Patrice Parlon

Das Böse bleibt!


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Wie ist das bei dir?“ Beinahe reglos stand Loana da. Nur ihre Augen wanderten die Wände entlang. Sie suchte nach dem Fluchtweg aus dem Buch. Leider vergeblich. Allerdings fiel ihr etwas auf. Hinter dem Altar gab es kein Kreuz. In ihrem Traum war es aber deutlich zu sehen und im Buch wurde es beschrieben. Stattdessen stand dort eine schwarze Truhe mit vielen Symbolen. Johanna beobachtete ihr Opfer genau und folgte ihrem Blick. Als sie auch die Truhe im Visier hatte, höhnte sie: „Darin bewahre ich mein Spielzeug auf. Du weißt schon, Riemen, Gerten, Peitschen und so weiter. Willst du dir etwas davon aussuchen?“ Loana schüttelte unbewusst den Kopf und Johanna grinste sie von der Seite an. Dann bat sie sie, zum Altar zu gehen und sich darauf zu setzen. Notgedrungen gehorchte sie, wandte der Truhe aber den Rücken zu. Sofort hielt ihr Johanna den Ring entgegen. Sie befahl klar und deutlich: „Zieh ihn an!“ Loana ballte die Fäuste und sagte ebenso deutlich: „Niemals!“ Johannas Grinsen verschwand augenblicklich. Jetzt schrie sie durch den Saal. „Du hast gar keine andere Wahl! Schließlich wolltest du es nicht anders!“ Das Ganze erschreckte Loana immer mehr. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie wünschte sich, dass Coline erschien, um sie zu retten. Doch dieser Wunsch wurde nicht erfüllt. Johanna drehte sich von ihr weg und schaute in jeden Winkel. Plötzlich schrie sie durch den Saal: „Zeig dich endlich!“ Loana sah sie irritiert an und antwortete: „Ich bin doch hier!“ Johanna drehte sich nicht einmal um, aber sie brüllte: „Wer interessiert sich denn für dich? Du billiger Abklatsch!“ Diese Beleidigung wollte sich Loana keinesfalls gefallen lassen. Sie stürmte auf Johanna los und zerrte an ihren Haaren. Johannas wütendes Kreischen hallte durch den ganzen Saal. Sie rief ihre Handlanger, die Loana sogleich von ihr losrissen. Indem donnerte ein grauenhaftes Lachen von Wand zu Wand. Coline war da! Alle suchten den Saal ab. Schließlich entdeckten sie sie weit über dem Altar. Von oben herab spottete sie: „Es ist nicht mehr so einfach! Du lässt nach. Bist du deinem sechsten Opfer nicht gewachsen?“ Johannas Zorn stieg. Sie starrte in Loanas Richtung, sprach aber mit Coline. „Du wirst schon sehen, wie fit ich noch bin. Ich werde sie in Stücke reißen! Verlass dich drauf!“ Keine Sekunde später schallte ihr Befehl durch den Saal. „Schnürt sie auf die Platte! Ich habe es satt, zu warten!“ Loana versuchte sich loszureißen. Als das nicht gelang, rief sie um Hilfe. Coline sah beinahe gelangweilt zu und fragte: „Haben wir das nicht schon so oft gehabt? Du weißt, dass du sie nicht verletzen kannst. Nicht so lange ich hier bin. Und denke daran, ich bin nicht mehr allein.“ Johanna grinste wieder. „Glaubst du wirklich, dass ich nichts dazu gelernt hätte? Ich weiß, wie ich dich fernhalten kann. Oder hast du vergessen, wer wir sind?“ Coline knurrte wütend und verschwand wieder. Loana lag nun schutzlos vor ihren Entführern. Sie dachte pausenlos daran, wie sie der Folter entgehen könnte und sah nur eine Möglichkeit. Sie musste um Gnade winseln. Doch ihr Versuch scheiterte schon im Ansatz. Johanna warf David einen Riemen zu und schrie: „Fünfzig!