Heidy Fasler

Liebe-VOLL AUSGENOMMEN


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will. Zu viel auf ein Mal. Das Herz klopft mir jetzt bis zum Hals. Ich bringe gerade noch stotternd über die Lippen, dass er die Zahlung zurück halten soll, bis ich mit meinem Vater geredet habe.

      Im Büro lasse ich alles stehen und liegen, fahre zu ihm nach Hause und hoffe, dass er da ist. Nachdem ich zweimal auf den Klingelknopf gedrückt hatte, höre ich erleichtert den Summer der Türöffnung. Auf dem Weg in den zweiten Stock überwinde ich zwei Stufen auf einmal und stürme atemlos an Vater vorbei, der unter der geöffneten Türe steht und sich über meinen unverhofften Besuch freut. Kaum ist die Türe zu, wettere ich los. Als er realisiert um was es geht, schwindet seine Freude. »Wieso weißt du das? Du darfst dich nicht einmischen. Du darfst die Harmonie zwischen mir und Rita nicht stören.«

      »Papa. Bitte. Wenn die Harmonie auf diesem großzügigen Geldgeschenk beruht, ist diese Freundschaft nicht viel wert.«

      »Ich habe es versprochen und damit basta.«

      »Weshalb schenkst du ihr so viel Geld?«

      »Ich schenke es nicht, ich leihe es. Ihr wurde die Geldbörse gestohlen und jetzt hat sie einen finanziellen Engpass.«

      »Einen Engpass?«, frage ich lauter als beabsichtigt. »Dass ich nicht lache. Wer ein so schickes Auto fährt, hat keine Engpässe. Das sind Ausreden, damit du weich wirst. In einem Notfall kommt man auch mit weniger, als fünftausend Euro, über die Runden. Sie hat Schulden und einen Eintrag im Strafregister, jedenfalls ist sie der Polizei bekannt. Die Liebe spielt sie dir vor. Papa, du musst mir glauben. Bitte!«

      »Schulden? Davon weiß ich nichts«, antwortet er und geht ins Wohnzimmer.

      Ich finde es merkwürdig, dass er sich nicht daran erinnert. Er hat sie an Mutters Grab selbst erwähnt, als er mir erklärte, dass ihr Exmann dafür verantwortlich ist. Ich laufe ihm hinterher und stelle Fragen, denen er mit Ausreden ausweicht und versichert, dass dieses Darlehen eine einmalige Sache ist. Ich gebe nach. Es ist sein Geld und seine Entscheidung, was er damit macht. Dafür ringt er mir das Versprechen ab, gegenüber meinen Geschwistern den Mund zu halten. Zurück im Büro bleibt mir nichts anderes übrig, als John Harding anzurufen, damit er die Überweisung frei gibt.

      Mehr aus Gewohnheit, als aus Hunger, bereite ich am Abend das Essen zu. Ich setze das Wasser für die Spaghetti auf und wasche an der Spüle die Tomaten. David holt das Geschirr aus dem Schrank und deckt den Tisch. Währenddessen erzähle ich ihm vom Gespräch, das ich am Nachmittag mit Vater hatte. »Du musst Toni und Robert darüber in Kenntnis setzen. Wenn seine Konten leer sind, werden sie es dir übelnehmen, dass du es vorausgesehen und nichts gesagt hast«, entgegnet David. »Du musst auch deinen Vater zur Rede stellen. Ich bin sicher, da ist bereits schon mehr Geld geflossen, als du weißt. Bargeld lässt sich nicht zurückverfolgen.«

      Während die Tomaten einkochen, denke ich darüber nach und unschlüssig, was ich tun soll, bringe ich es noch einmal zur Sprache, als wir vor den gefüllten Tellern sitzen.

      »Ein Versprechen ist ein Versprechen und dieses Darlehen eine einmalige Sache. Er hat genug Geld und verkraftet diesen Betrag. Muss ich Toni und Robert wirklich informieren?«

      »Es wird nicht bei dieser einen Überweisung bleiben. Es ist ihr in kurzer Zeit gelungen, deinem Vater diesen Betrag abzuluchsen. Erstens sieht er dieses Geld nie wieder und zweitens wird sie seine Dummheit sehr bald wieder ausnutzen. Du wirst es sehen.«

      Am nächsten Tag befolge ich Davids Rat und schreibe am frühen Morgen im Büro einen Brief an Toni und Robert. Frank lasse ich aus, er braucht meine Meinung über Rita nicht zu erfahren, falls ich doch falsch liegen sollte. Danach erledige ich meine Arbeit mehr schlecht, als recht und schweife mit den Gedanken immer wieder ab. Um zehn Uhr gehe ich in die Küche, hole mir einen Tee und gehe ins Sitzungszimmer. Marc und Lena sitzen bereits am Tisch und machen sich über die Brötchen her, die Lena, wie jeden Morgen, außer wenn sie in der Berufsschule ist, in der Bäckerei besorgt hatte. Wir pflegen untereinander ein freundschaftliches Verhältnis und Marc zieht mich manchmal mit meinem Mädchennamen auf. Meistens, wenn Lena eine Auskunft will, auf die er keine Antwort hat. »Frag die Gräfin«, lacht er dann.

