Ralph Kloos

KOLONIE 7


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kommen würde ein neu-entwickelter GPS-Trailer - also ein kleines Boot - das ganz besonders gut für die Flächensuche geeignet war. Dann waren ein neues Containerlabor an Bord, das einerseits C-14 Bestimmungen direkt an Bord erlaubte und zusätzlich gab es einen neuen Massenspektrometer und ein Elektronenrastermikroskop der neuesten Generation. Außerdem stapelten sich auf dem Achterdeck ein Dutzend zerlegbarer Container, die dafür bestimmt waren, die geborgenen Teile des Wracks und seiner Besatzung aufzunehmen.

      Ein extra Tauch-Team war nur für die Dokumentation der Bergung da und so sollten tägliche Webstreams das enorme öffentliche Interesse an der Tauchmission befriedigen.

      Der starke Wind hatte in den letzten Stunden ständig nach-gelassen und so betätigte sich KC als eine Art Moderator, der zwischen selbst ausgesuchten Songs aus seiner Lieblings-Bibliothek regelmäßig ansagte, wie viele Stunden es noch bis zum Erreichen der Ziel-GPS-Markierung dauern würde.

      Am Vorabend hatte er eine große Datenübertragung mit Sevilla abgeschlossen: Jetzt hatte er alle bekannten Schiffsmodelle - mitsamt Namen und allen vorhandenen Informationen – und soweit vorhanden, auch als digitale 3D-Modelle und war damit bestens vorbereitet für die Analyse der zu erwartenden Artefakte aus der Tiefe.

      Jottape wurde bei der Einsatzbesprechung offiziell mitgeteilt, dass die Mission zeitlich nicht terminiert war. Er sollte solange suchen, bis es nichts mehr zu finden gab und dieser Befehl gefiel dem französischen Einsatzleiter, denn offensichtlich waren seine Arbeitgeber mit den jetzigen Ergebnissen so zufrieden, dass sie ihm vollkommen freie Hand bei dieser Mission ließen.

      Keine zwei Stunden später ließ das mehrmalige Heulen der Schiffssirene jedes Crewmitglied wissen, dass sie das Zielgebiet endlich erreicht hatten. Sofort wurden die Anker herunter gelassen und auch das neue GPS-Trailer-Boot wurde zügig zu Wasser gebracht und bemannt.

      Das Besondere an diesem Boot war seine Aufteilung in zwei Teile. Der vordere Antriebsteil hatte eine Minikabine für zwei Besatzungsmitglieder und alle Navigations- und Antriebsinstrumente. An einer Art STEADY-CAM-Kupplung hing das etwa vier Meter lange Beiboot, das nichts anderes als das nagelneueste Massenspektrometer auf dem Markt war. Die Besonderheit der Konstruktion lag in seiner absoluten GPS-Konnektivität. Um einen möglichst großen Bereich vermessen, bzw. absuchen zu können, wurde der Trailer computergesteuert auf die Reise geschickt und schickte seine Daten live und direkt zu KC ins Rechenzentrum.

      Mit den Software-Entwicklern des Trailers hatte man sich auf ein spiralförmiges Suchmuster geeinigt. Kurz nach der Ortung des versunkenen Schiffes wurde direkt über der Fundstelle „der Nullpunkt gesetzt“, was so viel bedeutete, dass der Bootstrailer GPS-gesteuert um diesen Nullpunkt in einer Spirale den gesamten Meeresboden in 10-Meter-Bahnen vermessen würde. Einziger Nachteil - der Trailer konnte nicht schneller als 5 Knoten laufen und die Arbeit an Bord war auch alles andere als einfach, denn eigentlich musste die Crew nur aufpassen, dass alles glatt lief - den Rest erledigten das GPS und seine Steuerung von der Deep Search One.

      Insgesamt ein sehr zeitaufwendiger Prozess, aber da ja niemand den ursprünglichen Kurs des Seglers erahnen konnte und man ja auch nicht wusste, wie lange das Schiff nach der Explosion noch weiter gesegelt war, gab es nur diese Möglichkeit - oder eben den berühmten Zufallsfund - aber davon wollte Jottape nichts wissen, denn er hatte hier schon einmal verdammtes Glück gehabt - jetzt war es Zeit für empirische Wissenschaft, akribische Suche und Demontage der Schatzgaleone.

      Um den großen Meeres-Saugrüssel einzusetzen, mussten sie zuerst ein Gebiet aussuchen, zu dem der gesamte Abraum nach der Durchsuchung abgepumpt werden sollte. Dieser Platz musste gefunden, bestimmt und zuerst durchsucht werden, bevor man tausende von Tonnen Schlamm und Schlick dorthin verklappen würde.

      Obwohl das Team alle Abläufe schon im Vorab besprochen und geprobt hatte, dauerte es bis zum Einbruch der Dunkelheit, bis alle Systeme im Wasser waren und ihre erste Tauchfahrt mit dem U-Boot begann. Schon von weitem konnte Jottape das große Loch sehen, dass sie vor wenigen Wochen in den Schiffsrumpf gesägt hatten.

