Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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seinen Blick. Als wollte er, dass ich sein Gesicht sehe.“

      „Hat er deine Waffe?“

      „Nein, nein, das hätte ich gemerkt.“

      Noch während er sinnierte, taste er oberflächlich seine Jacke ab.

      „So viel zum Thema überschaubarer Flughafen. Hier ist so wenig Platz, dass man nicht einmal bequem aneinander vorbeikommt.“

      „Pardon, sind Sie Kommissar Frank Wagner aus Berlin?“

      „Ja.“

      „Willkommen in der Schweiz. Willkommen in Bern. Ich bin hier um Sie abzuholen.“

      „Kannten Sie den Mann?“

      „Welchen Mann?“

      Ohne jegliche Regung schaute der Chauffeur Frank in die Augen. Kein suchender Blick, kein Nachfragen. Frank war sich sicher, er kannte ihn. Zumindest hat er ihn schon mal gesehen. Auf alle Fälle hatte er die Rempelei mitbekommen.

      „Na den Mann, der hier gerade raus ist. Sie haben sich doch kurz angesehen.“

      „Wir sind hier auf einen Flughafen. Hier hasten viele Männer umher. Ich habe nichts gesehen.“

      Er ließ Frank links liegen und wandte sich an Sarah. „Madam.“

      „Oh ja, Entschuldigung, das ist Sarah Fender“, stellte Frank Sarah vor.

      „Auch Ihnen ein herzliches Willkommen in Bern. Können wir?“

      „Ja, gerne.“

      Der Chauffeur nahm Sarah die Tasche aus der Hand und ging, gefolgt von den Beiden dem Ausgang entgegen. Beiläufig zog er ein Handy aus seinem Jackett. Frank war immer noch in Gedanken bei dem Mann. Wiederholt tastete er vorsichtig über seine Jacke. Alles schien da. Irgendetwas in seiner Tasche knisterte. Frank ertastete ein Blatt, Zettel, Foto - was auch immer, ließ es aber in der Tasche. Er spürte, wie Sarah ihm was zuflüstern wollte.

      „Denk an meine Worte. Wer weiß wo der uns hinfährt und nein, dass fasst sich nicht gut an. Kuck dir die Karre an.“

      Auffälliger war kaum möglich. Frank musterte den Bereich vor den Eingangstüren. Parkverbot, Halteverbot, das ganze Programm, und mitten auf dem Fußgängerbereich ein schwarzer 600er Mercedes. Ein paar Meter weiter lehnte ein Polizist am Geländer, der sie zwar beobachtete, aber nicht mal ansatzweise Anstalten machte, irgendetwas zu monieren. Während der Chauffeur die Taschen verstaute und Sarah die Tür aufhielt, das Handy immer noch in der Hand, schweifte Franks Blick über den Vorplatz.

      „Da, da ist er“, flüsterte er vor sich hin.

      Sein Augenmerk galt dem Mann, von dem er eben im Flughafenfoyer angerempelt wurde. Er beobachtete sie aus sicherer Entfernung und machte kein Hehl daraus. Frank sah ihn und er sah, dass Frank ihn sah. Sein kurzes zustimmendes Nicken ließ Frank behutsam in seine Jackentasche greifen. Vorsichtig zog er ein altes arg in Mitleidenschaft gezogenes Foto hervor. Ein mit freiem Oberkörper, vor einem alten Blockhaus posierender Mann. Zigarette im Mund, eine Axt in der Hand, ein Bein auf einem alten Baumstupf gestützt, schien er der letzte Überlebende in einer unbekannten Wildnis zu sein. Langsam drehte er das Bild um.

      Attention. Ich werde kontakten sie. Was für ein Kauderwelsch. Eine Mischung aus Französisch und zusammengewürfelten Deutsch stand da in deutlich lesbarer Schrift. Altes Foto - neue Schrift. Frank blickte wieder hoch. Er war weg. Hastig suchend schweifte sein Blick umher. Er war weg.

      „Was hast du da?“

      Sarah schaute neugierig zu ihm von der Rückbank empor.

      „Nichts. Alles gut.“

      Frank schloss die Wagentür, ging ums Auto und stieg, nicht ohne seinen Blick noch mal schweifen zu lassen, auf der anderen Seite ein. Kurz hielt er inne und beobachtet den Chauffeur am anderen Ende des Wagens beim Telefonieren. „Il etait la…“ war alles was er an Wortfetzen verstand, aber nicht übersetzen konnte.

