Tonda Knorr

Totenwache 2.Teil


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an Lisa denken. Ihre Lisa. Während sie die ganze Breite des Bettes nutzen konnte, hatte sie vermutlich die halbe Nacht damit verbracht, im weltweiten Netz rumzusurfen, um ihr ein paar Infos zu dieser suspekten Bank und dieser noch geheimnisvolleren Ruben Compagnie rauszusuchen. Viel war es nicht, aber immerhin ein Anfang.

      „Und? Ist da was bei, was man wissen müsste?“, wurde sie von Frank aus ihren Gedanken gerissen.

      „Na ja, nicht viel. Die scheinen nicht viel von sich preiszugeben. Ich bin auch noch nicht ganz durch.“

      „Lass hören.“

      „Familienunternehmen. Dritte oder vierte Generation im Familienbesitz des mittlerweile verstorbenen Barons Devuille. Gegründet Anfang des vorigen Jahrhunderts in der Romandie, in Lausanne. Gehört zum französischen Teil der Schweiz. Nach dem Krieg, so Anfang der fünfziger Jahre haben sie ihren Sitz nach Bern verlegt. Vom Kerzenständer bis zum überdimensionalen Gemälde, alles was mit Kunst zu tun hat wird von ihnen in auf ganz Europa verteilten ehemaligen Bunkeranlagen gelagert, verwaltet, gekauft, verkauft, verliehen, begutachtet und/oder ausgestellt. Das komplette Programm. Chef des Ganzen ist wohl jetzt der Sohn oder der Enkel des Barons, ein gewisser Maître Roman Devuille. Älterer Mann, der mit eisenharter Hand regiert. Alle die in dem Laden was zu sagen haben tragen übrigens den Namen Devuille.“

      „Das war’s?“

      „Geschätztes verwaltetes Vermögen…, was…, wie viel…?“

      Sarah unterbrach ihren Redeschwall. Mit aufgerissenen Augen starrte sie Frank an.

      „Wieviel? Sag schon?“

      „Vierzig bis Fünfzig…“

      „Vierzig bis Fünfzig Millionen? Mein lieber Mann. Na ja, Kunst hat ihren Preis.“

      Behutsam legte Sarah ihre Hand auf die von Frank.

      „Milliarden! Frank…, Milliarden. Vierzig bis fünfzig Milliarden verwalten die. Weltweit!“

      „Ups. Doch so viel.“

      Frank war sichtlich überrascht, wenn nicht gar geschockt.

      „Hätte ich vielleicht doch einen zweiten Anzug mitnehmen sollen.“

      „Alter…, wo sind wir da schon wieder reingeraten?“

      „Steht da noch mehr?“

      „Na ja, Lisa hat hier eine Notiz ran geheftet. Info ist mit Vorsicht zu genießen. Die Informationen sind aus einem Blog. Sind also keine autorisierten Informationen der Bank. Irgendjemand war der Meinung, das zu wissen und es ins Internet zu stellen. Muss also nicht zwingend stimmen. Vielleicht ein Insider, der sich wichtigtun will. Kann aber auch was dran sein.“

      „Na was denn nun?“

      „Lisa sagt immer, nicht alles was im Internet steht, stimmt auch. Kann ja jeder Idiot was reinschreiben. Aber an vielem ist meistens auch ein bisschen Wahrheit.“

      „Das war’s? Das ist alles?“

      „Nein! Kommt noch besser. Man unterstellt der Bank ein nicht humanes und nicht ethisches Gebaren im Umgang mit der Herkunft der Kunstgegenstände. Es wird verwaltet, verkauft, gekauft, ohne Anblick der Personen, geschweige denn, wie diese dazu gekommen sind. Die Herkunft der Kunstgegenstände muss laut ihrer eigenen Richtlinien maximal über zwei Instanzen nachgewiesen werden. Auch werden ihnen diverse Kontakte zu Geheimdiensten, obersten politischen Würdenträgern oder zwielichtigen Institutionen bis hin zur mafiastrukturellen Gruppierungen in aller Herren Länder unterstellt.“

      „Das klingt aber mächtig nach Insider. Wer weiß wo Lisa das herhat?“

      „Also eins weiß ich, Lisa fängt da an im Netz nachzubohren, wo andere sich vor Angst in die Hosen machen. Und eins kann ich dir sagen, die hat auch ihre Quellen in der einen oder anderen dubiosen Gruppierung. Ob illegale Hacker oder die Freaks vom Geheimdienst. Im Netz sind alle gleich. Ist eine eigene Subkultur. Ich weiß gar nicht, wer die in den Polizeidienst gelassen hat.“

      Sarahs Blick streifte wieder durchs Flugzeug. Jeder, der hier auch nur ansatzweise einen Anzug anhatte, war urplötzlich für sie automatisch verdächtig, einer dieser dubiosen Gruppierungen aus Lisas Unterlagen anzugehören.

