Patrice Parlon

Das Böse bleibt!


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sie wissen, worum es ging. Das war nicht das, was sie sich erhoffte, denn sie wollte gerade das vermeiden. Aber es blieb ihr wohl keine andere Wahl. Wenn sie noch länger wartete, dann würden sie die Träume umbringen. Also holte sie sich das Buch. Johanna sah mit Freude, dass sich ihre Angestellte zum Opfer machte. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie ihren Blutdurst stillen durfte.

      Loana saß inzwischen auf der Gartenbank. Noch blieb das Buch in ihren Händen geschlossen. In ihrem Kopf spukte Colines Warnung. Sie zeigte sich nicht umsonst. Je länger sie zögerte, desto mehr lockte es. Schließlich griff sie beherzt zu. Sie schlug es auf und entdeckte wieder das Symbol, das ihr schon beinahe überall begegnete. Auf der nächsten Seite stand eine Widmung. „Dies ist ein kleines Dankeschön an Sie, weil Sie mir zum Erfolg verholfen haben...“ Wer bedankte sich da bei wem? Diese Frage konnte nur das Buch beantworten. Loana stellte schnell fest, dass es nur der Autor namens Rainer C‘loppta sein konnte. Unwillkürlich vertiefte sie sich in die Geschichte. Sie las von einer Schülerin, die gegen ihre Lehrerin rebellierte und viele Rückschläge einstecken musste. Der Name der Schülerin war Coline. Wieder entdeckte Loana vertraute Szenen. Parallelen zu ihrer Vergangenheit. Das konnte kein Zufall sein. Der Text ließ nur einen Schluss zu. Coline hatte in allen Punkten Recht. Sie war also das erste Opfer und somit Loanas Urahnin. Trotzdem wollte sie nicht glauben, dass es diesen Fluch wirklich gab. In Johannas Buch war keine Rede davon. Gebannt klebten ihre Augen auf den Seiten. Sie interessierte sich weder für ihre Arbeit, noch bemerkte sie Johanna, die schon lange neben ihr stand. Sie beobachtete genau, wie sich Loana immer tiefer in den Fluch verstrickte. Somit gab es kein Zurück mehr. Loana las das Buch bis zum Ende, sah sich ängstlich um und erwartete die Folterknechte aus der Geschichte. Da erblickte sie Johanna, die höhnisch sagte: „Es ist Zeit! Wir müssen dich in dein neues Heim bringen.“

      Der Eintritt in die Hölle

      Loana stotterte: „Welches Heim?“ Augenblicklich erschien der Hausherr und hielt ihr schon wieder den Ring vor die Nase. Er befahl ihr, ihn anzustecken und drückte ihn in ihre Hand. Kreidebleich sah sie in sein starres Gesicht und brüllte: „Nein! Das werde ich nicht tun! Ihr könnt mich nicht dazu zwingen!“ Johanna lachte. „Es ist deine Pflicht! Du hast dich auf den Fluch eingelassen, nun stehe auch dazu!“ Loana ergriff die Flucht. Sie wollte keine Minute länger in diesem Haus bleiben. Sie ließ alles zurück und rannte so schnell sie konnte. Eine letzte Warnung schallte ihr hinterher: „Nimm den Ring, wenn du nicht höllisch leiden willst! Du kannst nicht mehr entkommen!“

      Wie Recht sie hatte! Loana wusste es nur nicht. Noch wollte sie alles als Gruselgeschichte abtun, aber schnell zeigte sich die Macht des Fluches. Loana stürmte durch zahllose Gassen, bis es nicht mehr weiter ging. Gerade als sie umkehren wollte, erschienen drei kräftige Kerle. Sie erkannte sie sofort. Alle Drei entstammten dem Buch! Was sollte sie jetzt tun? Weiter rennen brachte nichts. Sich ergeben kam aber auch nicht infrage. Da nahm ihr Johanna die Entscheidung ab. „Bringt sie zum Auto! Wir fahren sofort los!“ Irgendwie ahnte Loana, wohin sie entführt werden sollte. Allein dieser Gedanke gab ihr Kraft, um sich loszureißen und erneut zu fliehen. Sie kam nicht weit. Gefesselt und geknebelt landete sie im Kofferraum und wurde verschleppt.

