E.R. Greulich

Die Verbannten von Neukaledonien


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lächelte matt. "Hättest du lieber stocknüchterne Hafenpolizisten in einem Patrouillenkahn gehabt?"

      "Fünf Minuten später, und wir wären auf der 'Plymouth' gewesen.

      Vom Schreck sei es immer noch wie gelähmt, gestand Grousset. Kervizic nickte verständnisvoll. Jetzt könne man schon beinahe zur "Plymouth" hinüberspucken.

      Endlich am Riesenleib des Segelschiffes konnten sie das nasse Holz mit Händen fassen. Es war behaftet mit Algen und Muschelgetier und dennoch ein besonderes Holz. Diese Planken bedeuteten ein Stück England.

      Kervizic ließ seine Blicke schweifen. "Wo lässt sich am besten aufentern?“

      Was für ein Spaß, wenn wir wieder zurückschwimmen müssten, dachte Grousset. Ihm war alles andere als spaßig zumute.

      Kervizic tauchte neben ihm auf und berichtete, die Flut drücke das Schiff dem Hafen zu, deshalb verlaufe die Heckankerkette in günstiger Schräge. Sie schwammen zum Heck, und Kervizic hangelte nach oben, sein nasses Kleiderbündel auf dem Rücken.

      Leise überstieg er die Schanzung und ließ sich auf den Planken niedergleiten. Er atmete heftig. Wehmütig dachte er: es gab Zeiten, da hattest du mehr Reserven. Sein Pulsschlag beruhigte sich, er suchte sich zu orientieren und überlegte, dass es am günstigsten wäre, ungesehen zum Kapitän zu gelangen. Der Gedanke war jedoch kaum zu Ende gedacht, als plötzlich ein Mann der Nachtwache vor ihm stand und ihn anfauchte: "Ehe die 'Plymouth' in See geht, bist du als blinder Passagier längst verreckt."

      Kervizic setzte auf Matrosengehorsam, im Ton des befehlsgewohnten 0ffiziers herrschte er den andern an: "Wer spricht von blinden Passagieren? Wir sind Schiffbrüchige, die ein Recht auf Hilfe haben. Lassen Sie die Strickleiter hinunter, ehe mein Kamerad ertrinkt.“

      Eingeschüchtert tat der Mann wie befohlen. Dann wurde ihm das Seltsame der Situation bewusst, brüsk drehte er sich zu Kervizic um. "Schiffbrüchige? - Im Hafen?"

      Der Gefragte erwiderte sehr leise und sehr streng: "Nur der Kapitän ist befugt, Erklärungen entgegenzunehmen. Wissen Sie das nicht?"

      Gerade die leise Zurechtweisung reizte den andern, laut zu werden. "Halte hier ich die Heckwache oder der Kapitän?"

      Einen Augenblick unterbrach Kervizic das schwierige Geschäft, seine feuchte Kleidung anzuziehen, er trat auf den Mann zu und sagte fast flüsternd: "Wären Sie der Kapitän, würden Sie mich ja wohl nicht so anbrüllen. Bemühn Sie sich um Manieren, Mann."

      Der Janmaat reagierte plötzlich wurstig. "Was muss ich mich mit irgendwelchen Halunken rumärgern, soll doch der Bootsmann ...“

      Noch ehe er sich ganz umgewandt hatte, um die Verantwortung an seinen nächsten Vorgesetzten weiterzugeben, zitierte Kervizic akzentuiert: "Paragraph sechs des Internationalen Seerechts: Über jeden aufzunehmenden Schiffbrüchigen entscheidet allein der Kapitän des Schiffes." Der Sailor zögerte, obwohl er nicht wusste, dass der Paragraph erfunden war. Kervizic stieß nach. "Sie werden das, Gesetz nicht brechen und uns zum Kapitän bringen.“

      Grousset war eben über die Schanzung gestiegen und dabei, seine nassen Sachen auszuwringen. Kervizic half ihm beim Anziehen, während der Mann der Heckwache zusah und maulte, so was von Unverfrorenheit habe ihm bisher noch keins der Sieben Meere vor die Füße gespült. Es lag uneingestandene Anerkennung darin. "Wenn die Herren Schiffbrüchigen mir bitte folgen wollen."

      Die Schritte des Janmaats verloren bald an Forsche, mit eingezogenem Kopf stieg er den Niedergang zur Kapitänskajüte hinab. Er klopfte an die Tür und rief, als sei er selbst in Seenot: "Käpt'n! - Hier sind zwei Schiffbrüchige!"

      Zunächst herrschte Stille, dann ertönte lautes Fluchen, das so lange anhielt, bis der Kapitän Licht gemacht und in seine Kleider gefahren war. Endlich wurde die Tür aufgerissen, und der Bordgewaltige polterte: "Herein mit den Hundsföttern!"

      Der Mann der Nachtwache zog rasch und leise die Tür von außen zu.

