Stephan Lake

Palmer :Black Notice


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Schädel bereits gebrochen? Es fühlte sich an, als ob sein Gehirn herausgequetscht würde. Sein Kiefer war bestimmt schon kaputt. Und in seinen Augen flimmerte es, flimmerte es wild. Aber wenigstens atmete er, schnell und flach nur, aber er atmete.

      Und er konnte auch wieder antworten, gurgeln. „Mein Kopf ... Der Schädel ... bricht ... Bitte.“

      „So schnell bricht der Schädel nicht. Aber trotzdem, weil du Bitte sagst.“

      Pelosi spürte, wie der Druck nachließ.

      Er atmete tief und merkte, wie Palmer ihn abtastete. Seine Waffe aus dem Holster zog und wegwarf, sein Telefon aus der Jackentasche nahm und wegwarf; er hörte beides weit hinter sich auf den Boden aufschlagen. Dann in der Innentasche seine Badge fand.

      Und dann das Schienbein aus seinem Gesicht nahm, sich dafür auf seine Brust kniete. Aber trotzdem, das war besser, viel besser.

      Pelosi öffnete die Augen.

      Palmer hielt seine Badge.

      „Border Patrol, huh? Also, ich habe dir zwei Fragen gestellt, Special Agent ... Sergio Pelosi. Ist das italienisch? Sergio Pelosi?“

      Pelosi schob den Unterkiefer hin und her und überprüfte mit der Zunge seine Zähne und schloss und öffnete den Mund und sagte, „Sizilianisch.“ Das Wort kam ganz flüssig heraus. Die Zähne schienen in Ordnung. Vielleicht war sogar der Kiefer nicht gebrochen.

      „Also, mit wem hast du telefoniert, Special Agent Pelosi?“

      „Mit meinem Vorgesetzten.“

      „Ist der auch Sizilianer?“

      „Was? Nein. Der kommt ... ich weiß nicht. Aus Los Angeles, glaube ich. Er ist schwarz, aber seine Eltern sind aus Kanada, glaube ich.“

      „So genau wollte ich das gar nicht wissen. Wie hast du mich hier gefunden?“

      „Ich habe Sie nicht gefunden. Mir wurde gesagt, ich sollte zu dieser Bar fahren. Mir wurde ein Mann beschrieben, der Palmer hieße. Ich sollte beobachten, was passiert. Dann meinen Vorgesetzten anrufen und berichten.“ Die Angst kehrte zurück. „Sie kamen ... Dann der andere Mann ... Die Beschreibung passte auf Sie. Dann ist passiert, was ... passiert ist ... Ich habe angerufen. Das ist alles. Ich habe nur meinen Job gemacht.“ Da er keine Antwort bekam, sagte er, „Was tun Sie jetzt mit mir? Ich ... ich habe nichts getan, bitte, nur meinen Job. Brechen Sie mir nicht die Arme. Bitte.“

      „Hast du eine Frau, Pelosi? Und Kinder?“

      „Ja. Zwei. Also, Kinder. Zwei Mädchen. Zwillinge. Eine Frau. Claire, sie heißt Claire.“

      „Schlägst du sie?“

      „Was? Schlagen?“

      „Ja. Schlägst du sie? Deine Frau? Deine Kinder?“

      „Nein, natürlich nicht. Schlagen ... warum sollte ich sie schlagen? Das tue ich nicht. Sie sind meine Kinder, und Claire ist meine Frau, die schlage ich doch nicht.“

      Palmer sagte, „Warum also sollte ich dir die Arme brechen?“

      Pelosi dachte über die Frage nach.

      Palmer stand auf.

      „Wenn du schlau bist, Pelosi, dann fängst du jetzt an zu zählen. Und stehst erst auf, wenn du bei Tausend angekommen bist. Kannst du bis Tausend zählen?“

      Pelosi atmete tief ein und aus und sagte, „Ich bin schlau. Ich kann bis Tausend zählen.“

      „Ich bin mir da nicht so sicher. Wir werden sehen, huh?“

      Pelosi sah Palmer weggehen.

      Er blieb auf dem Boden liegen und betastete mit beiden Händen sein Gesicht, seinen Schädel, seinen Kiefer.

      Er dachte über Palmers Frage nach.

      Und fing dann an zu zählen.

      6

      Palmer überquerte den Parkplatz und die Rhinelander Avenue. Kein Auto, kein Bus mit Fahrgästen auf dem Weg irgendwohin, kein Truck mit Ladungen von frischem Gemüse oder Milch oder den neuesten Zeitungen. Kein Mensch, niemand.

