Heidy Fasler

Liebe-VOLL AUSGENOMMEN


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eine Packung seiner Lieblingszigarren besorgt, die ich ihm, wie jedes Jahr, in den Ferienkoffer legen will. Der fertig gepackte Koffer liegt mit aufgeklapptem Deckel bereits hinter dem Esstisch auf der Eckbank. Ich verspreche ihm, in seiner Abwesenheit den Briefkasten zu leeren und den Kühlschrank zu füllen. Gutgelaunt malt er sich aus, welche Ausflüge er mit Rita unternehmen will und erwähnt so nebenbei, dass er ihr das Benzin bezahlen wird.

      Bei uns ist es ihm noch nie in den Sinn gekommen, uns zu entschädigen. Obwohl wir mit ihm schon so oft ins Tirol gefahren sind und ich, wenn ich nicht dabei war, für ihn Milch, Brot, Käse und Wurst besorgt habe, damit er mit dem Nötigsten versorgt war, wenn er nach Hause kam. Er hat sich nicht einmal nach unseren Auslagen erkundigt.

      »Wieso bezahlst du das Benzin?« frage ich empört.

      »Weil sich das so gehört. Weißt du, was das Benzin heutzutage kostet?«

      »Natürlich weiß ich das. Ich gebe es nicht für mich aus, wenn ich dich herum chauffiere«, motze ich. Bisher habe ich über seinen Geiz hinweggesehen und mir deswegen keine Gedanken gemacht, weil er uns alle gleich behandelt hat. Jetzt sehe ich das in einem anderen Licht. Die Zigarren bleiben unberührt in meiner Tasche. Ich verabschiede mich von ihm, wünsche ihm schöne Ferien und bitte ihn, mal anzurufen, damit ich weiß, wie es ihm geht.

      Am Montagmorgen fährt Rita mit ihrem teuren Schlitten vor, bugsiert Vater und Koffer in den Wagen und braust Richtung Tirol davon. Die Fahrt dauert mehr als vier Stunden und sie ist in dieser Zeit sehr gesprächig. Er versteht nicht alles, was sie sagt, nickt aber stets mit dem Kopf und stellt ab und zu eine nichtssagende Frage, um ihren Redefluss am Leben zu halten.

      »Woran denkst du«, fragt Rita, als sie bemerkt, dass er nicht mehr nickt und nachdenklich neben ihr sitzt.

      »An Corinne. Normalerweise schenkt sie mir vor den Ferien eine Schachtel mit meinen Lieblingszigarren. Sie kam zwar vorbei, aber dieses Jahr hat sie wohl vergessen.«

      »Ach, vergiss Corinne, die ist nur neidisch.«

      Als eine Raststätte auftaucht, stellt Rita den Blinker, fährt von der Autobahn, parkiert den Wagen und bittet Vater sitzen zu bleiben. Sie steigt aus, knallt die Türe zu und verschwindet in der Raststätte. Als sie zurückkommt, drückt sie Vater eine Packung mit Zigarren in die Hand. Die billige Marke erkennt er auf den ersten Blick. Weil er sie dafür küssen darf, ist er wieder versöhnt. Mehrmals drückt er seine feuchten Lippen auf ihren Mund, das sie passiv über sich ergehen lässt. In ihrem Leben gab es schlimmere Dinge, die sie über sich ergehen lassen musste.

      Im Hotel kümmert sie sich um die Formalitäten, lässt sich vom Concierge zwei Zimmerschlüssel aushändigen und drückt einen davon Vater in die Hand. Abwechselnd sieht er auf die Schlüssel, den in seiner und den in ihrer Hand. »Haben wir kein Doppelzimmer?«, fragt er.

      »Nein. Es ist besser so. Ich schlafe bei Licht schlecht ein und du willst vor dem Einschlafen bestimmt noch lesen.«

      Dass er dafür ein paar ‚Jerry Cotton‘-Romanhefte im Gepäck hat, weiß sie nicht, aber ihr fiel nur diese naheliegende Ausrede ein.

      Er hat es sich anders vorgestellt, akzeptiert es aber stillschweigend, um die gute Stimmung nicht zu trüben. Wenigstens trägt sie seinen Koffer in sein Zimmer hoch. Nach dem Abendessen gehen beide früh zu Bett.

      Am anderen Morgen treffen sie sich im Speisesaal und Rita zeigt sich von ihrer besten Seite. Sie stellt für ihn am Buffet das Frühstück zusammen und gibt sich sehr fürsorglich. Beim Schmieden des Tagesplans driften ihre Interessen allerdings auseinander. Er will mit der Seilbahn auf einen Berg hochfahren und sie im Dorf flanieren. Um ihr zu gefallen, gibt er nach. Nach dem Frühstück verlassen sie das Hotel und schlendern Arm in Arm durchs Dorf. Stolz erklärt er Rita die Umgebung, die fast zu seiner zweiten Heimat geworden ist. Mit seiner Familie ist er so oft hier gewesen, dass er die Gegend wie seine Hosentasche kennt. Ritas Begeisterung hält sich in Grenzen. Sie interessiert sich mehr für die Auslagen in den Geschäften. Als sie erfährt, dass Vater keine Kreditkarte hat, sinkt ihre Laune. Die Aussicht, eine ganze Woche mit dem alten Mann, ohne ausreichende Entschädigung, verbringen zu müssen, macht es nicht besser. Sie beschließt, das Beste heraus zu holen und bringt Vater ins Hotel zurück.