      Kapitän Anthony Darnbridge stand mitten im Raum. Die Fäuste in die Seiten gestemmt, musterte er die beiden mit zornsprühenden Augen, sein gepflegter Backenbart schien vor Grimm zu zittern. "Verunreinigt dieser Gossenkehricht meinen Kahn und erklärt sich mitten im Hafen zu Schiffbrüchigen!"

      "Der Marin muss sich verhört haben, Kapitän", sagte Kervizic.

      "Wir sind Seeleute ohne Schiff. Es hieß, die 'Plymouth' laufe morgen früh aus, und da sind wir vorsichtshalber noch nachts aufgeentert.“

      Die Stimmung des rüstigen Sechzigers mit dem eisgrauen Haar schien umzuschlagen. Er lachte. So etwas von Arbeitswut habe er noch nicht erlebt.

      Aufmerksam betrachtete er die feuchte Kleidung der beiden. "Ihr seid Sträflinge von Ducos."

      Kervizic überlegte, hier half nur die Flucht nach vorn. "Und wenn es so wäre, Sir? In diesen Breiten habe ich noch kein Schiff getroffen, das nicht Mangel an tüchtigen Seeleuten gehabt hätte. Man sagt, der 'Plymouth' fehlen drei Mann."

      "So - sagt man?"

      Rasch fügte Kervizic hinzu: "Wir hätten gern noch den dritten mitgebracht, Sir, leider konnte der Bursche nicht schwimmen."

      Diese Schlagfertigkeit gefiel Darnbridge, und während er den selbstsicheren Fahrensmann nicht ohne Wohlgefallen betrachtete, roch er geradezu, dass dieser Bursche auf der See zu Hause war, ein Janmaat nach seinem Geschmack. Insgeheim bedauerte er, dass er sich keine romantischen Anwandlungen erlauben konnte, und erklärte bärbeißig: "Spätestens morgen früh ist Großalarm. Die Spürhunde des Mister Governor werden auch mein Schiff bis auf den letzten Winkel durchsuchen. Tut mir leid - ich muss euch von Bord jagen."

      "Sir", Kervizic schaute dem Grauhaarigen unverwandt ins Gesicht. “Damit besiegeln Sie zwei Todesurteile."

      Darnbridges Augen wichen dem Blick Kervizics nicht aus. "Die habt ihr selbst besiegelt - als ihr ins Wasser gestiegen seid. Bin ich Jesus von Nazareth, dass ich für eine philanthropische Regung das Schiff, die Ladung und mein Kapitänspatent aufs Spiel setze? Würden Sie das an meiner Stelle tun?"

      Mit der Frage versucht er uns in die Ecke der Verlierer zu drängen, dachte Grousset, man muss diesem Taktiker etwas entgegensetzen. Schade, dass ich nicht besser Englisch spreche. Er machte ein ehrfürchtiges Gesicht. "Jede Planke der 'Plymouth' bedeutet britisches Hoheitsgebiet, Sir, auch in außerenglischen Gewässern. Niemand darf dieses Schiff durchsuchen, wenn der Kapitän es nicht wünscht."

      Kervizic machte ein gequältes Gesicht; Darnbridge lachte belustigt. "Thanks, Mister, für Ihre Hochachtung vor britischem Selbstbewusstsein. Aber dann könnte ich gleich Segel setzen. Glauben Sie, dass ich auch nur noch eine Tonne Ladung bekomme, wenn ich der Hafenpolizei den Zutritt verweigere?"

      In der Befürchtung, der Freund würde einen weiteren Fehler machen, stimmte Kervizic dem Kapitän rasch zu. "Im Gegenteil, je verdächtiger einer ist, desto zuvorkommender muss er die Kontrolleure behandeln. Auf einem anderen Blatt steht - verzeihen Sie, Sir, wenn ich daran erinnere -, dass es auf jedem Schiff Verstecke gibt, die auch der beste Schnüffler nicht findet."

      Darnbridge stemmte beide Hände in die Hüften, anscheinend eine Körperhaltung, die er gern einnahm. Er brauchte Argumente gegen die beiden - für sein schlechtes Gewissen. "Glauben Sie, eine ganze Mannschaft denkt wie der Kapitän? Da ist zum Beispiel mein Erster Offizier, Guillol, Franzose und wütender Royalist. Euer Glück, dass er Landgang hat, ihr wärt das gefundene Fressen für ihn."

      "Ungefähr die schwierigste Sorte Mensch, die ich kenne", erklärte Kervizic sachlich. "Ließe sich der nicht mattsetzen. Sir, indem Sie uns offiziell von Bord weisen? - Heimlich entern wir wieder auf und gehen ins Versteck. Auf See kommen wir dann heraus, und Sie können uns vor versammelter Mannschaft herunterputzen."

      Ein wenig traurig sah Darnbridge den hartnäckigen Janmaat an. "Wir stechen morgen früh nicht in See. In diesem schlampigen Nouméa dauert alles dreimal so lange wie in zivilisierten Weltgegenden. Inzwischen würdet ihr in eurem Versteck umkommen.

      Grousset vermochte nicht mehr an sich zu halten. Eindringlich sagte er in seinem deutlichsten Englisch: "Natürlich, wir