Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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Eigentum kennzeichnete.

      Danae war dort eingraviert, in der Runenschrift ihres Volkes.

      Doch warum lebte sie noch?

      Erst jetzt schob sich dieser Gedanke gänzlich vor alle anderen Überlegungen in ihrem Kopf.

      Hätte der Pfeil sie getroffen, als sie noch auf der anderen Seite war, dann hätte der Treffer nichts bewirkt, doch jeder wusste, dass dieser besondere Schutz verging, sobald man sich in die Welt alles Sterblichen wagte.

      Danae spürte den Verfall, denn in dieser Welt verging die Zeit in den Bahnen, welche die Schöpfer ihr vorher bestimmt hatten.

      Alles musste hier vergehen, und selbst die Angehörigen ihres Volkes alterten hier, wenn auch sehr viel langsamer als alles andere.

      Doch Danae, die dieses Gefühl von früheren Aufenthalten her noch kannte, spürte, dass nun etwas anders war. Die Zeit, die sonst an ihrem Körper und ihrer Seele gezerrt hatte, glitt an ihr vorbei.

      Und das war ein ganz neues und angsteinflößendes Gefühl für sie.

      In ihrer Welt gab es nur Stillstand, hier hätte es anders sein müssen, nämlich so, wie sie es gewohnt war.

      Sie strich sich die störenden Haare aus dem Gesicht und berührte dabei die Spitzen ihrer Ohren.

      Diese waren ein untrügliches Zeichen dafür, zu welchem Volk sie zählte, denn alle Elfen, gleich welcher Art, hatten spitz zulaufende Ohrmuscheln.

      Ein Tropfen Wasser glitt von ihrer Stirn über ihren Nasenrücken und tropfte auf ihren Unterarm.

      Es zischte leise, als das Wasser die Haut berührte und augenblicklich verdampfte.

      Danae sah auf ihre Unterarme und stellte fest, dass sich dort Linien abzeichneten.

      Sie ähnelten den Hautmalereien der alten Schamanen ihres Volkes.

      Die Weisen zeichneten sich Bilder und Runen auf ihre Haut, um ihren Rang und ihr Wissen um die geheimen Künste damit zu verdeutlichen. Dafür nutzten sie Farbstoffe, die sie von bestimmten Pflanzen gewannen, doch Danae erkannte sofort, dass die Linien auf ihrer Haut nicht bloß aufgemalt waren.

      Danae war zwar bewandert in der Ausübung magischer Künste, doch sie war sich im Klaren darüber, dass sie, bedingt durch ihre Jugend, noch nicht als wahre Meisterin galt.

      Diese Linien aber ließen sie ahnen, dass mit ihr etwas geschehen war, was eindeutig nichts mit dem Auftrag zu tun hatte, den die Ältesten ihr erteilt hatten.

      Sie hätte tot sein müssen, war es aber nicht.

      Und nun tauchten diese Linien auf ihren Unterarmen auf.

      Irgendetwas oder irgendjemand hatte sie gezeichnet, aber nicht nur sie.

      Dieser Gedanke schoss ihr urplötzlich durch den Sinn, und es war keine Überlegung, sondern eine Gewissheit, deren Ursprung sie sich nicht erklären konnte.

      Sie spürte das Verlangen in sich aufsteigen, andere zu suchen, die über die gleichen Zeichen wie sie verfügten.

      Dafür musste sie zuerst aber den Dunkelwald verlassen, in dem sie sich befand.

      Hier hatte ihr Volk einst gelebt, ehe es sich zurückgezogen hatte, und hier war das einzige Portal der Waldelfen des Dunkelwaldes.

      Sie wusste, dass sie nach Norden musste, um ihre anderen Gefährten finden zu können, auch wenn ihr nicht ganz klar war, warum ihr der Begriff Gefährten in den Sinn gekommen war.

      Ein leises Rascheln ließ Danae aufhorchen.

      Jemand oder etwas näherte sich ihr und versuchte dabei, so lautlos zu sein wie eben möglich.

