Stefan Mitrenga

Goschamarie Bauernsterben


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Marie mit dem Geldbeutel zu, kaum dass er den letzten Bissen geschluckt hatte.

      „Oh Walter! Hosch es jetzt uff oimol soooo eilig?“, staunte die Wirtin und stellte ihm und Liesl ein Sprudelglas, halb voll mit Schnaps, vor die Nase. Walter seufzte, doch Liesl kam ihm zuvor.

      „Oh wunderbar. Das ist nach dem Essen genau das Richtige. Danke Marie!“

      Liesl hob ihr Glas in die Höhe und stieß mit Walter an, während Marie grinsend Walters Wechselgeld heraussuchte.

      Sie verließen die Gaststube zusammen mit Max und Karle aus Alberskirch, die an diesem Sonntag beide noch etwas vorhatten.

      Marie sah ihnen nach und winkte als sie hinausgingen: „Machets guat, ziernet nix, kommet wieder!“

      14

      Faxe winkte ihnen schon von weitem zu und lotste sie auf einen Parkplatz neben seiner Garage. Liesl fuhr so weit wie möglich vor, bevor sie den Motor abstellte und ausstieg. Walter war etwas schneller gewesen und stand bereits bei Faxe, der in seiner dreckigen Latzhose an einem alten Motorrad lehnte. Er wischte seine Finger an einem öligen Lappen ab und schüttelte seine Haare mit einer lässigen Bewegung nach hinten.

      „Liesl – das ist Faxe. Faxe – das ist Liesl, meine neue Nachbarin“, stellte er die beiden vor.

      Faxe lächelte breit und schüttelte Liesls Hand deutlich länger, als sie es erwartet hatte. Dabei kam er ihr so nah, dass sie die kleinen Schweißtropfen auf seinem nackten Oberkörper schimmern sah.

      „Freut mich Sie kennenzulernen … oder darf ich „du“ sagen?“, säuselte Faxe.

      Liesl hatte ihre Hand noch immer ausgestreckt, obwohl Faxe seine längst zurückgezogen hatte. Sie starrte ihm in seine tiefliegenden dunklen Augen und rührte sich nicht vom Fleck.

      „Du“, sagte sie dümmlich. „Du. Du du.“

      „Da drüben steht er“, ignorierte Faxe die peinliche Situation und lotste Walter zu seinem alten Peugeot, während Liesl mit offenem Mund zurückblieb. Sie blieben vor dem Wagen stehen, besser gesagt, vor dem, was von ihm übrig war. Walter musste tief durchatmen, um seine Tränen zurückzuhalten. Es sah aus, als hätten die abgefallenen Teile das Skelett seines 205ers freigelegt und wegen der durchgebrochenen Stoßdämpfer wirkte er klein und verletzlich.

      „Und da ist wirklich nichts zu machen?“, fragte Walter mit traurigem Blick, doch Faxe schüttelte nur den Kopf.

      „Glaub mir, Walter: es ist Zeit, ihn gehen zu lassen. Soll ich das für dich regeln?“

      Walter hatte keine Ahnung, wie man ein Auto verschrottete und war froh über Faxes Angebot.

      „Das wäre wirklich nett. Weißt du, wie viel das ungefähr kostet?“

      „Das geht zurzeit null auf null raus. Hängt immer vom Schrottpreis ab. Manchmal kriegst du was raus, manchmal legst du was drauf. Aktuell hebt der Schrottpreis die Kosten auf.“

      Wenigstens das.

      „Wo krieg ich denn auf die Schnelle jetzt ein neues Auto her?“, fragte Walter und dachte schaudernd an Jusufs Angebot, Cousin Rafi einzuschalten.

      „Hallo? Was ist mit dir los Walter? Wo hast du deinen 205er damals gekauft?“

      „Im Autohaus.“

      „Und warum gehst du nicht einfach wieder da hin?“

      „Weil es vor zehn Jahren dicht gemacht hat.“

      „Oh“, sagte Faxe und ging zum Kühlschrank.

      „Auch ein Bier?“, fragte er über die Schulter und reichte Walter eine kleine 0,33er Flasche aus dem Kühlfach, die sofort beschlug.

      „Gerne“, sagte Walter und griff nach der eiskalten Flasche.

      „Liesl, auch ein Bier?“, bot Faxe an und hielt ihr ebenfalls eine Flasche hin.

      Liesl griff apathisch zu. „Du. Du du“, brabbelte sie als Dank.

      „Muss es denn wieder ein Peugeot sein?“, fragte Faxe und suchte bereits im Adressbuch seines Handys.