      Während sie sich langsam durch den Stadtverkehr quälten, musterte Frank ein aufs andere Mal das Foto, drehte und wendete es. Sarah beobachtete ihn dabei. Er hielt es weit unten hinter dem Sitz, so dass der Chauffeur es nicht mitbekommen konnte, Sarah aber einen guten Blick drauf hatte. Ohne ein Wort zu verlieren schauten sich die Beiden an. Jeder wusste was der andere dachte.

      „Was haben sie da?“, meldete sich neugierig der Chauffeur zu Wort.

      „Ach nichts“, klang es einvernehmlich von der Rückbank und die Beiden wandten ihren Blick gedankenvertieft aus ihrem jeweiligen Fenster.

      Kapitel 5

      „So, wir sind da.“

      Der Chauffeur lehnte sich nach hinten. Es schien, als suchte er auffällig unauffällig das, was Frank in der Hand hielt. Nichts da, was es zu sehen gab.

      „Noch einmal, herzlich willkommen in Bern. Sie sind Gäste der Banque pour l’art. Genießen Sie ihren Aufenthalt.“ Sarahs Danke hörte sich etwas gequält an und musste der Höflichkeit genügen. Noch während sie so verharrten öffnete sich die Tür. Da war er endlich, Sarahs alter und gediegener Mann mit Nickelbrille, Zylinder, weißen Handschuhen und sogar einer Uniform. Höflich hob er den Zylinder und hieß die Beiden Willkommen. Eine Hand streckte sich Sarah entgegen.

      „Bitte Madam, seien Sie vorsichtig, stoßen Sie sich nicht.“

      Sarah genoss es sichtlich, hofiert zu werden. Ein Chauffeur, ein Wagenmeister - der zwar so alt war wie ihre Eltern, aber sehr herzlich rüberkam, Frank - der sowieso immer höflich und zuvorkommend mit ihr umgeht - so lässt sie sich das gerne mal gefallen. Mal sehen, als was sich die junge vornehme Frau da am Hoteleingang herausstellt. Bestimmt die Concierge.

      „Herzlich Willkommen in Bern. Darf ich mich Ihnen vorstellen, mein Name ist Monique Devuille, ich vertrete die Banque pour l’art.“

      Soviel zum Thema Concierge. Devuille…, Devuille…, bei Sarah ratterte es. Da war doch was? Sie überlegte nicht lange. Alle die in der Bank etwas zu sagen haben, heißen Devuille. So war die Info von Lisa. Na immerhin wird nicht irgendein Angestellter zur Begrüßung geschickt, nein, die Führungsetage schickt eine Gesandte.

      „Angenehm, ich bin Kommissar Frank Wagner aus Berlin“, stellte Frank sich vor um dann gleichsam, unter der akribischen Beobachtung von Monique Devuille, Sarah behutsam an den Arm zu nehmen. „Und das hier ist Sarah Fender…“

      Frank zögerte kurz. Wie oder als was sollte er Sarah vorstellen? Sarah kam ihm zuvor.

      „Ich vertrete die Sonderkommission zur Aufklärung von Kriegs- und Nachkriegsverbrechen auf deutschem Territorium.“

      Scheiße. Sarah kam sich mit ihrer Vorstellung blöd vor. Hätte sie sich nicht einfach nur als Sarah Fender vorstellen können? Als ob dieser Schweizer Bankerin die Vertretung irgendeiner Sonderkommission imponiert.

      „Gut. Das klingt wichtig. Aufklärung, Sonderkommission, Kriegs- und Nachkriegsverbrechen - alles wichtig!“

      Heuchlerin. Sarah erwischte sich dabei, wie sie der jungen Dame nicht mal ansatzweise eine Chance gab, ihr Wohlwollen zu erlangen. Sie drehte sich zu Frank, und zack…, schon wusste sie warum. Wieso lächelt der sie so nett an? Das war doch das für sie reservierte Lächeln. Nur für sie. Wieso lächelt der jetzt eine andere Frau so an?

      „Gab es Probleme an Flughafen?“

      Sarah und Frank suchten kurz Blickkontakt, ehe sie ein gemeinsames Nein verkündeten.

      „Sicher?“

      „Ja, wieso?“

      „Auch Bern hat ein Milieu. Drogen, Gewalt, da kann immer mal was passieren, gerade an Flughäfen.“

      „Nichts dergleichen…“, beschwichtigte Frank, während sein Augenmerk dem Chauffeur galt.

      „…und wenn, ist ja