Ralph Kloos

KOLONIE 7


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kotzen sehen und er stimmte in diesem Punkt mit dem Papst überein.

      Beim Packen seines kleinen Hartschalenkoffers war er sich ganz sicher, dass es der Herr schon richten würde und so betete er das letzte „Vaterunser“ des Tages und legte sich früh schlafen. Obwohl er sehr rüstig war, schwante ihm, dass vor allem der zweite Teil der geplanten Reise eine extrem körperliche Grenzerfahrung für ihn sein würde, denn es sollte an einen der Orte gehen, die seit Jahren keinen Besuch mehr aus Rom oder irgend einer anderen westlichen Zivilisation erfahren hatten.

      Erfreulicherweise musste er seine Reise nicht alleine antreten, denn in Mexico-City würde er einen alten Bekannten treffen, der außerdem ein ausgewiesener Spezialist der Historie der Inkas, Mayas und Azteken war.

      Don Jerome Garcia hatte zwar knappe 20 Jahre weniger als er auf dem Buckel, aber schon kurz nach seinem Studium in Rom hatte er sich verantwortlich in die riesigen Archive aller südamerikanischen Klöster eingearbeitet und hatte deren zentrale Computer-Katalogisierung innerhalb ganz Süd- und Mittel-amerikas angeschoben. Seine Netzwerkkontakte und sein enormes Wissen sollten helfen zu Klären, was es in kirchen-historischer Sicht mit dem geheimnisvollen goldenen Würfel auf sich hatte.

      Wie man den noch unangenehmeren zweiten Teil der Geschichte der Öffentlichkeit verkaufen könnte, ohne sehr große Imageschäden für den Heiligen Stuhl zu riskieren, war Paolo Casanate im Moment eine Nummer zu abstrakt. Er war da ganz pragmatisch. Immerhin waren es ja historische Ereignisse, die schon Jahrhunderte zurück lagen - auf der anderen Seite schien der Würfel eine weit größere Bedeutung für die Bevölkerung dieser Zeit gehabt zu haben, als man das sich heutzutage jemals ausmalen konnte. Aber diese Vorahnung wollte der Archivar nicht zu Ende denken, denn als gläubiger Diener seines Herrn stellte er dessen Weisheit und Vorsehung nicht wirklich in Frage.

      Allein das Ausmaß der zu erwartenden Imagekatastrophe ließ ihn erschaudern. Ein Glück, dass er schon ein alter Mann war und er vielleicht noch vor dem medialen Super-GAU ins Himmelreich auffahren könnte - aber in Wirklichkeit fühlte er sich topfit. Das war seine große Mission - er hatte keinen Maulkorb angedroht bekommen und so formten seine Gedanken spitzbübisch die imaginären Schlagzeilen, deren harmloseste immer noch nach: „Die katholischen Kamikaze“ schmeckten …

       Crypto City - Fort Meade

      Jake Jacob tobte vor Wut. „Natürlich habe ich es für einen Scherz gehalten, dass die Franzmänner ein historisches Relikt aus dem Meer mit einer M-16 beschießen!“ Am anderen Ende der Leitung war sein Vorgesetzter - der ranghöchste NSA-Executive und Kommandant des UNITED STATES CYBER-COMMAND und faltete ihn komplett zusammen.

      Von seiner Position her war Jake der Mann, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten einmal pro Monat die Targetliste zusammenstellte und präsentierte, auf der alle gewünschten Einsatzziele der unbemannten Kampfdrohnen aufgelistet waren.

      Insofern hatte Jake seinen Daumen direkt am „dicken Abzug“, wie er sich gerne auszudrücken pflegte, aber natürlich war es letztendlich Präsident Barack Obama, der den Trigger auch wirklich durchzog. Trotzdem war Jake der verlängerte Arm seines Präsidenten, der außerdem auch alle Satelliteneinsätze der NSA koordinierte, die im Sicherheitsausschuss des Pentagons beschlossen wurden.

      Seit drei Minuten lief auf allen Schirmen des NSA-Headquarters die Sequenz der High-Speed-Kamera aus der Sorbonne in Paris.

      Wie in einem choreographisch perfekt geplanten Werbefilm sah man auf einem knappen Dutzend Bildschirmen und einem Beamer das extrem verlangsamte Hochgeschwindigkeitsgeschoss - immer und immer wieder aus verschiedenen Perspektiven gefilmt - einschlagen und wie von einem Trampolin wurde es zurück geschleudert und verschwand - vollkommen verformt aus dem jeweiligen Kamerafokus.

