Nicole Heuer-Warmbold

nur Tod und Verderben


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unterdrückt, ruckte unwillkürlich zurück. Satorian.

      „Wer sagt es denn, du erkennst mich, Gardist. Deinen Namen.“

      Er reagierte nicht. Wenn er anfing, mit dem Kerl zu reden, wer vermochte zu sagen, was er unfreiwillig verriet. Satorian lachte leise. „So standhaft und tapfer, die Gardisten, und so wohlgestalt. Warte, bis dich Hauptmann Kahane in die Finger kriegt, der hat seine eigenen Methoden. Du wirst ihm gefallen. Und nur, weil du nicht deinen Namen nennen willst, wirklich schade. Wer bist du denn schon, etwa ein naher Verwandter von ihm?

      Unwillkürlich schüttelte er den Kopf, biss sich gleich darauf auf die zerschlagenen, blutigen Lippen; er war zu müde, sich noch zu konzentrieren, zu erschöpft, er hatte nicht mehr die Kraft für derartige Spielchen. „Was ist mit dem Mädchen?

      „Welchem … Oh, das Mädchen. Der kleinen Schlampe geht es bestens, sie kann sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Du kennst sie näher?

      „Nein.“ Nur einen Augenblick Ruhe, er schloss die Augen. Bloß eine Frage der Zeit, wann sie ihn wieder schlagen und foltern würden, egal, was er sagte. Er musste vorsichtig sein. Er wusste nichts. „Hiron, Angehöriger der Garde seiner Majestät, des Königs von Mandura.

      Er sah nicht Satorians zufriedenes Lächeln, sah ihn nicht noch näher treten, sah weder ihn noch die anderen Männer, Soldaten. Zuckte nur unmerklich zusammen, als eine Hand sich auf seinen Bauch legte. „Holt ihn runter.

      * * *

      „Er sollte sich vorsehen.“

      Bahadir folgte Liz’ Blick hinüber zu dem Platz, an dem Mara und Ron saßen. Sehr nah beieinander, offenbar hatte sie den Kopf zum Schlafen auf seinen Oberschenkel gelegt. Einen Augenblick beneidete er den jungen Mann um die so selbstverständlich wirkende Nähe zu ihr, auch wenn diese mit Neid, Gefahren und Anfeindungen verbunden war. „Lassan?“

      „Um nur den Offensichtlichsten zu nennen. Aber der Kerl tut so, als wäre … als wären sie allein, als zählte alles andere, alle anderen nicht.“

      „Als gäbe es kein Morgen.“

      „Hm, ein bisschen dramatisch.“ Liz musterte ihn über das Feuer hinweg. „Aber wohl passend, er wird uns in ein paar Tagen verlassen, um in die Schlacht zu ziehen.“

      „Sie. Er wird sie verlassen.“

      „Ja.“ Bedächtig nickte Liz, sah ihn nicht an.

      „Denkt Ihr an diesen anderen jungen Gardisten, Jula?“

      Vage zuckte Liz die Achseln, lachte verächtlich. „Dumm, nicht wahr? In diesem Land, wo ich doch genau weiß, dass sie Krieg führen werden. Für einen Soldaten tiefere Gefühle zu entwickeln.“

      „Aber das macht das halbe Land, Liz.“

      „Das … Auch wieder richtig. Zumindest bin ich nicht allein in der Situation, wollt Ihr das damit sagen?“

      „Ich wollte Euch nicht zu nahe treten.“

      „Seid Ihr nicht, entschuldigt. Es stimmt, ich habe an Jula gedacht. Ich habe den Eindruck, ihm ist nicht wirklich klar, was auf ihn zukommt.“

      „Wem ist das schon klar, Euch vielleicht? Wenn ich richtig zugehört habe, hat das Land seit über dreißig Jahren keinen Krieg mehr erlebt, und der verlief wohl recht glücklich. Für Mandura. Und Euer Jula ist Gardist, Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, er würde Euch seine Ängste eingestehen.“

      „Er sagt mir auch sonst nicht viel. Ich habe keine Ahnung, wie viel er weiß, oder was er von ihr weiß.“

      „Sie sind befreundet, nicht wahr?“

      „Sehr eng befreundet sogar, weshalb …“

      Ein Schrei wie ein irrsinniger Schmerz unterbrach Liz brutal und ließ Bahadir auffahren. Ein weiterer Schrei, dumpfer, unterdrückt, aber er rappelte sich schon auf und lief. In Richtung des Schreis, in Richtung des Lagerfeuers, an dem Mara war. Einige Gardisten, darunter Lassan, seine Haltung drohend, ein Messer in der Hand, blitzend im Schein des Feuers, waren bereits bei ihr, umringten sie und Ron. Liz drängte sich zwischen ihnen hindurch, kniete sich dicht vor Mara, die keuchend an Ron lehnte, und ergriff ihre Hände, redete eindringlich auf sie ein. „Mara, hört Ihr mich? Ihr seid hier, nicht dort, und niemand tut Euch etwas zuleide!“

      Abwehrend schüttelte sie den Kopf, bemüht, Liz ihre Hände zu entziehen, offensichtlich nicht ganz da. Sie schluchzte unterdrückt.

