E.R. Greulich

Die Verbannten von Neukaledonien


Скачать книгу

Alte fand Groussets Argumentation ungeschickt, und Kervizic tat ihm leid. "Da schau an, Kapitän Darnbridge als Komplice von Verschwörern."

      "Pardon, Sir, wir suchen Menschlichkeit, keine Komplizenschaft." Kervizic sagte es tiefernst, im Innern froh, dass er durch den Hohn des Kapitäns den Spieß umdrehen konnte. „Niemand nahm an, dass Sie ein Gesinnungsfreund der gefangenen Kommunarden seien, Doch nie und nimmer würde ich glauben, Sie ließen sich zum Gehilfen eines Thiers machen."

      Das hatte getroffen, der Kapitän brüllte: "Schon der Gedanke daran ist eine Unverschämtheit! Haben Sie vergessen, wo Sie sich befinden? Auf britischen Schiffen ist der Kapitän Vertreter Ihrer Majestät der Königin, souverän gegenüber jeder andern Staatsmacht!"

      Treuherzigen Gesichts beteuerte Kervizic: „Niemals hatte ich die Absicht, Ihnen zu nahe zu treten, Sir. Ich wollte an Ihre Hochherzigkeit appellieren, weil ich genau an das dachte, was Sie uns eben deutlich in Erinnerung gerufen haben."

      Nachdenklich strich sich der Kapitän den Bart. Nach einem kurzen, für die beiden viel zu langen Schweigen, sagte er sehr bestimmt: "Ich lasse euch vom Schiff bringen - ganz offiziell."

      Kervizic versuchte abermals, etwas einzuwenden, Darnbridge schnitt ihm das Wort ab: "Ihr glaubt doch nicht, dass euer Besuch auf der 'Plymouth' geheimgeblieben ist? - Wenn es euch gelingt, an Land ein Versteck zu finden, bis wir auslaufen, dann lässt sich über eine Anmusterung reden." Er öffnete die Tür und rief nach dem Bootsmann Brissac.

      Brissac klingt gut, könnte ein Franzose sein, dachten die Freunde. Als der Bootsmann auftauchte, erschraken sie über dessen piratenhaftes Aussehen. Seine plattgedrückte Nase erinnerte an die eines Boxers. Über Brissacs linke Stirnseite zog sich eine Narbe wie von einem Säbelhieb, die er mit einer Welle seines krausen Haargewuschels zu verdecken suchte.

      Einer von der Mannschaft mit dem Namen Kenton wurde zum Rudern geholt, und der Kapitän gab die Anweisung: "Schaluppe zu Wasser lassen." Kervizic und Grousset gingen zum Vorschiff, Darnbridge und Brissac folgten ihnen, der Kapitän flüsterte mit dem Bootsmann.

      Umgeben von vier Leuten, die das Boot abgehievt hatten, und den beiden Männern der Nachtwache, warteten die Freunde verbissen schweigend. Der Kapitän trat hinzu, sagte laut und vernehmlich: "Bootsmann, Sie bringen die Beachcomber an Land und übergeben sie der Hafenpolizei. Die beiden haben sich strafbar gemacht, indem sie unerlaubt das britische Segelschiff 'Plymouth' betraten. Ist das klar, Bootsmann?"

      "Yes, Sir."

      "Haben Sie eine Pistole, Bootsmann?"

      "No, Sir.!“

      "Hier, nehmen Sie meine. Beim geringsten Fluchtversuch schießen Sie. Wir haben uns verstanden, Bootsmann?"

      "Yes, Sir." Brissac steckte das Schießeisen gelassen hinter den Bauchgurt. Nacheinander kletterten die drei hinab zu Kenton, der stieß das Boot von der Bordwand ab und begann zu rudern, Brissac saß am Steuer.

      Bis zum Kai werden wir nicht viel mehr als zehn Minuten haben, überlegte Kervizic, im Augenblick lässt sich kaum etwas Besseres tun, als die Stimmung zu erkunden. Er wandte sich an Brissac und Kenton: "Natürlich müsst ihr den Befehl des Käpt’n, ausführen. Aber er hat euch nicht verboten mit, uns zu sprechen."

      Schweigen antwortete, Kenton legte sich ins Zeug, als könnte er die zwielichtigen Passagiere nicht schnell genug loswerden.

      "He, Bootsmann, sind Sie stumm?" Kervizic fragte es provozierend liebenswürdig. "Sicherlich kennen auch Sie das ungeschriebene Gesetz, dass sich Seeleute in der Not beistehen."

      Kenton ließ ein ungutes Lachen hören. "Der steht keinem bei außer dem Alten. Yes, Sir, vorn, und Yes, Sir, hinten. Der weiß schon, weshalb, braucht ihn euch bloß anzusehen. Arschklar, dass der was auf dem Kerbholz hat. Mir stinkt der Scheißfranzose!"

      Kervizic hatte anfangs aufgehorcht, in Kenton einen möglichen Verbündeten gesehen, doch dass dessen Hass in Chauvinismus umkippte, war ein übles Zeichen. Voll eisiger Zurückweisung fragte er: "Was sind denn das für Töne von einem Seemann? Scheißfranzose!- Wir sind auch Scheißfranzosen!"