      Darüber hatte sich Walter bislang noch keine Gedanken gemacht, doch als er daran dachte, wie viele Jahre er mit seinem 205er glücklich gewesen war, fiel die Entscheidung spontan.

      „Das wäre mir am liebsten. Dann muss ich mich auch nicht so umstellen. Jede Automarke hat ja doch so ihren eigenen Stil.“

      Faxe lächelte. „Glaub mir, Walter, du wirst dich umstellen müssen.“ Er leerte sein Bier und ließ die leere Flasche in eine Bierkiste neben dem Kühlschrank gleiten.

      „Hier die Nummer von einem Freund. Mit dem war ich gerade auf dem Yoga-Lehrgang.“ Er kritzelte ein paar Zahlen auf einen Zettel und reichte ihn Walter. „Der arbeitet in einem Autohaus in Friedrichshafen, das Peugeot verkauft. Schau da mal hin. Sag einfach einen Gruß von mir.“

      Walter nahm den Zettel und faltete ihn sorgfältig zusammen, bevor er ihn einsteckte.

      „Meinst du, wir könnten da die nächsten Tage mal vorbeischauen?“, fragte er Liesl, die bisher noch kein Wort gesagt hatte.

      „Liesl?“, hakte Walter nach, da sie nicht reagierte. Erst als er sie sanft am Arm berührte, erwachte sie aus ihrer Trance.

      „Du. Du du“, sagte sie und schaute Walter verwirrt an.

      „Ob du mit mir demnächst mal nach Friedrichshafen ins Autohaus fahren würdest?“, wiederholte er seine Frage etwas lauter. „Ich hab ja im Moment kein Auto.“

      Liesl hielt sich die Hand vor den Mund und räusperte sich.

      „Aber natürlich Walter. Kein Problem. Wo ist denn das Autohaus in Friedrichshafen?“

      Faxe erklärte den kürzesten Anfahrtweg, während Liesl an seinen Lippen hing. Walter beobachtete sie amüsiert und war gespannt, ob sie sich den Weg würde merken können. Zur Sicherheit hörte er genau zu. So kannte er wenigstens den Weg.

      „Das mit Hermann ist eine üble Sache“, wechselte Faxe plötzlich das Thema. „Wann ist das denn passiert?“

      „Gestern Abend“, antwortete Walter und erzählte ihm kurz, was er wusste. „Mein Freund von der Kripo ist sich mittlerweile auch sicher, dass es Mord war, da der Traktor Hermann dreimal überrollt hat.“

      Walter bemerkte seinen Fehler in dem Moment, als er ihn beging, dabei hatte er Hubert versprochen, genau dieses Detail nicht weiter zu erzählen.

      „Aber bitte, das muss unter uns bleiben“, versuchte er die Situation zu retten. „Ich hatte meinem Freund versprochen, nicht über die Details zu sprechen.“ Walter ärgerte sich über alle Maßen und machte das mittlerweile leere Bier für seinen Ausrutscher verantwortlich.

      „Kein Ding, Walter“, winkte Faxe ab. „Hier in Alberskirch fragt eh keiner danach und ich werde es keinem auf die Nase binden.“

      Während Walter und Faxe sich noch über Hermann unterhielten, blieb Liesl weiter still, trank aber wenigstens ihr Bier. Erst auf dem Heimweg, sprach sie wieder.

      „Dieser Faxe ist schon ein sehr gutaussehender Kerl“, sagte sie leise.

      „Und einen tollen Hintern hat er“, ergänzte Walter und wunderte sich erneut, warum er das gesagt hatte.

      15

      Auch die Tiere genossen den Sonntag und lagen faul auf Walters Terrasse. Walter hatte Balu zwar aufgefordert in Liesls Auto zu springen und mit nach Alberskirch zu fahren, doch als er den leidenden Blick seines Hundes gesehen hatte, ließ er ihn kurzentschlossen zu Hause. Da Balu bisher noch nie etwas angestellt hatte, wenn er allein gewesen war, vertraute Walter ihm. Dass er ihm vor wenigen Wochen das Leben gerettet hatte, spielte ebenfalls eine Rolle. Kitty war kurz darauf hinzugekommen und auch Eglon hatte sich her bemüht. Jetzt lagen alle drei flach auf den kühlen Steinen im Schatten und dösten vor sich hin.

      „Was meint ihr: hilft Walter wieder bei den Ermittlungen?“, nuschelte Kitty ohne die Augen zu öffnen. „Auf keinen Fall“, protestierte Balu. „Das schafft die Polizei diesmal alleine. Das ist eine ganz normale