Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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klingt ja geradezu mystisch, << sagte Oblivan fasziniert und amüsiert zugleich.

      >>Seid ihr denn ein Priester, mein namenloser Freund?

      Oder einfach nur ein Abenteurer? Ihr sprecht in Rätseln, junger Freund. <<

      Gai konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn wenn er seinen eigenen Worten lauschte, klangen sie selbst für ihn sehr nebulös und rätselhaft.

      >>Nennt mich Gai, << erwiderte er dann, >>und was meine Worte angeht, so macht euch keine allzu großen Gedanken darum.

      Ich bin kein Priester, aber scheinbar folge ich einem Pfad, den die Götter oder das Schicksal mir geebnet haben. Ich werde euch vielleicht einmal davon berichten, aber nicht heute. <<

      Oblivan zog seinen Mantel fester um seine Schultern und setzte seine Mütze wieder aufs Haupt.

      >>Jeder hat seine kleinen Geheimnisse, << verkündete er, >>doch keiner weiß, was die Götter jedem Einzelnen von uns vorherbestimmt haben. Lasst uns die Nacht hier verbringen und am Morgen aufbrechen. Es ist ein langer Weg durch den Blauen Forst, den wir tunlichst in einem Stück hinter uns bringen sollten. Ich will nicht mitten im Forst mein Lager aufschlagen müssen, wenn das Land von Orks oder Schlimmerem heimgesucht wird. <<

      Und so legten sich die beiden zur Ruhe, auch wenn keiner der beiden in dieser Nacht einen erholsamen Schlaf fand.

      **********************

      Das erste Geräusch, was sie vernahm, war die Stimme eines Mannes.

      Sie klang hohl und blechern, ertönte aber in unmittelbarer Nähe.

      Ihr Gesicht lag auf weichem Gras, dessen süßlicher Geruch ihr in die Nase stieg und tief in ihr etwas anzurühren schien.

      >>Der Letzte hat genau gesessen, << sagte die Männerstimme.

      Schritte erklangen, die sich ihr näherten, dann sprach eine zweite Männerstimme:

      >>Ein sauberer Schuss, das muss ich euch lassen. Direkt ins Herz, und das, obwohl sie sich bewegt hat. Aber lasst es uns beenden. Nehmt ihre Waffen und werft sie mit ihr ins Feuer. <<

      >>Sie sollte verbrannt werden, ja, aber um diesen Bogen wäre es doch zu schade, << erwiderte die erste Männerstimme.

      >>Keine Widerworte, << zischte der zweite Mann wütend, >>ihr kennt den Befehl.

      Sie und all ihr Hab und Gut sollen verbrannt werden.

      Ich hätte nicht gedacht, dass wir sie überhaupt noch erwischen.

      Habt ihr gesehen, wie schnell sie war? Ich habe schon gegen manch guten Gegner gekämpft, aber so viel Geschick und Schnelligkeit ist mir noch nie begegnet. <<

      >>Sie ist auch kein Mensch, Korporal, << erwiderte der Erste.

      >>Hätte nie zu träumen gewagt, einmal eine von denen zu Gesicht zu bekommen.

      Aber es stimmt, was man über sie erzählt. Hässlich ist sie wahrlich nicht. <<

      >>Führt den Befehl aus, Soldat, << brummte der Korporal.

      Sie spürte, wie dieser sich wieder von ihr entfernte, doch im gleichen Moment fiel der Schatten des zweiten Mannes auf sie.

      Er setzte einen Fuß auf ihren Rücken und zog an etwas, das sich dort befand.

      Sie spürte den Ruck, als das Etwas aus ihrem Körper glitt.

      Im selben Augenblick zuckte ein fürchterliches Brennen durch ihre Arme.

      Jeder Nerv ihres Körpers schien vor Schmerz aufzuschreien.

      Ruckartig fuhr sie herum, packte den Fuß des überraschten Mannes und riss ihn zu Boden.

      Ein Pfeil, den er in seiner Hand gehalten hatte, entglitt seinen Fingern, segelte durch die Luft und landete in ihrer offenen Hand, woraufhin sie einfach nur noch zustieß.

