Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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ein Ende, bedauerlicherweise.

      Aber nun steht ihr vor eurer zweiten Chance, Namenloser, und ich zweifle daran, dass ihr diese nicht nutzen wollt. Euer Menschenweib ist tot, zu Asche zerfallen vor langer Zeit.

      Besinnt euch und kehrt dahin zurück, wo ihr hingehört. <<

      Der Namenlose schüttelte jedoch energisch den Kopf.

      Sprach der Dämon die Wahrheit? Hatte er in seinem früheren Leben gefoltert, gemordet, Gräueltaten begangen? Er hatte keine Erinnerung daran, aber er wusste tief in seinem Inneren, dass Dämonen logen und betrogen, um ihre Ziele zu erreichen und um Verzweiflung zu säen.

      Er selbst war ein Wesen des Abgrunds, ein Geschöpf der Nacht; dieser Erkenntnis musste er sich stellen, ob er wollte oder nicht.

      Sein Herz schlug wie verrückt, er spürte das Blut durch seine Adern rasen.

      Aber machte ihn das zu einem Menschen? Hatte er sich wirklich verändert oder war er, tief in seinem Inneren, noch ein solch abscheuliches Geschöpf wie Zephalot?

      Nein, verkündete eine Stimme in seinem Herzen, du gehörst nicht mehr zu den Dienern des Bösen.

      Du hast dich abgewandt von ihnen, zu Recht, und bist dadurch zu etwas anderem geworden.

      Vielleicht kein Mensch, aber immerhin ganz sicher kein Dämon mehr!

      Der Namenlose wich noch weiter von Zephalot ab, der ihn daraufhin wütend anstarrte.

      >>Die Menschen werden untergehen, << verkündete er in unheilschwangerem Tonfall, >>und du wirst mit ihnen fallen, wenn du nicht deiner wahren Bestimmung folgst.

      Der Gebieter wird nicht ruhen, ehe er dich vernichtet hat, dessen sei gewiss.

      Noch hast du die Möglichkeit, dich eines Besseren belehren zu lassen, also bring dein schwaches Menschenherz zum Schweigen und bedenke, welche Macht du erlangst, wenn du zurückkehren würdest. Was können die Sterblichen dir bedeuten, dir, der du die Armeen des Dunklen Landes angeführt hast und ein Fürst unter den Dämonen gewesen bist?!

      Warum willst du deine Existenz für diese unwürdigen Sterblichen aufs Spiel setzen? <<

      Zephalot streckte seine Hand aus, um sie dem Namenlosen zu reichen.

      >>Schlag ein, Bruder, und folge mir in die Heimat.

      Wende dich ab von all dem Kummer, dem Schmerz und Leid, welches dir die Menschen beschert haben. Nimm deinen Platz unter uns wieder ein und hilf dabei, diesen Kontinent zu erobern. <<

      Doch der Namenlose schlug nicht in die ihm dargebotene Hand ein.

      Schweigend wandte er sich von Zephalot ab und ging davon.

      Nur einen Wimpernschlag später stieg er als schwarzer Rabe wieder in die Lüfte.

      >>Du bist ein Narr, << rief Zephalot ihm nach, >>und du rennst offenen Auges in dein Unglück! <<

      ****************

      Der Gang war schmal, Wasser tropfte von der Decke herab und bildete dort kleine Pfützen und Rinnsale. Ein dumpfes Dröhnen drang aus der Tiefe des Berges herauf.

      Die Luft schmeckte abgestanden, roch muffig und verbraucht.

      Eine kleine Gestalt bewegte sich durch den Stollen, tastete sich im matten Licht einer einzelnen Kerze vorwärts, langsam und vorsichtig.

      Es war ein Zwerg, und sein Name lautete Grolim.

      Er war auf dem Weg zur Oberfläche, denn sein Stamm hatte ihn verbannt.

      Grolim hielt inne, um zu verschnaufen und ließ sich auf einem trockenen Vorsprung nieder.

      Betrübt dreinschauend beobachtete er die Kerzenflamme und seufzte.

      Wie war er nur in diesen Schlamassel hineingeraten?

      Vor wenigen Tagen noch war er noch Teil eines Stammes von Zwergen gewesen, der tief unter dem Berg in ihren gewaltigen Felsenhallen lebte, und dies schon seit undenklichen Zeiten.