      „Frag mich mal nochmal, wie sich das anfasst. Ich glaube, ich mach mir auch gleich in die Hose.“

      „Dann sollten wir davon ausgehen, dass der Flug hier das Bequemste ist, was wir die nächsten Tage erleben werden. Mutig sind nicht die, die in den Krieg ziehen. Mutig sind die, die zugeben, dass sie die Hose gestrichen voll haben. Was hast du da noch?“

      „Ach, das ist nur ein bisschen was über die Schweiz, damit wir nicht ganz so blöd dastehen.“

      „Die denkt an alles. Na los, erzähl. Wer weiß, wozu man so etwas gebrauchen kann. Kann ja nur besser werden. Außerdem höre ich dir gerne zu wenn du redest.“

      „Was soll ich sagen…, dass die Schweiz laut ihrer Bundesverfassung keine Hauptstadt hat, das hat mir Franzi gestern schon erzählt. Du hast übrigens nicht nur eine schlaue Tochter, sondern auch eine schlaue Mutter.“

      „Naja, hat man mich wohl übersprungen.“

      „Hast du das etwa auch gewusst?“

      „Was?“

      „Das die Schweiz keine richtige Hauptstadt hat.“

      „Hat sie nicht?“

      „Hat sie nicht!“

      „Aber wo fliegen wir dann hin?“

      „Na, nach Bern!“

      „Und Bern ist nicht die Hauptstadt?“

      „Nein!“

      „Sondern?“

      „Sag mal verarschst du mich?“

      „Nein. Was ist denn dann die Hauptstadt?“

      „Die Schweiz hat keine richtige Hauptstadt.“

      „Keine Hauptstadt?“

      „Keine Hauptstadt. Bern ist aber Sitz der Schweizer Bundesbehörden und damit de facto die Hauptstadt.“ „Also doch.“ „Nein…, nur de facto. Nicht de jure. Du weißt was das heißt? Ist lateinisch.“ „Naja, Schule war nicht so mein Ding. Lateinisch schon gar nicht, deshalb bin ich ja Polizist geworden.“

      „Du schwindelst. Deine Mutter hat mir gesagt, dass du ein guter Schüler warst.“

      „Verräterin.“

      „ Außerdem hast du ja wohl erst mal Möbeltischler gelernt und bist erst später zur Polizei gegangen.“

      „Sag ich ja, für einen ordentlichen Beruf hat es nicht lange gereicht. Außerdem sagen Mütter immer, dass man ein guter Schüler war.“

      „Du spinnst vielleicht was rum. Die Scheune ist doch der beste Beweis, dass du was Ordentliches gelernt hast. De facto heißt, also eigentlich nicht, im Prinzip aber doch. Bern ist de facto eine Hauptstadt, Berlin ist de jure eine Hauptstadt. Die Schweiz war eigentlich ein loser Staatenbund aus Eidgenossenschaften und besteht heute aus 26 teilsouveränen Kantonen. Die Bundesratsmitglieder haben alle dieselben Rechte und Pflichten. Der Regierungschef - der eigentlich keiner ist, weil der Bundesrat regiert - wechselt jährlich und entscheidet nur bei Stimmengleichheit. Die Neutralität der Schweiz ist seit 1815 völkerrechtlich anerkannt, worauf man auch sehr viel wert legt. Steuerlich macht jeder Kanton was er will. Übrigens, das musst du dir mal reinziehen, seit diesem Jahr, sind wir Deutschen die drittgrößte Gastarbeitergruppierung in der Schweiz. Ist doch Wahnsinn.“

      „Wenn man das so hört…, ich mag ja solche Länder. Vermutlich weil es nicht so viele davon gibt. Also irgendwie passt diese Bank in die Schweiz. Alles ein bisschen anders.

      Unscheinbar, vermutlich arg unterschätzt. Verwalten ein Milliardenvermögen. Warum nur hat man von so einer Bank noch nie was gehört? Ich glaube, wir werden da ganz schön alt aussehen. Dazu, dass wir da ziemlich