“ Jetzt wurde es ernst. Loana kam nicht mehr um die Folter herum. Sie bettelte noch um Nachsicht, doch Johanna ignorierte sie. David ließ sich sehr viel Zeit. Er legte erst einmal sein Hemd ab. Dann entblößte er Loanas Hinterteil und strich daran entlang. Loana spannte jeden Muskel an und erwartete den ersten Hieb. Sie hielt es kaum noch aus und zeterte verzweifelt: „Mach es! Schlag mich schon tot! Dann hab ich es hinter mir!“ Er trat einen Schritt zurück, straffte den Riemen und schlug hart zu. Loana schrie den Schmerz heraus. Ihr blieb kaum Zeit, um Luft zu holen, schon traf sie der Zweite. David machte weiter. Bis zum zehnten Schlag schrie Loana, dann plötzlich Totenstille! David hörte sofort auf. Ohne zu zögern griff er ihren Kragen und riss den dünnen Stoff von ihrer Schulter. Er fand aber nicht, wonach er suchte. Seiner Erfahrung nach fand sich dort der Beweis, dass Coline eingriff. Sobald das geschah, verfärbte sich die Tätowierung rot. Diesmal jedoch nicht! Ratlos sah er sich im Saal um, als erwartete er jeden Augenblick einen Angriff. Es blieb aber merkwürdig still. Das machte ihm Angst. Bei keinem anderen Opfer war es so. Dennoch vollzog er die Folterung bis zum letzten Hieb. Loana rührte sich nicht mehr, denn jede Bewegung schmerzte furchtbar. David ließ sein Opfer zurück. Sie blieb aber nicht lange allein. Coline erschien, legte ihre kalten Hände auf das geschundene Fleisch und murmelte einige Worte. Loana verstand sie nicht, glaubte aber neue Kraft zu spüren. Nichts tat ihr mehr weh. Coline strich mitleidig ihre Wange und flüsterte: „Sie werden sich nicht ewig täuschen lassen!“ Bald darauf schlief Loana ein. Stundenlang träumte sie von einem Zweikampf zwischen ihr und Johanna. Als er kurz vor der Entscheidung stand, riss sie Andreas aus dem Schlaf. Er stand mit einem Kübel Wasser neben ihr und legte kalte Tücher auf ihren Leib. Loana fragte ihn, wie lange alle anderen Opfer leiden mussten und ob alle tot waren. Andreas antwortete nicht. Er sah ihr nicht einmal ins Gesicht, was auch eine Menge sagte. Wenig später kam Johanna in den Saal gestampft. In ihrer Hand hielt sie das verteufelte Buch und einen Ring. Wieder verlangte sie, dass sich Loana selbst verfluchen sollte, aber die verneinte entschlossen. Andreas löste ihre Fesseln. Sie richtete sich auf und ließ die Beine vom Altar baumeln. Da hob Johanna verwundert die Augenbrauen. Sie konnte nicht verstehen, wie sie nach so viel Prügel noch sitzen konnte. Für sie gab es nur eine Erklärung. Coline musste sich eingemischt haben. Nur sie war fähig, alle Schmerzen in sich aufzunehmen. Johanna wollte den Beweis und schickte Andreas los, die beiden Folterknechte zu holen. Er gehorchte sofort. Unterdessen umkreiste sie Loana und suchte nach einer Erklärung. Schließlich fragte sie direkt: „Hat sie dir geholfen?“ Loana sah sie verwirrt an. Sie wollte gerade etwas erwidern, da fiel ihr Coline ins Wort: „Nein, hat sie nicht! Ich warne dich! Noch ein Opfer wird es nicht geben! Du musst endlich einsehen, dass es nicht ewig so weiter geht. Bist du es nicht selbst schon leid?