Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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Volk verallgemeinert eben, wo es nur kann.

      Das derbste aber verbreitetste Spottwort ist »Sauböhm«. Weit verbreitet ist auch der »Böhmak«. Da die Böhmen als Dickschädel gelten, heiß man sie oft auch »Kiesböhm«; sie sollen einen Schädel haben so hart wie Kies; man schimpft auch einen Dickschädel im Wald schlechthin einen »Böhmak«, weshalb es wohl auch in dem Sprüchlein heißt:

       »A Böhm' und a Stier ia oa Viah.«

      Die bayerischen Wäldler rechnen den Böhmen auch nicht zu den Menschen; man kann an einem Marterl im Wald lesen: »Hier unter diesem Baum hat der Blitz zwei Menschenleben und einen Böhm' erschlagen.«

      Wegen der Vorliebe für das Zwetschgenmus, das in Böhmen »Powidl« heißt, werden die Böhmen auch »Powidlböhm« genannt; »povidaln« tun die Tschechen und Leute, die halb deutsch, halb tschechisch reden; auch ein Wäldler, der undeutlich spricht, »povidalt was zusammen«.

      Von einem, den man den Tschechen in der Rede anmerkt, sagt man, er »böhmelt« oder »dem schlagt der Böhm' aufs G'nack (Genick).« Als ich einmal einem alten Weib im Bayerischen von meiner Herkunft erzählte, meinte sie: »Schlogt dir owa nix vüra!« Auch »Zegaböhm« hört man im Wald, was von »Zöger«, einem geflochtenen Handkorb kommt, den die Böhmerwäldler früher gerne trugen; das forderte den Spott der Bayern heraus, die nur Rucksäcke und Kitzen kennen. Aus Böhmen brachten die Bayern auch die schweren Holzschuhe mit, die heute noch weit ins Bayern hinein »Böhmschuah« heißen.

      In früheren Jahrhunderten waren die Böhmen als Ketzer verschrien, wovon unsere alten Schwänkeschreiber gar viel zu erzählen wissen (vgl. den schönen Aufsatz »Der Tscheche im deutschen Volksspott« von Albert Wesselski im 13. Jahrgang der Prager »Deutschen Arbeit«.) Hans Sachs beispielsweise fabelte in seiner »Vexation der vierundzwanzig Länder und Völker«:

       »Die Beham zeit man Ketzerei und heimlich mausens auch dabei.«

      Heute noch sagt man im bayerischen Wald: »Der ist eiskalt im Glauben wie ein Böhm'«. Einmal soll da ein Pfarrherr von der Kanzel herunter seinen gutbayerischen Schäflein gepredigt haben: »Leutel, geht's mir nit zu weit ins Böhm' hinein, da werdets ihr abgläubig!« Bei uns ist wiederum die Glaubensstärke der Bayern sprichwörtlich, die in der einen Hand den Rosenkranz und in der andern das lange Messer halten!

      Der andere Vorwurf des alten Dichters scheint vor allem auf das herumziehende Volk zurückzugehen: »Trau, schau, wem, nur keinem Böhm«, »Der Böhm hat eine falsche Seite«, »Das Verstellen ist die böhmische Krankheit«, »Böhm bleibt Böhm, wenn du ihn auch neunmal im Schmalz brat'st« usw. Hierher gehört auch der Reim, der die Tschechisch-Kenntnisse der Bayern festhält:

       »Potschkat (warten) heißt laufen und gralowat (stehlen) heißt kaufen.«

      Sprichwörtlich ist, dass vor dem Böhmen nicht einmal der Nagel an der Wand sicher sei, und Böhme und Nagel werden nun im Volkswitz in vielfache Zusammenhänge gebracht. Selbst der Herrgott am Kreuze, erzählt das Volk, halte in Bayern die Finger ausgestreckt, in Böhmen aber schließe er sie zu einer Faust zusammen, damit ihm die Nägel nicht gestohlen würden.

      Sehr beliebt ist der Böhme bei den Bayern dagegen als Musikant! Wenn man über eine Wurzel stolpert, so liege da ein böhmischer Musikant begraben, behauptet die bayerische Volksweisheit. Aber auch der alte Vorwurf kehrt wieder: Wenn in Böhmen ein Kind nach der Geburt die Finger ausstreckt, so wird es ein Dieb, zieht es aber die Finger zusammen, so wird ein Musikant aus ihm.

      Von unserem festen Gottvertrauen aber – ich spreche als Böhmerwäldler, die seit Jahrhunderten die nächsten Nachbarn der Tschechen sind, - zeugt das Sprüchlein: »Unser Herrgott verlässt keine Deutschen, wenn er nur ein wenig böhmisch kann!«

