Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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dieser Welt existieren würde als eure bloße Asche. <<

      >>Woher wusste dieser Juras, wann und wo ihr mich erwarten solltet? , << fragte Danae.

      Der Mann drehte den Kopf, um besser atmen zu können und antwortete:

      >>Das hat er uns nicht verraten, aber er konnte uns den Ort eures Erscheinens genau beschreiben, nannte uns die exakte Stunde und befahl uns, kurzen Prozess mit euch zu machen.

      Juras ist ein mächtiger Hexenmeister, auch wenn er nicht den Anschein macht.

      Der junge Prinz war sein Lehrling und bezieht ihn in fast alle Entscheidungen mit ein.

      Lasst ihr mich jetzt gehen? <<

      Danae senkte den Bogen und steckte den Pfeil zurück in den Köcher.

      >>Ich denke, dass ich das nicht tun werde, << erwiderte sie schlicht, wandte sich ab und verschwand im dichten Unterholz des Waldes.

      Eine Weile hörte sie noch die wutentbrannten Schreie des Mannes, die sich bald schon in von Panik erfüllte Hilferufe wandelten, ehe sie verstummten.

      Danae war keineswegs kaltherzig, aber sie wusste, dass der Mann, wenn sie ihn befreit hätte, erneut zu einer Gefahr für sie geworden wäre.

      Früher hätte sie ihn vermutlich laufen lassen, doch nun schien etwas Neues in ihr zu sein,

      eine ihr fremde und unvertraute Härte im Herzen.

      Sie dachte eher wie eine Kriegerin, kalt und berechnend, nicht aber mehr wie die warmherzige und freundliche Elfe, die einstmals gewesen war.

      Sie schlug einen Weg ein, der in Richtung Norden führte, denn dort irgendwo, das wusste sie genau, würde sie ihre neuen Gefährten treffen.

      *********************

      Das Rasseln von Ketten erklang und hallte von den Wänden zurück.

      Er hatte sich bewegt, woraufhin das Metall leise schepperte.

      Die stählernen Ringe an seinen Hand- und Fußgelenken schnitten in seine Haut, denn Rost hatte sie über die vielen Jahre der Gefangenschaft angegriffen und scharfkantig werden lassen.

      Doch er spürte keinen Schmerz, wie er auch früher nie Schmerz gespürt hatte.

      Er öffnete die Augen und hob den Kopf.

      Er hockte auf einer runden Steinplatte inmitten einer fast völlig in Dunkelheit getauchten Höhle.

      Die Ketten, die seine Arme gefesselt hielten, hingen irgendwo über ihm im Dunkeln an Haken, die einst in den Fels geschlagen worden waren.

      Von dort oben kam auch der einzige Strahl fahlen Sonnenlichtes, der direkt vor ihm den Boden berührte.

      Wie lange war es her, dass er die Sonne zum letzten Mal gesehen hatte?

      Er konnte sich nicht mehr daran erinnern.

      Seine Gefangenschaft währte schon so unendlich lange, dass viele Dinge aus seinem Geist entschwunden waren. Vergessen konnte er nichts, das wusste er, doch nach einer halben Ewigkeit in diesem Kerker hatten seine Fähigkeiten sehr gelitten.

      Doch er spürte, dass sich etwas an ihm, in ihm verändert hatte, auch wenn er noch nicht genau zu benennen wusste, was es war.

      Welche Form hatte er? Er konzentrierte sich und spürte sofort, wie sein Körper auf seine Gedanken reagierte. Er war ein Mensch und fühlte, wie sein Herz in der Brust zu schlagen begann.

      Dies war die Form gewesen, die er gewählt hatte, kurz bevor er hier eingekerkert worden war.

      Gierig sog er die muffige, abgestandene Luft durch Mund und Nase ein, füllte damit seine Lungen und genoss das herrliche Gefühl, wieder Leben in sich zu spüren.

      Doch mit diesem Gefühl kam auch die Erinnerung daran zurück, warum er überhaupt in diesem Felsenkerker saß.

      Er hatte sich zu sehr zu den Menschen hingezogen gefühlt, hatte sich geweigert, an ihrem Untergang mitzuwirken und war dafür bestraft worden.

