Heidy Fasler

Liebe-VOLL AUSGENOMMEN


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leistet mir beim Mittagessen im Bären Gesellschaft. Weshalb fragst du?«

      »Rita hat Schulden«, sage ich aufgeregt.

      »Woher weißt du das?«, fragt er.

      Ich erkläre ihm die Funktion eines Auskunftsbüros. Dass er es kapiert hat, sehe ich an seinen malmenden Backenknochen. Unmerklich zieht er die Augen zusammen, schüttelt leise den Kopf und sinkt ernüchtert aufs Sofa.

      »Sie hat keine Schulden. Sie hat ein Haus, zwei Autos und ein gut gehendes Schneideratelier«, antwortet er kleinlaut.

      »Woher weißt du das?«, frage ich erstaunt, während ich mich ebenfalls hinsetze.

      »Ich war schon mal dort.«

      Die Beziehung scheint ernster zu sein, als ich dachte. Jetzt wird es schwierig, weil er mir nicht glaubt. Ich setze mich ihm gegenüber in einen Sessel. Langsam verstehe ich meine Mutter, weshalb sie unserem Vater Standpauken halten musste. Da sie uns aus den Konflikten heraushielt, wussten wir selten um was es ging, aber manchmal bekamen wir Bruchstücke mit. Zudem konnte Vater die Gewitterwolken immer irgendwie vertreiben, denn der Krach dauerte selten lange und endete meist mit der für Mutter typischen Frage: "Hast du keinen Stolz?« Vater brummelte dann etwas und damit war die Sache erledigt. Mit der Zeit gewöhnten wir uns an Mutters Seufzer und außerdem machten Robert und ich uns meistens aus dem Staub, wenn eines dieser Gewitter aufzog und den Haushalt unterkühlte. Jetzt muss ich, an ihrer Stelle, pädagogisch auf Vater einwirken.

      »Keines deiner Kinder hat einen Eintrag im Betreibungsregister und dank unserem Lebenswandel wird es auch nie dazu kommen. Es ist besser, du gibst diese Frau auf.«

      »Nein, das kommt nicht in Frage. Aber ich stelle sie deswegen zur Rede.«

      Ich sehe es ein, dass er sich ein eigenes Bild machen will und hoffe, Rita sagt die Wahrheit, wenn er mit ihr spricht, was ich aber stark bezweifle. Vielleicht ist es noch zu früh, diese Frau zu verurteilen, eine Betreibung ist noch kein Weltuntergang, allerdings davon gleich mehrere, und dazu noch Schuldscheine zu haben, deutet auf keinen guten Ruf hin.

      Über den Mittag gehen Lena und Marc meistens zum Essen in eines der Lokale beim Dorfplatz, oder treffen sich sonst wo mit Freunden. Ich unternehme um diese Zeit einen Spaziergang mit Struppi und verdrücke unterwegs ein Sandwich. Manchmal treffe ich, auf diesem kurzen Ausflug, auf Benny, ein flüchtiger Bekannter, der bei der Polizei arbeitet und zur selben Zeit, wie ich, seinen Hund ausführt. Ich empfinde es als glücklichen Zufall, dass er ausgerechnet heute meinen Weg kreuzt. Vielleicht kann Benny, als Polizist, etwas über Rita Elsino in Erfahrung bringen. Während die Hunde herumtollen, erzähle ich ihm von Vaters neuer Errungenschaft. Er verspricht, sich umzuhören und schickt mir am Nachmittag ein SMS.

      »Dein Bauchgefühl ist richtig. Mehr darf ich dir nicht sagen

      Bereits der zweite Schlag ins Gesicht und das am selben Tag. Benny sagte mehr, als er hätte sagen dürfen. Ich habe ihm gegenüber meinen Verdacht geäußert, dass sie hinter Vaters Geld her sein könnte. Das hat er mir jetzt indirekt bestätigt und bestimmt hat er diese wegweisende Information aus der Polizeidatenbank. Rita ist also auch bei der Polizei registriert, darum alles andere als harmlos und Vater auf bestem Weg, ihr auf den Leim zu gehen. Das muss ich verhindern. Ich rufe ihn an und bitte ihn, weil ich am Abend bereits etwas vorhabe, mich morgen nach Feierabend zum Friedhof zu begleiten. Ich verspreche mir, dass er in Mutters Nähe leichter zur Vernunft zu bringen ist, nachdem er heute Morgen so gar nichts von Ritas schlechtem Ansehen wissen wollte. Freudig stimmt er meinem Vorschlag zu und ich werte es als gutes Zeichen. Trotzdem spüre ich, dass etwas anders ist, kann dieses Gefühl aber nicht einordnen.

      Am Dienstagabend fahre ich mit Vater zum Waldfriedhof. Am Grab meiner Mutter fällt es mir schwer, das Thema anzusprechen, denn ich will diesen Ort nicht entweihen, wenn ich den Namen einer Person in den Mund nehme, die ihr nicht gefallen hätte. Vater scheint damit kein Problem zu haben.