      Während die Taucher zuerst den Hang untersuchten und ein Dutzend der leistungsfähigsten Unterwasserscheinwerfer um das Schiffswrack positionierten und verkabelten, steuerte Dennis das Tauchboot an das ausgefranste Heck.

      Mit einer fluoreszierenden Sprühfarbe markierten sie zuerst ein Stück Schiffswand und dann aktivierte Jottape einen der metallenen Zangengreifarme um ein etwa sechs Zentimeter langes Stück Holz abzubrechen. Diesen Prozess wiederholten sie in der nächsten Stunde an verschiedenen Stellen der Bordwand und brachten diese Holzproben danach sofort an Bord.

      Keine zwei Stunden später wurde die gesamte Crew mit dem Ergebnis der ersten Analyse konfrontiert: Jedes der geborgenen Holzstücke wurde von seiner Lage her exakt in das errechnete 3D-Modell des Schiffswracks eingepasst. Durch die aufgebrachte Farbmarkierung konnte man auch keine Verwechslung begehen und die Ergebnisse dieser Untersuchung sprachen eine ganz eindeutige Sprache. Im Holz konnten ganz eindeutig typische Explosionspartikel nachgewiesen werden, die sich in ihrer Gesamtheit definitiv vom Inneren des Schiffes nach Außen bewegt hatten. Die Fluganalyse der Pulverpartikel ließ auf einen Explosionsort in einer der Kabinen auf dem Achterdeck vermuten, die neben oder unter der Kapitänskajüte gelegen haben mussten.

      Das bedeutete im Umkehrschluss, dass das Schiff nicht einem Angriff von Piraten zum Opfer gefallen sein konnte.

      Die Schwarzpulverexplosion hatte sich zwar an Bord ereignet - aber im Normalfall hätten das Pulver und die Zünder mittschiffs in der Pulverkammer gelagert sein müssen und nicht im Heck der Galeone. Was also hatte diese seltsame Explosion im Heck verursacht?

      Auch in der tiefschwarzen Dunkelheit fuhr der GPS-Trailer seine einsamen Spiralrunden und obwohl die Mannschaft alle vier Stunden mit einem Dinghi abgeholt und ausgetauscht wurde, war der Job auf dem Trailer schon bald die meist gehasste Aufgabe auf der Deep Search One, denn eigentlich mussten sie während ihrer Schicht nur Dröge aufpassen, dass es keinen Ausfall der Systeme gab: Ansonsten verlief der hochauflösende Scan des Meeresbodens vollautomatisch.

      Nachdem man in knapp 300 Metern Entfernung zum Wrack einen geeigneten Platz für den Abraum entdeckt und durchsucht hatte, wurde die gigantische Absauganlage innerhalb der ersten Nacht komplett installiert und getestet.

      Alles was man vom Meeresboden nach oben saugen würde, wurde dann zuerst halbautomatisch an Bord der Deep Search One durchsucht: Metalldetektoren der neuesten Generation konnten jeden Krümel Gold oder anderer Materialien in einer Tonne Sand orten und so begann man ganz vorsichtig zuerst den unmittelbaren Fundort um das Wrack abzusaugen.

      Die Geschwindigkeit des Saugers wurde von dem Taucher bestimmt, der zusammen mit seinem Kollegen den Saugrüssel bediente. Wenn größere Teile auftauchen würden, die nicht nach oben gesaugt werden konnten, dann würde wieder das Ballon-system zum Einsatz kommen, das sie schon bei der Bergung des schweren Goldwürfels benutzt hatten.

      Nach der zusätzlichen persönlichen Untersuchung des feinen Abraums auf hölzerne Teile wurde der Aushub die gesamte Strecke bis zum Abraumplatz geblasen und sank dort langsam durch eine Spezialmanschette auf den Meeresboden.

      An Bord der Deep Search One hatte man wasserdichte Pläne auf Spezial-Folien ausgedruckt, die die Taucher jetzt dazu benutzten um die Schnittmarkierungen auf den Schiffsrumpf zu sprayen. KC hatte alle Schnittkanten vorab berechnet, damit die einzelnen Teile des Schiffsrumpf einerseits nicht zu groß wurden und man andererseits möglichst wenig Wanten zertrennen musste, die stellenweise unglaublich gut erhalten waren und sich nur sehr mühselig zersägen liessen.

      Jottape hatte nicht vor, auch nur einen Fetzen von diesem Schiff auf dem Meeresgrund zu lassen, sondern er hatte die Devise ausgegeben, dass wir „auch noch den letzten Zahnstocher finden und nach Hause bringen werden.“

      Große, orange Kevlarnetze wurden am Wrack befestigt und sollten die Sedimente aufnehmen, die durch die massiven Pressluftbohrer von den Schiffsplanken abplatzten. Alle freigelegten Schnittkanten wurden nach dem Schneiden nochmals überprüft und dann wurde jedes einzelne Teil mit der fluoreszierenden Farbe markiert, damit man die komplette Galeone, soweit vorhanden, wieder zusammensetzten konnte. Da sich drei Arbeitsteams zu je sechs Tauchern andauernd abwechselten, dauerte es nur einen Tag bis man endlich damit beginnen konnte