“ Sie gab Johanna keine Chance zur Reaktion. Stattdessen entriss sie ihr den Ring und verschwand. Jetzt war Loana wieder dran. David und Van Dörren kamen zur Tür herein. Johanna rief ihren Folterknechten zu: „Kontrolliert sie!“ Loana beunruhigte dieser Befehl, doch steckte eine Absicht dahinter. Van Dörren kam näher und griff nach ihrem Arm. Er drehte sie um. Dann riss er ihr den Stoff vom Leib. Vollkommen nackt stand sie vor den Männern, die sie gierig beäugten. So wurde ihr bewusst, warum es noch immer Nachfahren gab. Doch wollte sie nicht so recht an ihre Theorie glauben. Es erschien ihr zu grotesk. Van Dörren tastete ihren Leib ab und sah sich jeden Zentimeter Haut an. Letztendlich kam er zu dem Schluss, dass sie vollkommen frei von Colines Einfluss war. Also überließ er seinem Kollegen das Feld, der das Ganze wiederholte. Auch er konnte nichts finden. Kaum waren sie fertig, brachte Johanna eine neue Sträflingskluft. Sie warf sie Loana zu, die sie erschrocken fing. Johanna befahl hart: „Zieh dich an! Ich habe Arbeit für dich!“ Loana war sich nicht sicher, ob sie ihr wirklich folgen, oder sich, wie Coline, widersetzen sollte. Nach kurzem Überlegen entschied sie zu gehorchen. Nur so konnte sie weiterkommen. Johanna führte sie quer durch das Gebäude bis zu Colines Garten. Dort wucherte fast überall das Unkraut. Nur ein kreisrunder Fleck in der Mitte sah gepflegt aus. Loana sollte die Anlage wieder herrichten und zum Blühen bringen, wie auch schon Coline. Als sie sich umsah, kam ihr manches sehr vertraut vor, obwohl sie nie zuvor dort gewesen war. Ohne zu zögern lief sie zu einem Brunnenschacht. Jetzt drehte sie sich einmal um die eigene Achse und betrachte die Bogengänge eines Klosters. Es waren einst mindestens zwei Etagen, aber von der oberen fehlte die Hälfte. Loana schaute sich weiter um. Dabei stolperte sie über eine Falltür, die beinahe zerbrach. Sie schaute zurück und sah Johanna, die mit verschränkten Armen auf einen Grund zur Folter wartete. Loana musste dafür sorgen, dass sie ihr nicht ständig nachspionierte. So folgte sie ihrem Befehl und riss das Gestrüpp aus dem Boden. Johanna machte kehrt und verschwand unverrichteter Dinge. Loana konnte nun erkunden, was sich unter der Falltür verbarg. Sie vergewisserte sich, dass sie nicht mehr beobachtet wurde und öffnete die Klappe. Sie sah in den gleichen Schacht, wie Coline seinerzeit. Doch anders als sie, wollte Loana nicht einfach fliehen. Sie war neugierig auf das, was sich dort unten verbarg. Dazu brauchte sie jedoch diverse Hilfsmittel, vor allem eine Taschenlampe. Allerdings wusste sie nicht, ob sie noch eine Gelegenheit bekam, die Gänge zu erkunden. Wenig später erschien Van Dörren. Er rief sie zum Abendessen. Bereitwillig folgte sie ihm. Ihre Enttäuschung war groß, als sie erkannte, dass sie ihre Entführer bedienen sollte. Sie selbst durfte gar nichts essen. Ihr war klar, dass es nur ein böser Test war. Johanna wollte ihr Opfer aus der Reserve locken. Doch Loana tat ihr diesen Gefallen nicht. So einfach würde sie nicht einknicken. Johannas spöttisches Grinsen wich einer zornigen Fratze. Sie knurrte unwillig: „Ich kriege dich schon noch klein! Verlass dich drauf!“ Loana zuckte mit den Schultern und holte das Essen. Auch wenn ihr Magen noch so leer war, sie gab nicht nach.

      Die Bande ließ sich sehr viel Zeit.