Stephan Lake

Palmer :Black Notice


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Straße zurück und die Kurve entlang, Musik und Stimmen wurden lauter, dann hatte Palmer das Roadhouse wieder im Blick. Er blieb stehen.

      Auf der Veranda, das sah er jetzt genau, standen fünf Personen. Zwei Frauen, ganz links, und drei Kerle, mehrere Meter von ihnen entfernt, rechts.

      Die Kerle waren groß und schwer und kahlköpfig. Sie trugen Lederkleidung mit Kutten.

      Rocker.

      Einer von ihnen war Miguel Hernandez.

      Auch Hernandez hatte jetzt über die Lederjacke eine Kutte gezogen. Das Abzeichen konnte Palmer nicht erkennen.

      Er ging im Dunkel der gegenüberliegenden Straßenseite weiter, bis er das Roadhouse erreichte, dann die knarrende Holztreppe hoch, durch die erste Tür, über den dunklen Holzboden durch den kleinen Vorraum zur zweiten Tür, die in den großen Saal führte.

      In der Mitte der zweiten Tür war ein Glasfenster eingelassen, alt und milchig an den Rändern. Palmer blieb stehen und schaute hindurch.

      Links der Tresen, zehn Meter lang, aus dunklem Pinienholz, hart wie Fels, an dem jetzt ein Dutzend Gäste saß, Gläser und Flaschen vor sich, manche auch Teller mit Essen. Hinter dem Tresen, an der Wand, ein Werbezettel, identisch mit dem des Mexikaners. Jazz, ab acht Uhr. Im Raum fünfzehn Tische mit weiteren Gästen, an die vierzig, schätzte er. Auch sie hatten Gläser und Flaschen und Teller mit Essen vor sich. Drei Tische waren leer.

      Am anderen Ende des Raumes auf der kleinen Bühne spielte die Band. Gitarre, Saxophon, Schlagzeug, Keyboard. Er war kein Jazzfan und verstand nichts von Jazz, und für ihn hörte es sich nicht wie Jazz an, was die vier spielten. Aber was immer sie spielten, dem Publikum schien es zu gefallen, denn die vier bekamen nach ihrem Stück grölenden Beifall.

      Palmer musterte die Fenster auf der gegenüberliegenden Seite und die Tür nach draußen, zur Veranda.

      Wer wollte sich hier mit ihm treffen? Und wo war er?

      Erneut ließ er seinen Blick durch den Saal schweifen. Leute aus Benson Trail und Umgebung. Local crowd. Niemand stach hervor. Ein paar Künstler, die er vom Sehen kannte. Hinten der lange Brian, der irgendwann einmal mit nur fünfzig Dollar in der Tasche hier hängen geblieben war, ihm gehörte jetzt die Java Junction, was er gerne jedem erzählte, der ihm zuhörte. Rentner, die sich hier zur Ruhe gesetzt hatten und in Ruhe gelassen werden wollten. Jason, mit Bierbauch und struppigem Vollbart und seine zierliche Freundin Danny, die Besitzer des Roadhouse, die wie immer die Theke souverän im Griff hatten und keinen Gast auf seinen Drink warten ließen.

      Niemand, der nicht hierher gehörte. Niemand, der sich für ihn interessierte.

      Bis auf den Mexikaner draußen.

      Er schob die Tür auf, ging hinein. Jason sah ihn und winkte, ebenso Brian. Palmer nickte ihnen zu. Andere sahen ebenfalls kurz zu ihm herüber, aber beachteten ihn nicht weiter.

      Er ging hinaus auf die Veranda.

      Rechts, an das Geländer gelehnt, die beiden Frauen. Sie rauchten und unterhielten sich, sahen Palmer und lächelten ihn an. Palmer lächelte zurück. Er kannte die Frauen nicht.

      Die drei Rocker standen auf der gegenüberliegenden Seite, vier Meter von ihm entfernt. Schwarzes Leder, die Jacken offen, eng anliegende schwarze Shirts. Der rechte Rocker hatte eine Hand auf das Geländer gelegt, die andere hielt ein Coors. Der linke lehnte mit der Schulter gegen die Holzwand des Saales, auch er mit einem Coors, zwischen den Lippen eine Zigarette. Der Mexikaner stand mit dem Rücken zu ihm zwischen den beiden. Palmer konnte jetzt das Abzeichen deutlich erkennen. Los Coyotes stand oben auf der Kutte, New Mexico unten. Dazwischen grinste dumm ein dicker Coyote mit übergroßen Zähnen und Sombrero.