      Marc kennt Frank und Lore flüchtig, weil ich sie miteinander bekannt gemacht habe, als wir die Eröffnung unserer Agentur feierten. Weil Frank und Lore danach ab und zu mal vorbeigekommen sind, weiß auch Lena, wer sie sind. Die beiden Männer haben sich gut verstanden und Witze gerissen, wenn sie sich gesehen haben. Natürlich habe ich sie auf dem Laufenden gehalten und erzähle ihnen von dieser Überweisung.

      »Rita hat mich im Birkland brandschwarz angelogen.«

      »Welche Überredungskunst musste sie anwenden, damit dein Vater so spendabel wurde?«, fragt Marc.

      »Sie behauptet, dass ihr die Geldbörse gestohlen wurde, und dass sie es zurückzahlen wird.«

      »Vielleicht hat sie wirklich einen Engpass«, meint Lena.

      »Wieviel war drin?«, fragt Marc.

      »Zehntausend.«

      »Da hatte dein Vater aber Glück, dass sie nur fünftausend wollte«, witzelt Marc.

      »Kein vernünftiger Mensch hat so viel Geld in der Tasche«, sinniert Lena, als sie aufsteht, die Tasse in die Küche stellt, und zurück an ihren Arbeitsplatz geht.

      »Das hatte sie auch nicht«, rufe ich Lena hinterher. »Diesen Betrag hat sie erfunden, um so viel wie möglich aus Vater heraus zu holen. Leider ist er darauf eingegangen.«

      »Komm, das bringt nichts. Versuche an etwas Anderes zu denken«, spricht Marc mich wieder an.

      »Corinne, Telefon für dich«, höre ich Lena rufen und bin gezwungen, in mein Büro zu gehen, obwohl ich keine Lust zum Arbeiten habe. Ich hätte das Thema gerne weiter besprochen, nur lässt sich die Überweisung auch mit langem Reden nicht rückgängig machen.

      Am Telefon ist ein potenzieller Neukunde, der auf Empfehlung von einem unserer Kunden anruft und eine maßgeschneiderte Offerte verlangt. Während er seine Bedürfnisse erklärt, mache ich Notizen und lege, nachdem ich ihm versichert habe, dass er bei uns an der richtigen Adresse ist, den Hörer auf. Normalerweise schreibe ich eine Offerte sofort, oder mindestens so bald wie möglich, damit sie am Abend mit der Post rausgeht. Aber meine privaten Gedanken haben mich so fest im Griff, dass die Notizen unberührt liegen bleiben.

      Den ganzen Tag suche ich in der Vergangenheit nach Anzeichen, die Aufschluss geben könnten, ob Vater schon früher vergesslich war, finde aber keinen Anhaltspunkt. Er ist geistig fitter als mancher Zwanzigjähriger, rattert seine Termine für die nächsten drei Wochen in einem Zug runter und kennt das Fernsehprogramm auswendig. Erst kürzlich machte er mich auf einen Film aufmerksam, von dem er dachte, dass er mich interessieren könnte und nannte mir Tag, Sender und Ausstrahlungszeit. Am späten Nachmittag ist nebst der Offerte, noch Anderes nicht erledigt und ich sage die Einladung von Freunden ab, die David und mich heute Abend zum Essen erwarten, damit ich das Versäumte aufholen kann.

      Ende August hat Lore Geburtstag und Vater will das Wochenende mit ihr und Frank bei Rita verbringen. Dieses Jahr haben weder meine Geschwister, noch ich eine Einladung erhalten und wir sind deswegen nicht unglücklich. Wir sind froh, wenn wir Rita nicht begegnen müssen. Wie im Juli, regnete es auch im August sehr häufig, aber die Wetteraussichten für dieses Wochenende sind nicht schlecht. David und ich nutzen die vaterfreien Tage und machen mit Struppi einen Ausflug in den Schwarzwald. Tatsächlich hält Petrus die Schleusen geschlossen und wir schlendern stundenlang durch die Wälder, begegnen ab und zu anderen Wanderer, oder Pilzsammler. Am Ende des Schluchsee steigen wir in eine nostalgische Dampfbahn ein.

      »Bist du dir bewusst, dass es seit fünf Jahren der erste Ausflug ohne deinen Vater ist?«, fragt David, als wir im Zugabteil auf den Holzbänken sitzen.

      »Ja ich weiß und eigentlich ist es traurig.«

      »Ich habe bis jetzt nichts gesagt, aber mir kam es manchmal vor, als würde ich das Leben eines Neunzigjährigen führen, weil wir das Programm und das Tempo deinem Vater anpassen und unser Leben nach ihm ausrichten. Ich finde es schön, dass wir zwei einmal alleine etwas unternehmen.«

      »Ich