      Ein rostiges Eisentor führte in einen dunklen Park. Mit dem Fuß stieß Palmer es auf, es kratzte leise in den Angeln, er ging hindurch auf dem Weg aus Schotter und Sand. Hinter ihm kratzte das Tor erneut und fiel dumpf gegen den Rahmen.

      Der Park mit dem erfrorenen Rasen und den dünnen Sträuchern und kahlen Laubbäumen war menschenleer und still wie die Rhinelander Avenue um drei Uhr in der Früh. Genau, wie er es erwartet hatte in der Stadt, die angeblich niemals schläft. Kein Spaziergänger, der noch den Hund ausführte, kein Jogger, kein Obdachloser unter einem Stapel Pappkarton, keine trinkenden, kiffenden, sich prügelnden Jugendlichen.

      Vor allem: keine Cops.

      Der Untergrund knirschte leise bei jedem Schritt.

      Palmer legte den Daumen an seinen Hals und fühlte seinen Puls. Zehn Sekunden, neun Schläge. Er nickte zufrieden.

      Dann legte er zwei Finger auf seine Brust, rechts, auf die Stelle zwischen der dritten und vierten Rippe nahe dem Solar Plexus. Er drückte.

      Nur noch ein leichter Schmerz. Vielleicht noch eine Woche, dann würde er gar nichts mehr spüren.

      Palmer kam zu einem zweiten Tor, verrostet wie das erste, er stieß es auf, Kratzen, ging hindurch, Kratzen und es fiel dumpf gegen den Rahmen.

      Zwei Blocks und keine fünfzehn Minuten später, die U-Bahn-Station Morris Park.

      Er war der einzige, der auf einen Zug wartete. Er stieg in den Wagen, der direkt vor ihm hielt. Der Wagen war leer.

      An der 180sten Straße wechselte Palmer in die Linie zwei. Der Wagen war ebenfalls leer, aber vier Männer und eine Frau stiegen mit ihm ein und verteilten sich auf die Sitze und beachteten niemanden.

      Auch Palmer vermied Blickkontakt und tat, was New Yorker in der Nacht taten, wenn sie mit dem Zug unterwegs waren. Er döste vor sich hin.

      Palmer hatte sich mehrere Strategien zurechtgelegt, wie er den Cop aus der Bar herauslocken würde, aber er hatte Glück gehabt. Gerade als er hineingehen wollte, wurde die Tür aufgestoßen und der Cop kam heraus, eine Zigarette im Mundwinkel, „Fuck you!“ in das Telefon am seinem Ohr brüllend. Der Cop hatte nach Bier und Bar gestunken und es nicht für nötig gehalten, Palmer Platz zu machen, so, wie der ihm Platz machte. Sein Arm landete in Palmers Schulter.

      Ein richtiges Arschloch eben.

      Er hatte den Cop angesprochen, ruhig, höflich, „Good evening.“

      Der Cop hatte nur geguckt.

      „Ich möchte mit dir über deine Familie sprechen. Lass es mich kurz machen. Du kannst nicht Frau und Kinder prügeln. Das tut man nicht.“

      Der Cop hatte sein Telefon eingesteckt. „What the fuck?“

      Palmer hatte gelächelt, freundlich, nett, nicht provozierend. Er wollte eine Einigung, sonst nichts. Ganz bestimmt wollte er keinen Ärger. „Du musst deine Frau und deine Kinder in Ruhe lassen. Zwei Kinder, nicht? Ein Sohn, eine Tochter? Gebrochene Rippen, Prellungen, ausgeschlagene Zähne. Habe ich gehört. In den vergangenen Monaten waren sie öfter im Krankenhaus als zuhause. Habe ich auch gehört. Und jetzt hast du deinen Sohn so sehr geprügelt, dass er ein Auge verloren hat? Wie alt ist dein Sohn, sieben? Also, das reicht, du musst sie in Ruhe lassen, wirklich. Ab sofort in Ruhe lassen. Ich bin sicher, du verstehst das.“

      Aber der Cop, zehn Zentimeter größer und zwanzig Kilogramm schwerer und berauscht von Alkohol und Aggressivität und Cop-Selbstvertrauen, hatte gelacht. Die Zigarette weggespuckt, mit der linken Hand seine Dienstmarke aus der Jacke gezogen und hochgehalten, mit der rechten an den Gürtel gegriffen, ins Leere. Dann hatte er Palmer am Arm gepackt. „You son of a bitch“. Ohne zu wissen, wie Recht er damit hatte.

      Palmer