      „Mara, Abendstern, sieh mich an! Du bist hier, in Sicherheit!“

      „Liz? Oh nein, Liz, sie …“ Unvermittelt riss sie die Augen auf und warf sich nach vorn, in Liz’ Arme. „Oh, Liz!“ Weinte hemmungslos.

      „Schscht, ist gut, meine Kleine, ist gut …“

      Den Rest verstand er nicht, vermutlich keiner der Anwesenden. Besorgt sah er zu Ron, der sich geschmeidig erhob und auf Lassan zu trat. „Steck dein Messer ein.“

      „Wenn du kleine Ratte sie …“

      „Steck das verdammte Messer weg oder ich schieb es dir in den Arsch! Sofort!“

      Bahadir schluckte, trat einen Schritt vor und hob besänftigend die Hände. Nur sah keiner zu ihm, sondern zu den beiden Männern, die sich drohend gegenüber standen. Rons Stimme war sehr ruhig, sehr kalt. „Na los, Lassan, dein Zug.“

      Er sah, wie Lassan die Zähne zusammenbiss, erst Mara, dann Ron anschaute. Und dann sein Messer einsteckte, sich umwandte und in der Dunkelheit zwischen den Wagen verschwand. Ron blickte Bahadir nur kurz an, bevor er sich wieder zu Mara hockte.

      (Nacht auf 351. Tag, die letzten Tage des 2. Wintermonats)

      Kapitel 2 – Eiron

      Die Frauen tuschelten. Es war unglaublich, diese Frauen waren auf der Flucht, mit ihren Kindern, ihren wenigen Habseligkeiten, sie hatten ihr Heim, ihre Männer hinter sich gelassen, Tod und Zerstörung, und sie hatten nichts Besseres zu tun, als über sie zu tuscheln. Natürlich nie, wenn Mara in der Nähe war, aber sie spürte ihre Blicke, hörte die eine oder andere Bemerkung, wenn sie, Mavi vor sich im Sattel und begleitet von Janek, vorüber ritt. Vermutlich war es nicht wichtig, schon gar nicht wichtig genug, um sich darüber zu ärgern, aber Mara wunderte sich doch.

      Noch bevor sie das Lager abbrachen und weiter zogen, absolvierte Mara jeden Morgen, meist mit Janek, seltener mit Ron oder einem anderen Gardisten, Basisübungen, Jons Worte im Hinterkopf. Womöglich ein weiterer Anlass zu Getuschel, doch eine notwendige und willkommene Ablenkung. Genau wie die wenigen Gelegenheiten, zu denen Mara den Wallach einfach laufen ließ: einfach dahin rasen, mit dem Wind um die Wette jagen, weitab vom Zug Richtung Westen und dann in einem großen Bogen zurück. Sie brauchte das, liebte es, in den Steigbügel fast stehend, weit vorgebeugt; genoss mit allen Sinnen. Und Mavi offenbar ebenso, denn am dritten oder vierten Tag murmelte er leise „Noch mal“, kaum dass sie zu den anderen zurückgekehrt waren. Mara nickte nur. „Wenn er sich ausgeruht hat.“

      Später dann, die Sonne ging bereits unter und die anderen stellten die Wagen einmal mehr im Kreis für das Nachtlager auf, gab Mara ihrem Pferd erneut die Zügel frei. Sollten die Frauen reden.

      Am Abend, nach einem Rundritt durch treibenden Schnee, wurden sie bei ihrer Ankunft im Lager bereits erwartet. Ein junges Mädchen blickte ihnen mit empörter Miene entgegen, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ihr habt es natürlich nicht nötig, beim Aufbau des Lagers zu helfen, was? Reitet da auf Eurem großen Pferd herum, reitet nur so zum Spaß, zu Eurem Vergnügen durch die Gegend, während andere, während wir hier schuften! Nicht genug, dass wir den ganzen Tag durch Matsch und Schnee laufen, hetzen müssen, während Ihr selbstverständlich reitet, als wärt Ihr ein Gardist, für den Ihr Euch offenbar haltet mit Eurem Schwert, Euren Waffen, diesem Mantel und der ganzen Schutzkleidung. Nein, Ihr lasst Euch auch noch von Frauen wie mir bekochen und bedienen, und Ihr … Ihr …“ Das Mädchen wusste