      Von diesen Galgenvögeln hatte Kenton Zustimmung erwartet. Krötig schlug er zurück. "Nimm dein Maul in Acht, du Ganove."

      Die Enttäuschung nach der zermürbenden Schwimmtour hatte in Grousset so viel Groll angehäuft, dass er sich nicht mehr zu beherrschen vermochte. "In 'ner andern Situation bekämen Sie für den Ganoven das Fell versohlt!"

      Kenton nutzte die Gelegenheit zu billigem Triumph. "Das Fell gegerbt kriegt ihr! Die Polizei in Nouméa weiß, was man mit Ungeziefer macht!"

      Kervizic bedauerte aufrichtig, dass er falsch saß, und drückte es unmissverständlich aus: "Kehrte mir dieser Hanswurst nicht den Rücken zu, ich würde ihm den Hals stopfen.“

      Kenton legte die Ruder ein, sprang auf und drehte sich zu Kervizic um. "Was möchtest du, Bastard?"

      Kervizic war ebenfalls aufgesprungen, das Boot schwankte heftig, und Brissac brüllte: "Ruhe jetzt, sofort hinsetzen!" Warnend klopfte er auf die Pistole. Unwillig nahmen die beiden wieder ihre Plätze ein. Streng sagte der Bootsmann zu Kenton: "Du hast Befehl, uns an Land zu rudern. Niemand hat dir den Auftrag gegeben, Reden zu halten."

      Kenton wollte etwas erwidern, doch Brissac überschüttete ihn mit einer Kanonade von Vorwürfen in französisch, die übergingen in ein Selbstgespräch, anscheinend an die Fische im Hafenwasser gerichtet. "Lasst euch nicht reizen von dem Armen im Geiste er versteht nicht Französisch ist aber gefährlich wie alle Idioten. Natürlich geht's nicht zur Polizei ihr müsst versuchen nach Yate zu kommen wo es leichter ist anzuheuern meine Narben hab ich mir auf Pariser Barrikaden geholt, würde euch gern helfen weiß leider nicht wie.“ Ans Ende der scheinbaren Tirade ohne Punkt und Komma setzte Brissac einen saftigen Fluch, und es war danach still im Boot.

      Kenton hatte misstrauisch zugehört, und es war Groll in ihm, dass er die Sprache dieser eingebildeten Brüder von der sogenannten Grande Nation nicht beherrschte.

      Groussets Gemütszustand besserte sich bei den Eröffnungen Brissacs beträchtlich, jedenfalls war Yate eine Chance, und eine kleine Chance ist immer besser als ein großer Strick.

      Kervizic war skeptisch, wünschte mehr über den Bootsmann zu erfahren und tat, als spräche er zu Grousset: "Man wüsste gern, in welcher Einheit, unter welchem Kommandeur gekämpft und in welchen Abschnitten eingesetzt gewesen."

      Die Antwort kam ohne Zögern.

      Das eine oder andere Wort in der fremden Sprache hatten Kentons Misstrauen vertieft, er spürte, dass da ein Spiel mit gezinkten Karten gespielt wurde. "Auf der 'Plymouth' wird Englisch gesprochen!" bellte er. "Wer noch ein Wort Französisch quatscht, wird es bereuen."

      Der Bootsmann spie demonstrativ ins Wasser. "Bist du beauftragt vom Käpt'n oder ich? Also schnauze ich die Gefangenen in der Sprache an, die sie am besten verstehen. Und du wirst mir da nicht dreinreden." An die Freunde gewandt, sagte er in dienstlich scharfem Ton: "Wir sollten ihn nicht unnötig reizen, nachher haben wir Zeit zum Sprechen."

      Kenton ruderte wieder hastig, verbissen murmelte er vor sich hin: "Coyoten, verdammte Coyoten, ihr werdet euch noch wundern."

      Die größeren Schiffe ankerten wegen ihres Tiefgangs auf der Reede, im Hafen selbst lagen Küstensegler, Frachtschaluppen und Fischtrawler. Kenton bremste die Fahrt des Bootes mit den Ruderblättern, geschickt steuerte Brissac vorbei an Markierungsbojen, Dückdalben und Ankertauen und lenkte zur kleinen Plattform am unteren Ende einer schmalen Treppe. Die Freunde sprangen auf die Steinquader, Brissac folgte ihnen, da sagte Kenton hinter ihnen: "Moment, Gentlemen!"

      Brissac wandte sich gereizt um. "Was ist?"

      Kenton begann schon das Boot zu vertäuen. "Ich komme selbstverständlich mit, werde dich doch mit den gefährlichen Subjekten nicht allein lassen, Bootsmann."

      Brissac zog die Pistole aus dem Gurt, klopfte auf das Holz des Kolbens und fragte in irritierend leisem Tonfall: "Was meinst du, weshalb mir der Käpt'n das Ding übergeben hat?" Plötzlich brüllte er, dass Kenton zusammenfuhr: "Und das Kommando