Heinz Plomperg

Alter Postplatz


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produziert wurde, das jeweils eigene Wappen mit dem Wappen des Bräutigams in der Gravur verknüpfend.

      Jeder Erzherzogin ein komplettes Gläserservice zu schenken, hätte sich mittlerweile als entschieden zu kostspielig erwiesen. Die Anzahl der in Frage kommenden Damen des Hauses hatte sich nämlich geradezu inflationär entwickelt, lebten doch mittlerweile all jene aus Italien vertriebenen Nebenlinien wie Toskana, d´Este-Modena und Pontecorvo in der Stadt, gab es doch Seitenlinien in Ungarn und in Polen.

      „Mir genügt es, wenn ich in jedem Habsburger-Haushalt mit einem einzigen Pokal bin,“ hatte Graf Ludwig bei Gelegenheit zu seinem Prokuristen Brauner einmal gesagt, „damit haben wir den Fuß für künftige Bestellungen schon in der Tür.“

      Ludwig war ein kühler Pragmatiker und ein nüchterner Rechner, wenn es sein musste. Er wusste genau, wieviel ein Landarbeiter auf seinen Gütern verdiente, oder wieviel die Kleidung jedes Hausmädchens pro Jahr kostete und wie hoch der Witwen- und Waisenfond seiner Fabrikarbeiter war, konnte er täglich aus seinem Kopf abrufen, auf ein paar Hundert Gulden auf oder ab wenigstens.

      Seine Eltern waren bereits verstorben, er hatte nur eine Zwillingsschwester, die sich nach Salzburg verheiratet hatte, keinerlei sonstige Verwandte, die er versorgen musste. Er hatte auch nur drei Kinder, was sich wohl kaum noch ändern würde und wusste diese eines Tages gut versorgt. Sein persönlicher Lebenswandel war eher bescheiden, aber dennoch lebte er auch nie in einem aristokratischen Traumland. Glaubte er wenigstens. Er überließ seine Frau gerne ihrer hektischen Umtriebigkeit, begleitete sie mit einer gleichgültigen Nonchalance auch überall hin und empfing jeden mit heitererem Desinteresse, den sie einlud. Er selbst hatte nur wenige Freunde und pflegte überhaupt keine Bekanntschaften mehr. Dass diese seine Freunde alle adelig waren, bemerkte er nicht, hinterfragte er nicht. Er kannte ja sonst niemand.

      Natürlich hatte er mit Ferdinand einen alten, väterlichen Diener, der ihn seit seiner Kindheit begleitet hatte und es sich auch in seiner wohlverdienten Pension nicht nehmen ließ, mit seinem einstigen Zögling so manche Partie Schach zu spielen.

      „Wos gibt´s Neues?“ fragte Ferdinand immer beim ersten Zug und dann erzählte Graf Ludwig, wie er niemandem sonst erzählte. Ferdinand sagte dabei wenig, aber wenn, dann hatte es Sinn.

      Als Ludwig von den neu eröffneten Stadtgeschäften in Wien, Salzburg und Prag erzählt hatte, war Ferdinand der erste gewesen, der meinte, er solle denn doch auch ins Ausland gehen.

      „Nach München g´hörst mit deinem Glas, nach München, nach Dresden, nach Russland, St. Peterburg vor allem. Wohin auch immer. Keine Auslandsfilialen, sondern Vertretungen, die was dir deine Ware abkaufen und selber schau´n müssen, wie´s weiterkommen. Und werd´ mir ja ka´ Hoflieferant. Net amal bei uns. Tu dir nie z´viel mit´n Hof an! Nur Zores hat ma´ mit der Kamarilla!“

      So sprach der gräfliche Kammerdiener Ferdinand bisweilen.

      Ludwig war dankbar, dass Ferdinand seine Pension hier im Stadtpalais hatte verbringen wollen. Mit Franz, seinem neuen jungen Diener und seines Zeichens ein Großneffe Ferdinands, entwickelte sich allmählich eine ähnlich herzliche Gemeinschaft, vor allem während der Jagden. Dennoch hätte Ludwig naturgemäß keinen von beiden seinen Freund genannt.

      Die Arlingtons bezogen seit Generationen ihre persönlichen Diener von den steirischen Gütern, die Köchinnen kamen aus Böhmen, aus Görz oder Bozen, die Dienstmädchen, die Hausburschen bezog man über einschlägige Agenturen aus dem Wiener Raum und dem niederösterreichischen Umland.

      Eugenie hatte sich zu Beginn ihrer Ehe eine frankoschweizerische Zofe zugelegt, um ihr provinzielles Schulfranzösisch zu verbessern, jene Louise war bald zur „Mademoiselle Louise“ avanciert, zur Gesellschafterin und Vertrauten geworden, während die eigentlichen Zofen einem gewissen Wechsel unterworfen waren.

      Die Kinder hatte man gemeinsam von einer französischen Gouvernante und einer irischen Nurse aufziehen lassen, so dass sie beide Sprachen von Anfang an fließend beherrschten. Es war Eugenies Idee gewesen, dass „Leute namens Arlington“ auch Englisch neben dem allgemein üblichen Französisch beherrschen sollten.