      Alles, was ihn einst ausgemacht hatte, hatten sie ihm damals genommen.

      Seine Waffen, seine Macht und … seinen Namen.

      Sie hatten ihn in Ketten gelegt, ihn verhöhnt, verspottet, geschunden.

      Nur sein Leben, seine Existenz, konnten sie ihm nicht nehmen, denn trotz allem war er ein Teil des großen Ganzen, ein Teil der ursprünglichen Schöpfung.

      Ein Bild zuckte kurz durch seinen Geist, schob sich für wenige Sekunden vor sein inneres Auge, um dann wieder zu verblassen, doch der kurze Moment genügte.

      Trauer und Scham stiegen in ihm auf, doch gleichzeitig auch Wärme.

      Die Empfindung innigster Zuneigung stellte sich gegen die Wut und Trauer in seinem Herzen, er fühlte sich hin und her gerissen.

      Wieder flackerte das Bild vor seinem geistigen Auge auf, ohne aber wieder zu verblassen.

      Es war das Gesicht einer jungen Frau mit rotbraunem Haar, grünen Augen und einer wie Gold schimmernden Haut. Ihre Wärme und Güte, ihre Liebe zu ihm waren einst der Grund gewesen, warum er sich von seinesgleichen losgesagt hatte und für die Menschen zu kämpfen begonnen hatte.

      Doch dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Hammerschlag.

      Seine Richter und Kerkermeister hatten in ihrem Hass auf ihn und seine (in ihren Augen) Schwäche ganze Arbeit geleistet und ihm nicht mehr von ihr gelassen als ihr Bild in seinem Geist.

      So sehr er sich bemühte, er konnte sich an nichts weiter erinnern als ihr Gesicht.

      Alles andere, ihr Name und die Augenblicke, die sie gemeinsam verbracht hatten, war ausgelöscht worden. Zurückgelassen hatte man nur das Gefühl der Sehnsucht und Liebe zu ihr, und dies war die grausamste Folter für ihn gewesen, seit dem Tage, als sie ihn hier eingesperrt hatten.

      Ein Schrei der Verzweiflung und des Schmerzes drang aus seinem Mund und hallte von den Wänden der Höhle wider.

      Er spürte, wie eine Träne an seiner Wange hinablief und von seinem Kinn zu Boden tropfte.

      Im gleichen Augenblick erklang ein Geräusch über ihm und kurz darauf stürzten beide Ketten, die seine Hände gefesselt gehalten hatten, mit lautem Krachen und Klirren herab.

      Die Ringe an seinen Hand- und Fußgelenken öffneten sich ebenfalls, so dass er diese ohne Mühe abschütteln konnte.

      Nach so langer Zeit war er endlich befreit aus seiner Gefangenschaft.

      Doch statt sich zu erheben und einen Weg aus dem Gefängnis heraus zu suchen, blieb er auf der Steinplatte hocken und überdachte seine Situation genau.

      Man hatte ihn eingesperrt, um ihn dafür zu bestrafen, dass er Mitleid gezeigt und sich geweigert hatte, das Vernichtungswerk, welches sein Herr begonnen hatte, mit fortzusetzen.

      Sie hatten ihn hier, wo auch immer dieses Hier sein mochte, eingesperrt, ihm seiner Kräfte beraubt und einen Großteil seiner Erinnerungen gelöscht.

      Wie viele Jahre, Jahrzehnte oder gar Zeitalter er hier verbracht hatte, wusste er selbst nicht zu sagen,

      doch aus für ihn unerfindlichen Gründen hatte seine Strafe nun ein Ende gefunden.

      Er zweifelte aber daran, dass man ihn begnadigt hatte.

      So dachten jene Mächte, denen er einst gedient hatte, nicht.

      Sein Körper war wieder erwacht, seine Seele in seine ausgelaugte, geschwächte Hülle zurückgekehrt.

      Aber was war der Grund dafür? Wem oder was verdankte er seine Rückkehr?

      Für einen kurzen Moment verschwand der schwache Lichtstrahl, und urplötzlich empfand er Furcht und Entsetzen deshalb. War dies alles eine Illusion, ein Teil