      Die Fahrt dauerte Stunden. Loanas Glieder schmerzten durch die gekrümmte Haltung und sie weinte leise vor sich hin. Irgendwann fielen ihr die Augen zu und sie schlief ein. Sie träumte sich in den Saal und näherte sich dem Altar. Dort lagen etliche Folterwerkzeuge bereit. Jedes war blutig und abgenutzt. Das konnte nur bedeuten, dass viele Menschen damit gepeinigt wurden. Vollkommen reglos starrte sie auf die blutige Altarplatte. Sie fragte sich, wo die Opfer waren und bekam sofort einen Hinweis. Ein greller Schrei donnerte durch den Saal. Kurz darauf ein grässliches Lachen. Loana rief: „Was ist hier los? Wo seid ihr?“ Da zeigten sich fünf Frauen. Ihr Fleisch hing in Fetzen an ihren Leibern herunter und doch standen sie aufrecht. Man sah ihnen keinen Schmerz an. Loana musterte eine nach der anderen, doch Coline schien nicht dabei zu sein. Sie rief nach ihr und eine der Frauen trat hervor. Sie sah nicht aus wie Coline, sprach aber mit derselben Stimme. Loana wollte einfach nur die Gründe erfahren, also nahm sie die Veränderung hin. Sie fragte vorsichtig, was ihr bevorstand. Coline zeigte schweigend zu den anderen, die sich sofort umdrehten. Jede hatte die gleiche Tätowierung, an derselben Stelle. Nur Colines war etwas anders. Ihre war rot hinterlegt. Loana fragte: „Was kommt jetzt? Muss ich genauso leiden?“ Vier von ihnen ließen die Köpfe hängen, nur Coline nicht. Loana fragte neugierig, wie sie es verhindern konnte. Da zeigten alle auf das Kreuz hinter dem Altar. Dort befand sich eine Inschrift. Loana ging näher heran und musste feststellen, dass die Botschaft in unbekannten Symbolen verfasst war. Ratlos sah sie die Opfer an, bekam aber keinen weiteren Hinweis. Eine nach der anderen löste sich in Luft auf. Nur Coline blieb übrig. Sie hielt ein rundes Amulett in ihrer Hand. Es trug eine Art Mandala aus Symbolen. Ein letzter Blick auf das Kleinod und sie reichte es Loana, die es bereitwillig annahm. Dieser Anhänger machte ihr keine Angst im Gegensatz zum Ring. Loana hoffte, dass es sie beschützen würde. Plötzlich brach sie zusammen. Sie schreckte hoch und stieß sich den Kopf. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder wusste wo sie war. Sie lag noch immer im Kofferraum. Minuten später hielten ihre Entführer an. Der Deckel ging auf und Johanna stand grinsend da. Sie zog ihr Buch hervor und spottete: „Das wird jetzt umgesetzt!“ Loana schob ungläubig die Augenbrauen zusammen. Sie wollte am liebsten laut schimpfen, aber der Knebel ließ es nicht zu. Der nächste Befehl klang wie eine Drohung. Johanna verlangte, dass ihr neues Opfer vor den Richter geführt wurde. Loana wusste mittlerweile, dass ihre Verurteilung nur ein böses Spiel war. Es dauerte nicht lange, da standen sie in einem großen Raum. Hinter einem breiten Tisch saß einer der Bande. Johanna ließ es sich nicht nehmen und stellte sie vor. „Da vorne, der nette Mann ist Maxwell Zorgett, unser Direktor. Der Herr zu meiner Rechten heißt David Worka. Er wird auf dich aufpassen. Da neben ihm steht Georg Van Dörren. Er wird dir auf die Sprünge helfen. Dann haben wir hier noch Andreas Trisper. Er wird dir helfen, wenn du dich irgendwie verletzen solltest.“ Loana kamen die Gesichter und die Namen mehr als bekannt vor, doch konnten es unmöglich dieselben Menschen sein. Wenn sie richtig lag, waren sie Colines Peiniger. Doch war das etliche Jahrzehnte her und sie hätten uralt sein müssen. Ehe sie sich einen Reim darauf machen konnte, gab Johanna ein Zeichen und David löste ihre Fesseln. Dann führte er sie zu einem Stuhl, der mitten im Raum stand. Maxwell verlas ein Protokoll. Er zählte eine Menge Regeln und Verbote auf, die strikt einzuhalten waren. Loana interessierte sich nicht dafür, bis Johanna zu schimpfen anfing. „Du bist das Ebenbild dieser Missgeburt. An deiner Stelle würde ich gut zuhören. Das erspart dir eine Menge Ärger! Du hast nicht die Kraft, um gegen mich zu gewinnen!“ Sie wusste sofort, wen Johanna meinte. Es konnte sich nur um Coline handeln. Sie nahm es hin und vertraute darauf, dass sie träumte. Allerdings war es viel zu real, um ein Traum zu sein.

      Nachdem Maxwell seinen Vortrag beendet hatte, wollte Johanna mit dem grausamen Spiel beginnen. Dazu brauchte sie ihr nur noch den Ring aufzuzwingen. Dann war sie auf ewig verdammt. Das klappte immerhin schon oft genug. Loana war nur eine weitere Kerbe am Bettpfosten. David führte sie durch zahllose Gänge in eine Wäschekammer und verpasste ihr eine Sträflingskluft. Auch das weckte Erinnerungen an das Gelesene. Loana erkannte, dass sie Colines ganzen Leidensweg vor sich hatte. Doch im Gegensatz zu ihr, wehrte sie sich nicht. Sie ließ es auf sich zukommen. Sie war entschlossen alles zu tun, um wieder frei zu sein. Dazu brauchte sie nur etwas Hilfe. Sie sah David tief in die Augen. Er erwiderte ihren Blick und erschreckte sie zutiefst. Er war eine Marionette, gelenkt durch Johannas Willen. Er schubste sie in eine feuchte Zelle und verriegelte die Tür mit zahllosen Schlössern. Loana setzte sich auf eine zerfetzte Matratze und starrte in die Dunkelheit. Sie hörte den Wind durch das winzige Fenster pfeifen. Das erinnerte sie wieder an das Buch. Coline erging es damals fast genauso. Mit dem Unterschied, dass Loana noch keine Wunden davon trug. Doch das war nur noch eine Frage der Zeit. Bis dahin versuchte sie, den Inhalt des Buches zusammen zu kriegen, um einen Ausweg zu finden. Doch blieb nicht genug hängen.

      Inzwischen plante Johanna, wie sie ihr den Fluch aufzwingen konnte. Sie wusste, dass es nicht einfach würde. Zu viel hing an diesem Bann. Es gab immerhin noch Coline, die sicher dazwischenfunkte. Das bedeutete, sie durfte nicht zu lange warten. Also wurde Loana geholt und in den Foltersaal gebracht. Sie wehrte sich nur ein bisschen und ließ sich vorwärts schieben. Schon von weitem sah sie die Folterwerkzeuge auf dem