Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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sie sich vielleicht sogar in all den Jahren dort versteckt gehalten?

      Möglich wäre es, dachte Gai, denn kaum ein vernünftiger Mensch wagte es, tiefer in das Gebirge einzudringen. Zu groß war die Furcht vor Lawinen, plötzlichen Erdrutschen und den ungenannten Schrecken, die das Gebirge beherbergen sollte.

      Aber Gai wusste, woher auch immer, dass sein Weg zuerst nach Südwesten führen musste.

      Er hatte sich durch die Trümmer der Stadt gewühlt, um noch ein paar brauchbare Sachen zu finden, doch abgesehen von einem Kapuzenmantel und einem Paar Stiefel, das ihm zu groß war, hatte er nichts finden können. Die Orks hatten alle Waffen, alle Nahrungsmittel und Kleidungsstücke geraubt.

      Und jene Dinge, die sie nicht gestohlen hatten, waren ein Opfer der Flammen geworden.

      Gai hatte einen Weg eingeschlagen, der ihn am Rande des Waldes entlang führte.

      Der Blaue Forst, ein dichter und düsterer Wald, war alt und wurde von denen, die in seiner Umgebung lebten, gemieden. Nur die Mutigsten wagten es, dort zu jagen oder Holz zu schlagen,

      denn es gab unzählige Schauergeschichten, die von den Gefahren in diesem Wald berichteten.

      Gai, der sein ganzes bisheriges Leben innerhalb der Stadtmauern verbracht hatte, fühlte sich unsicher, ihn fröstelte.

      Doch eine innere Stimme trieb ihn vorwärts, in Richtung Südwesten.

      Während er durch das Dickicht am Rande des Forstes wanderte, behielt er die grasbewachsene Ebene und die angrenzenden Felder genau im Auge.

      Die Sonne stieg höher und höher, doch auch sie vermochte durch ihre Strahlen nicht die Kälte aus dem jungen Mann zu vertreiben.

      Zur Mittagsstunde legte Gai eine Pause ein, ließ sich auf einem umgestürzten Baum nieder und blickte zurück in Richtung Warma.

      Trotz der Strecke, die er bereits zwischen sich und die zerstörte Stadt gebracht hatte, konnte er noch immer die schwarze Rauchsäule aufsteigen sehen, die von der Zerstörung seiner einstigen Heimat kündete.

      Das Land ringsum war dünn besiedelt, es mochte also Tage dauern, bis die Nachricht von der Vernichtung Warma’s die anderen großen Städte erreichen würde.

      Die Heerschaar der Orks war nach Südosten abgezogen, vermutlich in Richtung Jukno.

      Die Hauptstadt des nördlichen Königreiches war angeblich besser geschützt, als es Warma gewesen war, doch Gai zweifelte daran, dass sich dieser brutal vorgehenden Horde von Unholden irgendetwas lange widersetzen konnte.

      Ihn hungerte und der Frost ließ seine Zähne klappern vor Kälte.

      Sein Blick fiel auf einen Haufen Reisig, der neben dem Baum lag.

      Hätte er doch wenigstens Feuerstein und Stahl bei sich, ging es ihm durch den Kopf, so hätte er zumindest ein Feuer entzünden können, um sich zu wärmen, aber in den Trümmern der Stadt hatte sich wirklich nichts Brauchbares mehr finden können.

      Verärgert wischte er mit der Hand durch die Luft, als wolle er damit versuchen, seine Gedanken zu vertreiben.

      Ein Knall ertönte, Funken sprühten aus dem losen Reisighaufen, und wenige Sekunden später stand dieser in Flammen.

      Erschrocken und überrascht zugleich sprang Gai auf, stolperte über den Baum und fiel rücklings zu Boden. Dank seiner guten Reflexe war er aber sofort wieder auf den Beinen und betrachtete das prasselnde Feuer zu seinen Füßen.

      Hier war Magie am Werk, ging es ihm durch den Sinn.

      Nichts anderes hätte die feuchten Äste so schnell entzünden können, wenn nicht Zauberei.

      Aber wie war das möglich?