      Mittlerweile leistete man sich freilich einen jungen Studenten der Rechtswissenschaften, einen Herrn Vorhofer, als eine Art nachmittäglichen Hauslehrer, der Nachhilfe gab, bei den Hausübungen half und die Kinder gegebenenfalls begleitete. Er entstammte kleinsten Verhältnissen, erfreute sich jedoch der Förderung einer Baronin Fasching von Fuchsenfeld, die seiner Mutter verbunden war und ihn den Arlingtons empfohlen hatte. Er wohnte im Haus, was für beide Seiten praktisch war. Da die Kinder tagsüber in den jeweiligen Schulen waren, konnte er seine Vorlesungen besuchen und sich dennoch um seine Anvertrauten kümmern.

      Mademoiselle Louise und Herr Vorhofer waren die einzigen Angestellten, die ihre Mahlzeiten am Familientisch einnahmen und auch bei Gastlichkeiten zugelassen waren, Herr Vorhofer in einem umgearbeiteten Frack Ludwigs, da er kleiner und schlanker als Graf Ludwig war, während Mademoiselle abgelegte Abendkleider der Gräfin Eugenie austrug, die sie stets nach ihrem eigenen Geschmack zu verändern verstand.

      Geleitet wurde der gesamte Arlingtonsche Haushalt zusammen von den Wotrubas, Vater, Mutter und jetzt bald zwanzigjährigem Sohn Hannes.

      Vater Wotruba war ein kleiner und äußerst glückloser Gewerbetreibender gewesen, so glücklos, dass seine Frau sich als Köchin verdingt hatte.

      Binnen kurzer Zeit hatte sie derart schöpferische organisatorische Qualitäten entwickelt, dass man ihr nicht nur gestattet hatte, ihren damals noch kleinen Sohn zu sich kommen zu lassen, sondern auch bald danach ihr Mann in den Haushalt aufgenommen worden war. Der junge Wotruba stand zwischen den Ständen der Gesellschaft. Einerseits hatte Graf Ludwig ihm eine Handelsschule und einen Französischlehrer bezahlt, andrerseits war man seitens der Familie ganz von allein davon ausgegangen, er würde quasi den Posten seiner Eltern eines Tages übernehmen. Zur Zeit sah es auch ganz danach aus. Frau Wotruba war mehr oder weniger für das niedere Personal und für die Leitung der Küche zuständig, - und insgesamt die höchste Respektsperson des Hauses – manchmal sogar für dessen gräfliche Bewohner -, Herr Wotruba kümmerte sich vor allem um die Droschken und Pferde und Wotruba junior – in der gräflichen Umgangssprache allgemein schlicht „Junior“ genannt – hatte sich als der perfekte Organisator von Ludwigs geliebten Reisen und Eugenies geliebten Abendgesellschaften entpuppt.

      Ansonsten hatte Graf Ludwig täglichen Umgang mit dem verdienten Prokuristen Brauner, seinem Verbindungsmann zur böhmischen Fabrik, Herrn über das Büro und die Stadtgeschäfte und Herrn von Valenta, seinen obersten Domänenverwalter, die beide zwar im Palais arbeiteten, aber oft genug auf Reisen waren und mit ihren Angehörigen außerhalb des Haushalts lebten.

      Gräfin Eugenie hatte keine Vorurteile gegenüber Bürgerlichen, solange sie gesellschaftsfähig waren, Graf Ludwig, dem die Bekannten seiner Frau herzlich gleichgültig waren, egal ob adelig oder bürgerlich, hatte keine Vorurteile gegenüber Bürgerlichen, denn er persönlich kannte keine.

      Jetzt sinnierte Ludwig immer noch über der Visitenkarte seines angeblichen russischen Großgroßcousins, oder was auch immer jener Comte Sergej Arlington genau zu ihm wäre. Er rätselte auch über den Verbleib von Amelie, bis Eugenie plötzlich einfiel, Herr Vorhofer habe sie heute abgeholt, sie brauche irgendwas in der Papierhandlung, man würde in der Stadt jausnen.

      Eugenie bedauerte, dies vergessen zu haben, sie war nicht nur im Kopf mit irgendeiner Gästeliste überfordert gewesen, sie hatte sie vor sich liegen und kritzelte eifrig daran herum.

      „Und die Buben?“, fragte Ludwig, der die Jause mit seiner Frau plötzlich fade fand.

      „Irgendeine Schulversammlung, der Junior holt sie ab.“, Eugenie vertiefte sich wieder in ihre Gästeliste, als Ludwig wissen wollte, worum es au fond denn eigentlich ginge.

      „Ich grüble über die Tischordnung für Samstag.“, antwortete seine Frau, „Dieser Deutsche, Von Martensen, hat abgesagt, muss wegen der kranken Schwiegermutter nach Berlin, so sagt er jedenfalls. In Wirklichkeit aber ist seine Frau so langweilig, dass sie nicht ausgehen will, wie ich mittlerweile herausgefunden habe. Ich werd´