      »Mach was Du willst. Ich habe starke Kopfschmerzen und muss mich hinlegen. Und stör mich bitte nicht.«

      Enttäuscht blickt er ihr hinterher, als sie zum Aufzug stöckelt. Da ihm nichts Anderes übrigbleibt, geht er in die Bar und bestellt sich ein Bier. In ihrem Zimmer ruft Rita einen ihrer Bekannten namens Andy an und bittet ihn, herzukommen. Sie braucht eine Abwechslung, denn ihr steht eine öde Woche bevor. Danach lässt sie sich den ganzen Tag nicht mehr blicken. Vater ist froh, als Toni am anderen Morgen im Hotel eintrifft.

      In Tonis Gegenwart zeigt sich Rita wieder von ihrer freundlichsten Seite und benimmt sich, als wären sie und Toni alte Freunde. Toni findet nichts an ihr auszusetzen und sie verbringen zu Dritt einen angenehmen Tag. Als Toni mich am Abend anruft, schwärmt sie von Rita in den höchsten Tönen. Ich finde es unglaublich, aber Toni ist noch blauäugiger, als Vater.

      Am nächsten Tag werden sie von Vaters ehemaligem Vorgesetzten zum Mittagessen im Fünfsternehotel erwartet. Toni zieht einen Ausflug vor und will deshalb nicht mit. Vater bedeutet die Einladung sehr viel und er freut sich, weil er meint, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Sein ehemaliger Chef wird von seiner neuen jungen Frau beeindruckt sein und Rita wird überrascht sein, dass er so wohlhabende Leute kennt. Vater hatte sich für diesen Höhepunkt extra in Schale geschmissen. Rita kreuzt in einem Minirock, Pumps und einer tief ausgeschnittenen Bluse unter ihrer Lederjacke auf. Als sie in Peter Sanders Hotel eintreffen, werden sie von ihm in der Halle in Empfang genommen. Kaum hatte Vater Rita mit seinem Chef bekannt gemacht, wird er von ihr wie Luft behandelt. Rita hat mit ihrem Jägerinstinkt sofort erkannt, dass Peter Sander finanziell in einer anderen Liga spielt. Ein Kellner nimmt Rita die Jacke ab und Peter geleitet seine Gäste durch die Halle in den Speisesaal. Rita läuft mit Peter voraus und Vater, der sich schon jetzt als fünftes Rad am Wagen fühlt, trippelt ihnen enttäuscht hinterher. Der Speisesaal macht einen prunkvollen Eindruck. Die Vorhänge an den großen Fenstern sind aus dem gleichen dunkelblau gemusterten Stoff, mit dem auch die Stühle überzogen sind. Überall stehen frische Blumen und Nippes aus Silber. Die Tische sind wunderschön mit weißen Stofftüchern, Silberbesteck, Kristallgläsern, Kerzenleuchtern und Blumengestecken eingedeckt. Die Kellner tragen schwarze Anzüge und weiße Handschuhe. Diskret halten sie sich im Hintergrund, sind aber sofort zur Stelle, wenn man sie braucht. Galant zieht Peter seinen Gästen den Stuhl hervor, bevor sie sich setzen. Noch bevor etwas zum Trinken auf dem Tisch steht, beginnt Rita, Peter aufreizend zu umgarnen. Sie flirtet mit ihm, legt ihre Hand auffällig viel auf seinen Arm und zeigt was sie hat. Ihr Benehmen gefällt weder ihm, noch Vater. Da Peter es versteht, in jeder Situation Haltung zu bewahren, übergeht er geschickt ihre Avancen. Er lässt sich auch nichts anmerken, dass Rita seinem eigentlichen Gast keine Beachtung schenkt und bezieht beide in den Small Talk ein. Rita interpretiert seine Höflichkeit als Interesse und legt, als sie erfahren hat, dass er Witwer ist, weiter ihre Köder aus.

      Vaters Stimmung ist inzwischen im Keller. Enttäuscht lehnt er sich zurück, nimmt nicht mehr an der Unterhaltung teil und beschäftigt sich mit seinem Essen. Ab und zu wirft er einen Blick durch die Fenster auf die farbigen Blumenrabatten im gepflegten Garten. Währenddessen redet Rita unaufhörlich auf Peter ein. Die zu Beginn noch freundliche Atmosphäre, weicht zunehmend einer steifen Stimmung. Peter findet sie nicht sonderlich attraktiv und weil er seinen ehemaligen Mitarbeiter nicht brüskieren will, macht er bis zum Schluss gute Miene zum bösen Spiel. Als sie sich verabschieden, ist Vater grenzenlos enttäuscht und Rita hoch erfreut. Wenn sich dieser Fisch angeln lässt, hat sich die Woche für sie doch noch gelohnt. Peters Förmlichkeit schreibt sie seiner Rücksichtnahme auf Vater zu. Sie nimmt sich vor, am Abend noch einmal hierher zu kommen, um noch mehr aus ihrem Register zu ziehen. In Wahrheit ist Peter froh, als diese Frau, mit ihrem schrillen Gelächter und ihrer penetranten Aufdringlichkeit, endlich gegangen ist. Die Unterhaltung beim Mittagessen hat er mangels Ritas fehlender intellektueller Bildung, als sehr mühsam empfunden und hat nicht vor, ihr noch einmal freiwillig zu begegnen. Wenn Walter Graf Freude an dieser billigen Nutte hat, soll er sie haben, für ihn ist