      Waldelfen hatten seit Anbeginn der Zeit in Harmonie mit der Natur gelebt und gelernt,

      sich wirkungsvoll zu tarnen. Es war ihnen so möglich geworden, mit ihrer Umgebung eins zu werden, zu verschmelzen. Danae duckte sich und verbarg sich zwischen den breiten, fächerartigen Blättern eines Farns. Wenige Sekunden später hatte ihre Haut die Musterung und Farbe der Pflanze angenommen, so dass sie kaum noch zu sehen war.

      Aus dem Dickicht trat der Soldat, dem sie kurz vorher entkommen war.

      Er hielt ein Schwert in den Händen und atmete schwer, denn obwohl die Luft warm, geradezu schwül war, trug er eine schwere Lederrüstung, Handschuhe und einen dicken Mantel.

      Schweiß rann über seine Stirn und ließ sein vor Anstrengung gerötetes Gesicht glänzen.

      Ganz langsam setzte er einen Fuß vor den anderen, während seine Augen den weichen Boden absuchten. Als er die Pfütze erreichte, in die Danae gefallen war, blieb er stehen und starrte darauf hinab, dann sah er sich misstrauisch um.

      >>Ich kriege dich, du verdammte Hexenbrut, << flüsterte er zornig.

      Danae, die sich bisher nicht gerührt hatte, ließ ihre Hand langsam zu einem kleinen Beutel hinab wandern, der an ihrem Gürtel hing. Sie griff hinein, zog die Hand wieder hervor und hob sie sachte vor den Mund. Als sie die Hand öffnete, lag darauf ein graugrünes Pulver.

      Sie blies den Staub in Richtung des Mannes und beobachtete, wie die Substanz rings um die Füße des Soldaten auf den Waldboden rieselte.

      Augenblicklich wuchsen Ranken aus der Erde, die sich völlig geräuschlos um die Stiefel des Mannes wanden.

      Zu spät bemerkte dieser, was vor sich ging, versuchte noch, sich loszureißen, kam aber ins Straucheln und stürzte. Sofort griffen die dünnen Ranken nach dem Rest seines Körpers, klammerten sich an seine Brust und umschlangen seine Arme und den Hals.

      Je mehr der Soldat sich gegen die Pflanze wehrte, desto stärker schnürte das Gewächs ihn ein.

      Schlussendlich hatte ihn die Ranke ihn komplett umfangen und der Mann lag nun fluchend, aber völlig bewegungsunfähig, in diesem grünen Kokon.

      Danae löste ihre Tarnung auf und erhob sich wieder.

      Der Mann riss überrascht die Augen auf und begann erneut damit, sich gegen die Umklammerung des Rankengewächses zu wehren, doch bereits nach wenigen Regungen schnürte diese ihm auch die letzte Luft ab. Erschöpft und außer Atem gab er es schließlich auf und richtete seinen hasserfüllten Blick auf die Elfe:

      >>Na los, tu es schon, töte mich, << sagte er.

      Danae zog einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne ihres Bogens.

      >>Warum habt ihr mir aufgelauert? , << verlangte sie zu erfahren.

      >>Wer hat euch damit beauftragt, mich zu töten? <<

      Der Soldat verzog schmerzerfüllt das Gesicht, als eine weitere Ranke sich um seinen Hals schlang.

      >>Du bist eine Hexe, welchen Grund bräuchten wir da noch? , << erwiderte er finster.

      Danae schüttelte den Kopf.

      >>Hexen kennt eure Welt seit vielen Jahrhunderten, ebenso wie Zauberer.

      Das ist sicher nicht der Grund dafür, warum ihr mich gejagt habt.

      Ihr wusstet, wann und wo ich erscheinen würde, also sagt mir, wer euch das verraten hat.

      Die Pflanze wird euch weiter umschließen und euch die Luft rauben, es sei denn, ich gebiete ihr,

      das nicht zu tun. <<

      Der Mann sah Danae voller Verachtung an, doch er schien zu begreifen, dass er keine andere Wahl mehr hatte.

      >>Es war Juras, der Erste Kanzler des Prinzen von Amargath, << brachte er mühsam hervor, denn die Pflanze schnürte ihm weiterhin die Luft ab.

      >>Er hat uns beauftragt, heute, zu einer genau von ihm bezeichneten Stunde, hier auf euch zu warten. Wir sollten nicht zögern und euch sofort töten, sobald ihr das magische Portal verlassen