      Aus der Nähe sah Palmer, dass beide größer und massiger waren als Hernandez. Mindestens einen Meter neunzig, mindestens einhundertzwanzig Kilos. Sie waren auch jünger, um die dreißig, und sahen wie Brüder aus. Die gleichen eng zusammenstehenden Augen, die gleichen höckerigen Nasen, die gleichen wulstigen Hälse. Typen, die sich Freitag Abend beim Football die stärksten Gegenspieler aussuchten und niederwalzten und anschließend in ihrer Stammkneipe eine doppelte Portion Burger und Fritten verschlangen und mit einem Liter Bier hinunterspülten. Typen, die glaubten, sie wären unbesiegbar und es zuhause in ihrer kleinen Welt vermutlich auch waren.

      „Hey, Hernandez aus Las Vegas.“

      Der Mexikaner drehte sich um. Alle drei musterten Palmer. Relaxt, selbstsicher. Sie machten einen imposanten Eindruck, und ihre Haltung zeigte, dass sie das wussten.

      „Ah, der Josh“, sagte Hernandez. Und lächelte sein immer noch nicht unsympathisches Lächeln.

      Hernandez hielt ebenfalls ein Coors in der Hand, die andere Hand hatte er in die Hüfte gestemmt, wie am Morgen auf dem Plaza. Palmer wollte die Rocker nicht in Alarmbereitschaft versetzen und ging drei langsame Schritte auf sie zu und blieb stehen, zwei Meter vor ihnen. Auch die beiden anderen grinsten. Sie schienen das Schauspiel zu genießen, ohne einen Gedanken an den Ausgang zu verschwenden.

      Palmer merkte, wie hinter ihm die beiden Frauen zurück in den Saal gingen. Es wunderte ihn nicht. Frauen in Bars haben ein gutes Gespür für die Stimmung.

      Er sagte, „Du bist also ein Coyote, huh?“

      „Wir sind alle Coyotes, Josh.“ Dabei drehte sich Hernandez um und zeigte Palmer noch einmal seinen breiten Rücken mit dem grinsenden Tier. Die beiden anderen machten es Hernandez nach.

      „Ja, so einer läuft auch ab und zu über mein Land“, sagte Palmer, „nur ist der schlanker und grinst nicht so dämlich. Aber weshalb ich hier bin, du Coyote, ich habe dir ein paar Fragen gestellt, doch du bist einfach weggegangen. Weggehumpelt.“

      „Shut up.“ Hernandez lachte. „Du bist mir ja ein echt komischer Vogel, Palmer. Ich hab den Eindruck, du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast. Aber ich gebe zu, deine Reaktion heute Mittag war gar nicht mal schlecht, da hast du mich wirklich überrascht. Was aber nicht noch einmal passieren wird, also sieh dich vor.“ Hernandez trank und rülpste und sagte, „Wie auch immer, ich bin nicht die Auskunft. Aber schön, dass du es geschafft hast. Ich meine, heute Abend hierher zu kommen.“

      „Ja, manchmal kommen die Dinge so auf einen zu.“ Palmer sagte, „Ich muss wissen, von wem die Nachricht ist, Hernandez. Ich denke, du verstehst das. Lass uns dieses kleine Problem also schnell und einfach aus der Welt schaffen, bevor du noch weiter solche unanständigen Geräusche machst. Was meinst du?“

      Hernandez nahm noch einen Schluck, rülpste wieder, schüttelte den Kopf und sah ihn wortlos an. Ich bin nicht die Auskunft.

      Palmer sagte, „Nun, ich bin hier und du bist hier mit deinen beiden Sidekicks“ – er nickte rechts und links – „sonst niemand. Aber irgendjemand muss dir die Nachricht gegeben haben. Und irgendjemand muss dir gesagt haben, wo ich zu finden bin.“ Palmer machte eine Pause, aber Hernandez schwieg, also sagte er, „Oder wolltest du vielleicht mit mir ausgehen und hattest nur nicht den Mut, mich zu fragen? Falls ja, solltest du wissen, dass du nicht mein Typ bist. Ohne Hut schon gar nicht. Dein Glatzkopf macht dich noch hässlicher als du ohnehin schon bist. Außerdem hast du ja bereits zwei Liebhaber, und die passen ziemlich gut zu dir. Ihr seid ein wirklich stattliches Trio. Ihr könntet hier im Roadhouse auftreten. Ich hab auch schon einen Namen für euch: The Weather Boys.“

      Wieder grinsten alle drei.

      „Und euer besonderes Merkmal ist, dass ihr vor jedem eurer Gigs It's rainin' men im Kanon rülpst.“

      „Ich denke, wir bringen zu Ende, was wir heute Mittag angefangen haben“, sagte jetzt Hernandez, „und das wird nicht lange dauern.“

      Palmer machte einen weiteren Schritt auf sie zu. „Nun, das können wir gerne tun. Aber danach musst du mir meine Fragen beantworten, Hernandez, und anschließend gehen wir da hinein zu Jason und trinken ein Guinness. Du zahlst.“ Dabei drehte er sich und sah seinem ausgestreckten Arm nach, der in den Saal zeigte.

      Hernandez tat dasselbe.

       The drinks