      Mit einem Satz war sie auf den Beinen, packte den Bogen samt Köcher neben dem sterbenden Soldaten und rettete sich mit einem weiteren Sprung ins schützende Unterholz.

      Denn schon hatte der zweite Mann seinen Bogen gespannt und ließ einen Pfeil von der Sehne schnellen, der jedoch nur noch durch leere Luft pfiff, statt sein Ziel zu erreichen.

      Von Panik und blindem Entsetzen getrieben jagte sie durch das dichter werdende Unterholz, ignorierte die Äste, die ihr ins Gesicht schlugen und dort blutige Striemen hinterließen.

      In der Ferne vernahm sie das zornige Gebrüll des Korporals, doch sie ließ sich nicht beirren, rannte weiter und floh.

      Die Rufe wurden leiser und verklangen schließlich, doch sie stürmte weiter durch den Wald,

      bis sie schließlich strauchelte und der Länge nach hinfiel.

      Wasser spritze, ihr Gesicht tauchte in das kalte Nass, doch sofort riss sie den Kopf wieder hoch und spuckte die Flüssigkeit in ihrem Mund aus.

      Bewegungslos verharrte sie und lauschte gespannt, ob ihr jemand auf den Fersen war.

      Nach einer kleinen Weile begriff sie, dass sie nicht mehr verfolgt wurde und atmete erleichtert aus.

      Sie blickte auf das Wasser, in welchem sie lag und sah sich selbst in der Spiegelung.

      Ihr rotbraunes Haar hing nass über ihr Gesicht, doch der leichte Schimmer von Gold und Grün ihrer Haut wurde selbst vom aufgewühlten Wasser noch reflektiert.

      Sie zwang sich zum Aufstehen und blickte sich um.

      Über ihr erhoben sich die dicht bewachsenen Kronen gewaltiger Bäume, deren Schatten die Umgebung in diffuses Zwielicht tauchten.

      Vögel saßen in den Ästen und trällerten ihre Lieder, als wäre nichts geschehen.

      Feuchtes Moos glänzte auf den Wurzeln jener Bäume, die um sie herum aufragten.

      Die Frau ließ sich unter einem von ihnen nieder und prüfte ihren Bogen.

      Dieser war unbeschädigt, wie zu erwarten war.

      Es war ein guter Bogen, gefertigt aus dem Geweih eines Weißhirsches.

      Ihr Köcher enthielt noch etliche Pfeile, denn sie war nicht dazu gekommen, diese abzufeuern, als der Angriff aus dem Hinterhalt begann.

      Sie erinnerte sich genau an die Geschehnisse der letzten Minuten.

      In dem Moment, als sie das Portal verlassen hatte, war schon der erste Pfeil auf sie abgefeuert worden. Dieser hatte sie verfehlt, ebenso wie der zweite Pfeil, dem sie hatte ausweichen können.

      Doch der Dritte hatte sie getroffen, ihr Lederhemd durchbohrt und ihr Herz getroffen.

      Ein tödlicher Treffer, selbst für jemanden von ihrem Volk.

      Doch dies war im Moment zweitrangig für sie.

      Die beiden Männer, wer immer sie auch gewesen waren, hatten auf sie gewartet und ihr aufgelauert.

      Sie hatten gewusst, dass sie erscheinen würde, und wann.

      Aber wie war das möglich?

      Es waren Menschen gewesen, ohne Zweifel. Jäger, die damit beauftragt worden waren, sie zu töten.

      Woher hatten sie gewusst, wo sie sich auf die Lauer zu legen hatten?

      Und wer hatte sie beauftragt?

      Seit mehr als hundert Menschenjahren war sie die erste ihrer Art, die wieder einen Fuß in diese Gefilde gesetzt hatte.

      Man hatte sie beauftragt, zu kontrollieren, was auf dieser Seite vor sich ging, nachdem es seltsame Erscheinungen in der Welt ihres Volkes gegeben hatte.

      Sie strich geistesabwesend