      „Wie sind wir eigentlich an diese Aufnahmen gekommen - oder ist das Material etwa gar auf Youtube zu sehen - bitte sagt mir, dass das nicht wahr ist.“ - „Nein, das haben die Franzmänner in einem angeblich sicheren Cloud-Service abgelegt - na und weil wir bei der Präsentation des Würfels und den Experimenten nicht eingeladen waren - haben wir die Cloud der Sorbonne gehackt und schon hatten wir alles, was die da bis jetzt abgelegt haben.“

      Das war die Stimme von Alex Kowalski, dem persönlichen Adjutanten von Jake Jacobs, der mit ordentlichem Bürsten-haarschnitt jedem Redneck-Comic zur Ehre gereicht hätte. Jake schüttelte grinsend den Kopf und fragte sich, wie man so dumm sein konnte, der Integrität von Cloud-Servern zu vertrauen. Hatte diese Leute denn noch nie etwas von den Möglichkeiten der NSA gehört?

      Der absolute Schutz vor Zerstörung war nicht nur einmalig, sondern qualifizierte den Würfel zu einer potentiellen Waffe - was könnte man aus diesem Material noch so alles anfertigen - zum Schutz - oder zum Angriff. Anderseits hatte Jake das Gefühl, dass ein Objekt, welches Jahrhunderte unter Wasser vor sich hingegammelt hatte, doch nicht wirklich gefährlich sein konnte. Da er öffentlich als vorbildlicher Christ galt - in Wirklichkeit eher abergläubisch war und gewisse Ticks mit sich herum schleppte, war für ihn - jenseits aller Erklärungsmodelle - eine gewisse spirituelle Kraft dafür verantwortlich, dass der Würfel unzer-störbar war. Diesen Verdacht behielt er aber lieber für sich - denn er wollte sich ja auch nicht lächerlich machen. Dennoch hatte er instinktiv keinerlei Angst, dass dieses Relikt in irgendeiner Weise den Lauf der Geschichte - oder gar seiner Geschichte - beeinflussen könnte.

      „Kowalski - wir müssen das mit den geklauten Videos als absolut Top-Secret laufen lassen. Wenn die „Frenchis“ in Paris mitbekommen, dass wir ihre Cloud abgesaugt haben, dann laden die da garantiert nichts mehr spannendes hoch. Außerdem sollten wir mal schnell in Erfahrung bringen, wo sie das Original hingebracht haben, denn der Würfel in der Ausstellung kann ja wohl unmöglich das Original sein. So doof können nicht mal die Franzmänner sein.“

      „Redneck-Kowalski“ ratterte seine Infos wie eine Maschine herunter: „Es gibt nur drei mögliche Standorte, die auch wir als „einigermaßen sicher“ einstufen würden. Durch die erhöhte Kommunikation und durch Datenauswertung der Netzaktivitäten der vergangenen Tage haben wir mit 95%ger Sicherheit den aktuellen Standort des Würfels eindeutig analysiert.

      Es handelt sich um eine unterirdische Ausweichzentrale für die französische Regierung - absolut unangreifbar - atombomben-sicher - die können da unterirdisch 2 Jahre autark leben, wenn sie das wollen - da gibst sogar ein Schwimmbad und Fitnesscenter und Kino etc.“

      Jake unterbrach ihn unwirsch: „Ich will keine Urlaubs-beschreibung und es interessiert mich einen feuchten Dreck, wie lange die Froschfresser in ihrem Tunnel überleben können. Ich will wissen: Wie kommen wir da rein und zwar sofort?“

      „Redneck Kowalski“ wäre nicht seit vier Jahren der Adjutant des mächtigen NSA-Generals, wenn es ihm nicht hin und wieder gelungen wäre seinen cholerisch nörgelnden Chef aufs Angenehmste zu überraschen und so wurde aus seiner harten Maske mit einem kleinen Lächeln ein verschmitzt grinsender Mann, der die Wirkung seiner wenigen Worte Silbe für Silbe zum Besten gab: „Boss, wir sind schon seit zwei Tagen vor Ort und zwar ganz vorn dran. Die Anlage selbst ist wohl anscheinend nicht mal mit einem unserer stärkstem Bunker-Buster zu knacken - wir werden den Würfel also auf keinen Fall dort rausholen können, wenn wir nicht Krieg spielen wollen!“

      „Hauptsache, die Anderen können das auch nicht“ - Jake war einigermaßen zufrieden und ließ sich das Dossier von Kasha Muratti bringen. Als er den Umschlag öffnete und die ersten Bilder von Kasha sah, entwich ihm ein leiser Pfiff: „Das ist ja mal ein Rohr - Wow. Warum hab ich die noch nie kennen gelernt??“

       Deep Search Two

      KC hatte in seinem Missionskatalog frech den „Deep Search One-Eintrag“ in „Deep Search Two“ umgetauft und war angesichts der bevorstehenden Expedition bestens gelaunt. Was ihm ein wenig Sorgen bereitete, war der Umstand, dass das Forschungsschiff diesmal wirklich „ausgebucht“ war und deshalb befürchtete der Meisterhacker Engpässe bei seiner Verpflegung. Deshalb hatte er diesmal ein eigenes Set an Angelhaken und sogar eine Harpune dabei und würde sich somit im „Notfall“ selbst nahrungstechnisch aufmunitionieren.

      Auf