      Er war der Sohn eines Bergmannes, der wiederum Sohn eines Bergmannes gewesen war.

      Diese Arbeit, diese Aufgabe wurde seit etlichen Generationen in Grolim’s Familie weiter vererbt.

      Und Grolim hatte schon früh ein Gespür für diese Arbeit bewiesen.

      Er konnte gutes von minderwertigem Erz unterscheiden, allein durch den Geruch.

      Seine Schmiedearbeiten waren stets von herausragender Qualität und fanden unter seinesgleichen reißenden Absatz.

      Und er befolgte die Traditionen und Gesetze buchstabengetreu, ließ sich nie eine Verfehlung zuschulden kommen und wurde, trotz seiner Jugend, schon als Dragduk gehandelt.

      Die Dragduk waren die Rechtsbewahrer unter den Zwergen und genossen neben den Stammesführern den größten Respekt.

      Doch dann geschah vor zwei Tagen das Unglück, welches das Leben Grolim’s für immer verändern sollte.

      Tief unten im Berg war eine Gruppe von Pionieren auf eine vielversprechende Kupfererzader gestoßen, doch sie durften erst mit dem Abbau beginnen, wenn ein Erzmeister die Qualität des Rohstoffs geprüft und für abbauwürdig befunden hatte.

      Grolim war ein Erzmeister, also rief man ihn hinab.

      Und tatsächlich stellte er fest, dass das Erz von ungewöhnlich hoher Reinheit war und somit gefördert werden konnte.

      Doch kaum hatte sich der erste Trupp Zwerge an die Arbeit gemacht, da erschütterte eine Explosion den Stollen und brachte ihn fast gänzlich zum Einsturz.

      Im Nachhinein schämte sich der junge Zwerg dafür, dass er nicht daran gedacht hatte, das Gestein nach Einschlüssen von Grubengas zu überprüfen. Dieses trat gerade dort häufig auf, wo sich besonders reines Erz fand, doch Grolim hatte sich zu sehr darüber gefreut, auf solch eine ergiebige und hochwertige Erzader gestoßen zu sein, die ihm und seiner Familie für lange Zeit Wohlstand in Aussicht stellte.

      Grolim und viele andere Zwerge wurden unter Tonnen von Gestein begraben, und noch immer konnte sich der junge Zwerg daran erinnern, wie ein gewaltiger Felsbrocken auf ihn gestürzt war und getötet hatte.

      An diesem Punkt kam Grolim mit seinen Überlegungen ins Wanken.

      Natürlich hätte der Fels ihn erschlagen müssen, und er dachte mit Grausen daran, wie diese Tonnen aus Stein das Leben aus ihm gequetscht hatten.

      Hier aber wurde es schwierig, denn Grolim war ins Leben zurückgekehrt, obwohl sein Leib zerschmettert worden war.

      Sein eigener Vater hatte seinen leblosen Körper ausgegraben und ihn in der Totenhalle aufgebahrt, in jener kalten und düsteren Kaverne, wo man alle verstorbenen Zwerge für die Totenwache niederlegte, ehe sie eingeäschert wurden.

      Und dort war Grolim erwacht, hatte den Staub aus seinen Lungen gehustet und seinen entsetzten Vater gefragt, wo er sei und was geschehen wäre.

      Dieser war geflohen, kehrte aber bald darauf mit dem obersten Dragduk zurück, einem finster dreinblickenden Zwerg, der ihn genau unter die Lupe nahm und als Erster die seltsamen Linien entdeckte, die sich in die Haut auf Grolim’s Unterarmen abzeichneten.

      Daraufhin erklärte er, dass es sich bei dem jungen Zwerg nicht länger um den Grolim handelte, den sie alle kannten, sondern um einen Wiedergänger.

      Ein bösartiger Grubengeist hätte von seinem Körper Besitz ergriffen, und es gäbe nur eine Lösung, nämlich die Verbannung.

      Grolim’s Beteuerungen, er wäre kein Untoter und wüsste gar nicht, was mit ihm geschehen sei, nützten nichts.

      Man reichte ihm die brennende Kerze, seine Handaxt und führte ihn in die oberen Bereiche der Mine, wo man ihm das Haupt und das Kinn kahl schor und dann allein ließ.

      Der