      »Mama hätte nicht gewollt, dass ich alleine bleibe. Und jetzt habe ich wieder eine liebe Frau.«

      »Ist sie das wirklich? Ich meine, ist sie deine neue Frau?«

      »Ja, Rita will es so und das freut mich sehr.«

      »Bist du sicher, dass sie dich und nicht dein Geld will?

      »Nein. Geld spielt keine Rolle.«

      Rita weiß, dass wir Fragen stellen. Bestimmt hat sie ihm den Satz mit der 'Rolle', den er bereits zum zweiten Mal verwendet, eingetrichtert. Ehrliche Absichten müssen nicht schon zu Beginn verteidigt werden. Aber Vater scheint in dieser Hinsicht sehr bestrebt zu sein.

      »Ist sie verheiratet?« frage ich harmlos, weil ich sonst nichts gegen sie in der Hand habe. Es könnte ja sein, dass Ritas Interesse an Vater echt ist. Er ist eine umgängliche Person und schließlich gibt es Menschen, die über eine soziale Ader für die ältere Generation verfügen.

      »Nein. Geschieden. Kinder hat sie keine.«

      »Arbeitet sie?«

      »Sie hat in ihrem Haus ein Schneideratelier eingerichtet und verdient damit ihr Geld.«

      »Läuft das gut?«

      »Ich glaube schon..«

      »Hast du sie auf ihre Schulden angesprochen?«

      »Ja. Diese sind von ihrem geschiedenen Mann. Sie hat damit nichts zu tun.«

      »Demnach hast du sie heute gesehen?«

      »Wir haben zusammen im Bären gegessen Es freut mich, dass sie mir Gesellschaft leistet.«

      »Bezahlst du, oder sie?«

      »Sie bezahlt ihre Essen selbst, ich muss nicht für sie bezahlen.«

      »Bitte bleibe standhaft. Diese Frau hat etwas auf dem Kerbholz. Das weiß ich von der Polizei. Sie hat schon andere Männer zu Fall gebracht, du wärst nicht der erste«, beende ich das Thema. Es ist nicht der richtige Ort, um mit ihm zu verhandeln. Allerdings sind die Details vage und ich bin überzeugt, dass sie, als Franks Patentochter, sich nicht erlauben wird, ihre Machenschaften an unserer Familie anzuwenden. Das würde auch Frank nicht zulassen. Vermutlich hat er keine Ahnung von ihrem Lebenswandel. Daher will ich ihn auch nicht über diese Frau ausfragen, um ihm seine Illusion über seine Patentochter nicht zu nehmen. Bevor ich Vater um sein Glück bringe, will ich diese Frau kennen lernen und schlage ihm auf der Rückfahrt vor, dass ich daran denke, mit ihm am nächsten Samstag ins Birkland zu fahren.

      Das Birkland ist eine kleine Gaststätte inmitten eines wunderschönen, idyllischen Naherholungsgebietes in der Nähe von Kaltbad. Hohe Birken umschließen einen kleinen Weiher, daher auch der Name. Vater gefällt es dort nicht nur wegen der Natur sehr gut, sondern auch wegen der Vorzugsbehandlung der Wirtin, die sie ihm aufgrund seines Alters zukommen lässt. Die Wirtin ist eine leidenschaftliche Gastgeberin, kocht hervorragend und umsorgt ihre Gäste, wie eine Henne ihre Küken. Vater freut sich über meinen Vorschlag und fragt, ob er Rita mitnehmen darf. Bingo. Wir sprechen uns ab, dass er mit Rita hinfahren wird und wir uns kurz vor zwölf dort treffen.

      7

      Am Samstagmorgen nehme ich Struppi an die Leine und verlasse mit ihm die Wohnung. Normalerweise kommt David mit, aber er kann mich nicht begleiten, weil er am Vormittag einen wichtigen Termin hat. Wettermäßig war der Juli bis jetzt durchzogen, aber heute brennt die Sonne vom wolkenlosen Himmel und bringt die Straßen zum Flimmern. Kaum liegt das Dorf hinter mir, wähle ich den Weg durch den schattigen Wald. Ich liebe die Natur und die Abwechslung, die die Jahreszeiten mit sich bringen. Aber heute erfreue ich mich wenig an den Schönheiten dieses Sommers. Meine Erwartungen sind, was diese Frau betrifft, zwiespältig. Hoffentlich wird sie schleunigst die Flucht ergreifen, wenn sie erfährt, dass ich sie durchschaue. Für Vater wird das Ende dieser kurzen Episode nicht schmerzfrei sein, aber das Netz der Familie wird ihn auffangen und ihm darüber hinweg helfen.

      Um zum Birkland zu gelangen, muss ich den Wald verlassen und auf Feldwege einbiegen. Ich schlendere an Getreidefeldern mit Mohn- und Kornblumen und