      Er selbst hatte nie Anzeichen für eine magische Begabung bei sich entdecken können, wie also war er dazu plötzlich in der Lage?

      Gai kletterte über den Baum und hockte sich vor das Feuer, um sich daran zu wärmen.

      Er war dankbar für dieses kleine Wunder, doch gleichzeitig spähte er misstrauisch hinter und um sich herum in den Wald, als würde er erwarten, dass schon im nächsten Moment jemand hervor treten würde.

      Doch er war allein, wie er feststellen musste.

      Also, dachte Gai, muss ich dieses Feuer entfacht haben. Aber wie?

      Er hielt die Hand über die aufflackernden Flammenzungen und sagte:

      >>Werde kleiner, aber verlösche nicht. <<

      Augenblicklich sank das Feuer in sich zusammen und wurde zu einem matten Glimmen zwischen den dünnen Ästen.

      Verblüfft betrachtete Gai seine Handfläche.

      >>Werde größer, << sagte er und hob die Hand über dem Feuer etwas.

      Die Flammen begannen zu zucken und wuchsen wieder aus dem Reisighaufen heraus.

      Gai lehnte sich mit dem Rücken an den umgestürzten Baum und starrte auf das langsam brennende Holz.

      Er konnte nicht begreifen, wie er plötzlich Zauber bewirken konnte, doch er spürte, wie sich Erschöpfung in seinem Körper breit machte.

      Müde zog er die Kapuze seines Umhanges über den Kopf, verschränkte die Arme vor der Brust und schlief ein.

      Ein Knirschen und Knacken im Unterholz riss ihn aus seinem traumlosen Schlaf.

      Er hatte jedwedes Zeitgefühl verloren, wusste nicht, wie lange er schlafend am Feuer gesessen hatte und sah zum Himmel hinauf, um die Tageszeit am Stand der Sonne zu erfahren.

      Es musste später Nachmittag sein, denn die grelle Scheibe stand schon recht tief.

      Wieder ertönte ein Knirschen, dann hörte er jemanden rufen:

      >>Heda, Fremder, darf ich mich zu euch gesellen? <<

      Gai war schlagartig wach und auf den Beinen. Während seine Hand nach dem unter dem Mantel verborgenen Dolch griff, sah er sich aufmerksam um.

      Einige Schritte entfernt von ihm stand ein Karren, der von einem zotteligen Kaltblüter gezogen wurde. Auf dem Kutschbock saß ein rundlich aussehender Mann in einem dicken Fellmantel, eine graue Wollmütze auf dem Kopf tragend.

      Der Mann schien nicht mehr der Jüngste zu sein, denn sein Gesicht war runzlig und wettergegerbt.

      Seine Knollnase schimmerte rötlich, doch in der Stimme des Fremden lag kein bedrohlicher Unterton.

      >>Ich habe euer Feuer gesehen, << verkündete dieser, >>und dachte, dass etwas Gesellschaft euch wohl nicht stören würde. Dürfen Catus und meine Wenigkeit uns an eurem Feuerchen wärmen? <<

      Gai entspannte sich, doch seine Finger hielten weiter den Griff des Dolches unter dem Mantel umschlossen.

      >>Wer seid ihr und wo ist euer Begleiter namens Catus? , << fragte er.

      Der Fremde grinste und deutete mit beiden Händen auf sein Pferd.

      >>Dieser Prachtbursche ist Catus, << verkündete er, >>und mich nennt man Oblivan.

      Ich bereise die nördlichen Lande und kaufe Felle für die Schneider in den südlichen Provinzen.

      Aber ich handle nicht nur damit, sondern biete auch andere Dinge für den täglichen Bedarf an.

      Wir sind schon seit den frühen Morgenstunden unterwegs und mich friert doch etwas, also dürfte ich mich zu euch gesellen? <<

      Gai nickte und setzte sich wieder neben das Feuer.

      Oblivan klatschte zufrieden in die Hände und kletterte von seinem Wagen herunter.

      Dies schien ihm nicht leicht zu fallen, immer wieder stöhnte und ächzte er und verfluchte seine alten, steifen Glieder. Er lockerte die Zügel von Catus, befreite