      Ös und diats

      Auf dem größten Teile des bayerischen Sprachgebietes kennt das Volk keine Mehrzahlformen des persönlichen Fürwortes der zweiten Person: ihr, euch. Gewöhnlich duzen einander die Leute. Die Kinder aber sagen zu ihren Eltern noch in vielen Gegenden »dös« und »enk«, und diese Wörtchen sind auch meist die Anredeformen älteren und höher gestellten Personen gegenüber. Dann werden diese Wörtchen auch angewendet, wenn mehrere Personen angesprochen werden, und in diesem Falle sind »dös« und »enk« noch allgemein gang und gäbe. Manchen Leuten aus dem Volke, die sich Gewalt antun, »nach der Schrift« zu reden, kollert oft das Wörtchen »ös« in die Rede wie dem Schützenhauptmann, der seiner Kompagnie beim Empfange eines Erzherzogs zurief: »Wenn ich Vivat schrei, so schreit ös auch!«

      Die nachgestellte schwachtonige Form unseres Dialektfürwortes: »'s« ist auch unter den Gebildeten im Süden des deutschen Sprachgebietes gewöhnlich; Wendungen wie »Lassts euch Zeit!« kann man genug hören, und kaum weiß einer unter Munderten, dass das »s« im Zeitworte die schwachtonige Form des Dialektfürwortes »ös« ist. Die nachgestellte schwachtonige Form von »ös«, wie das Wörtchen ursprünglich lautet, »s« ist übrigens mit dem Zeitworte meist so verwachsen und wird ganz als Endung gefühlt, dass man überdeutlich sagt: »Habts ös?« oder »dös habts«, im Egerländischen etwa: »Sats diats?« schriftsprachlich: Seid ihr. Wer den Leuten gut aufs Ohr horcht, wird merken, dass in manchen Gegenden in Nebensätzen die Leute das »s« nicht anwenden. Während man im oberen Böhmerwald zum Beispiel sagt: »Passts af, dass guat hoam kemmts«, heißt es in manchen Gegenden des Unterlandes im Nebensatze »dass guat hoam kemmt.«

      Die Formen »ös, dös, enk« kommen auf dem größten Teile des bayerischen Sprachgebietes vor, die Nordbayern oder Egerländer sagen »diats« und »enk«. Mittelhochdeutsch-bayerisch lauten die Wörtchen ¸z und ¸nk, und man meint, dass sie Reste alter Zweizahlformen sind.

      Wir wollen nun die Dialektformen im Donaubayerischen auf böhmischer Seite beschreiben und den Übergang ins Egerländische feststellen. Die Form »enk« hat sich in den Dialekten nur wenig geändert. Wie ist nun das mittelhochdeutsch-bayerische Wörtchen ¸z zu »dös« geworden? Im oberen Böhmerwald heißt die Form »es«, im unteren ist wie in den anderen Fällen mit altem ? Zerdehnung eingetreten und es wird »e¿s« oder besser mit Lippenrundung »öis« gesprochen; häufiger dagegen ist die Form »des« und »döis«. Der Anlaut ist aus der volkstümlichen falschen Silbentrennung zu erklären, das heißt, der auslautende Mitlaut des vorhergehenden Wortes ist mit dem Anlaut des folgenden Wortes zusammen gewachsen, da das Volk, dem ja das geschriebene Wort nicht so vor Augen schwebt wie dem Gebildeten, die Wortgrenze nicht scharf einhält. Auf solche Art entstanden sind Wörter wie »Nast« (einen Ast, einen Nast). Aus Verbindungen »habet ös« wurde leicht auf dieselbe Weise »habet tös«; »dös« im Donaubayerischen ist leicht zu erklären, da man im Anlaute in der Regel einen weichen Laut spricht. Auch mag, und das besonders in den übrigen bayerischen Dialekten, du, dir, dich usw. mitgeholfen haben, dass neben »ös« die Form »dös« gebräuchlicher wurde. In der Ossergegend ist nur »es« üblich.

      Im nordbayerischen Sprachgebiete, das sich ja vom übrigen Bayerischen etwas mehr unterscheidet, hat sich mittelhochdeutsch-bayerisches ?z zu »diats«, oder besser wiedergegeben »tiats«, entwickelt. Das Wörtchen ist die egerländische Form des gewöhnlichen bayerischen »dös«. Wie in manchen altbayerischen Dialekten altes ¸ gedehnt als e¿ erscheint (de¿s, Nest: Ne¿st), so erscheint es im Egerländischen in gewissen Wörtern ebenfalls zerdehnt, jedoch mit der bekannten nordbayerischen Umstellung der Zwielaute: (Nest: Niast), de¿s, diats. Etwas merkwürdig ist, dass der auslautende Reibelaut des Bayerischen (dös) im Oberpfälzischen als z, ts, erscheint: diats. Wahrscheinlich ist der Auslaut aller Zeitwörter in der zweiten Person der Mehrzahl (machts, sagts) infolge Fernangleichung auf das Fürwort übertragen worden; aus Wendungen wie »machts dias« wurde bald »machts diats«; im Egerländischen wurde häufig die Zeitwortendung »ts« auf kleinere Wörter übertragen: dats, dass ihr; wennts, wenn ihr, we?ts, wie ihr; wouts, so ihr usw. Man spricht in solchen Fällen von einer Art Abwandlung des Bindewortes. Ein ähnliches Beispiel aus dem Donaubayerischen wäre der Ausruf: »mein«, in der Mehrzahl »meints« oder »han« und »hants«.

      Bis in die Gegen der Schwarzkoppe sagt man »dös, es«, das letzte Dorf