Bewunderung, womöglich auch an Ondra selbst, wandte sich aber schnell wieder Mara zu. „Die Entfernung dürfte … Nun, nicht weiter, als die Fuhrwerke an einem Tag vorankommen, danach … wird es schwierig. Vielleicht sollte ich Euch später folgen?“

      „Nein, ich lasse niemanden zurück. Womöglich ist es ja auch gar nicht notwendig, ich will nur …“

      „Kein Risiko eingehen? Mara, wir sind nach Mandura gekommen, um unsere Hilfe anzubieten, von daher … Ich wollte nur sagen, ich würde es selbstverständlich tun, wenn Ihr das für notwendig erachten würdet.“

      Mara nickte abwesend, in Gedanken an einem anderen Ort. „Hauptmann Hiron und seine Männer werden noch vor Mittag auf die Ostländer treffen, danach … sehen wir weiter.“

      Der eisige Wind wehte ihnen entgegen und dunkle Wolken hingen drohend über dem offenen, weiten Land; es würde bald schneien. Sie kamen viel zu langsam voran, doch die Leute konnten schlicht nicht noch eiliger vorwärts hasten, die Zugtiere – zumeist Ochsen, zwei Paar Pferde und zwei Maultiere – die Wagen ganz einfach nicht schneller über den matschigen Grund ziehen und zerren, so sehr Mara das auch wollte.

      Ron ritt schon eine Weile schweigend neben Mara und musterte sie immer mal wieder von der Seite. „Ist dir der kleine Junge zu viel geworden?“

      „Das nicht. Mavi ist zurzeit bei Janek besser aufgehoben.“

      „Verstehe. Glaub’ ich.“

      „So? Ich wünschte nur, Sakar hätte mir mehr über Abschirmung beigebracht, ich … Verflucht, ich bin zu nah dran …“ Mara biss die Zähne zusammen und stöhnte unterdrückt, wäre getaumelt, hätte sie nicht auf einem Pferd gesessen. Hastig lenkte Ron sein Pferd näher und packte ihren Arm. „Mara? Mara, du bist …“

      Sie schrie nicht, aber sie presste die Hand fest auf den Mund und die Lider zusammen, als sie sah, wie Hiron fiel, dort, sein Pferd getroffen unter ihm zusammenbrach; Mara würgte, wollte nicht noch mehr sehen. Nicht teilhaben, als die Soldaten auf ihn einschlugen. Sie zitterte, wimmerte, blind vor Tränen, der Kampf war noch längst nicht vorbei, Tote auf beiden Seiten, Geschrei und Stöhnen, Blut, viel zu viel Blut. Dort fiel noch kein Schnee und der Wind zerrte an den Mähnen und Schweifen der Pferde, einige wenige Ostländer mit Armbrüsten bewaffnet. Hiron stöhnte dumpf, als der Bolzen ihn traf, kämpfte sich erneut auf die Beine; er hatte keine Chance, die Übermacht zu groß.

      Benommen lehnte Mara an Ron, hing fast bewusstlos in seinen Armen und hörte sich selbst schluchzen. „Sie haben ihn.“

      „Mara?“ Angst und Besorgnis in Rons Stimme, als er sacht über ihr Gesicht strich und sie hielt, fest an sich gedrückt hielt.

      „Ihn und vier, nein, fünf andere, verletzt, sie … Frag mich nicht!

      Seine Miene war noch immer besorgt, sehr dicht über Mara, sehr nah, ihr Herz raste. Sie schluckte, schluckte erneut. „Kommt mir bekannt vor.“

      „Ja, mir auch.“

      Einen Moment wirkte Ron erleichtert und lächelte Mara an, bevor er ihr aufhalf, Lassan und zwei weiteren Gardisten entgegen sah. „Allerdings bist du diesmal nicht verletzt.“

      „Ich nicht.“

      Ron nickte nur grimmig, nahm den Arm von ihrer Schulter. „Hiron?“

      „Hm, ziemlich schwer.“

      „Dann … Deine Nase blutet, hast du irgendwo …“

      „Irgendwo.“ Mit wackligen Schritten ging Mara zu ihrem Pferd und suchte in den Taschen des Reitmantels nach einem Taschentuch.

      Lassan kam heran. Sein Blick wanderte misstrauisch von Mara zu Ron. „Was ist passiert? Habt Ihr … Götter, Ihr blutet!“

      „Passiert.“ Endlich hatte Mara das Tuch gefunden und tupfte sich die Nase ab. „Hauptmann Hiron und fünf seiner Männer sind von einem Trupp Ostländern überwältigt und gefangen genommen worden.“

      „Scheiße, das … Seid Ihr Euch sicher?“

      Mara nickte und hielt sich zitternd am Sattelzeug fest. Ihr war entsetzlich übel, eiskalt, aber sie wollte sich vor Lassan und seinen Begleitern nicht übergeben, Schwäche zeigen, und zerrte am Reitmantel, bis dieser vom Sattel rutschte. Zog ihn langsam über. „Ich irre mich nicht, Lassan.“

      „Nein, das wollte ich damit auch nicht sagen, es ist nur … es klingt so unglaublich. Der Hauptmann ist erfahren, und …“

      Es war Hirons Absicht gewesen, wenn auch nicht die Zahl der Opfer. „Die Ostländer waren deutlich in der Überzahl, und sie hatten Armbrüste.“

      „Verdammt! Und wie viele von uns … Ich meine, wisst Ihr, wie viele umgekommen sind?“

      Stumm sah Mara ihm ins Gesicht, schüttelte leicht den Kopf. „Zu viele.“

      Die Dunkelheit kam rasend schnell heran, sie taumelte und packte hastig seinen Arm, als sie spürte, wie ihre Beine nachgaben; das Kind in ihrem Leib regte sich. „Die Namen …“

      * * *

      Er weinte. Er wusste, dass er weinte, schon länger, und er konnte nichts dagegen tun. Er brüllte und schrie, versuchte um sich zu treten, erfolglos, er konnte sich nicht wehren, verfluchte und beschimpfte seine Peiniger, die auf ihn einprügelten, rücksichtslos eindroschen. Seine Hände waren gefesselt, über seinem Kopf an einer Art Haken. Er hing mehr als dass er auf seinen eigenen Füßen stand, das Gewicht seines Körpers zerrte und riss bei jeder Bewegung an seinen Gelenken, der Schmerz in seiner verletzten Schulter scharf, bohrend …

      Er hörte noch immer das Wimmern des Mädchens, irgendwo hinter sich, Gelächter und Stöhnen, unverständliches Gestammel, ein Schrei, der sich zum Kreischen steigerte, unvermittelt abbrach. Er brüllte auf, kämpfte gegen seine Fesseln, doch er konnte dem Mädchen so wenig helfen wie sich selbst. Sein Entsetzen, als sie das Mädchen hineingeführt, hineingezerrt hatten und er einen fürchterlichen Augenblick glaubte, sie zu erkennen. Erneute Schläge und Tritte, ein Hagel von Hieben in die Nieren, in den Unterleib. Keine Möglichkeit sich zu schützen oder auszuweichen, er stöhnte dumpf vor Schmerz, keuchte