Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


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Gänge nicht zu verlaufen, gelangte aber ohne weitere Schwierigkeiten zum Ostflügel. Dort angekommen schlüpfte er durch die kleine Seitentüre, die zu den Stallungen führte, und atmete erleichtert auf. Der Duft von Pferdedung, Heu und Stroh stieg ihm in die Nase, als er die lang gestreckte Hütte betrat.

      Hier würde er alles Nötige für seine Flucht finden. Ein Pferd einen Sattel, und wenn er Glück hatte, auch noch ein wenig Proviant, der ihn sich anderswo zu besorgen eine Gefahr entdeckt zu werden darstellte. Gallan fiel auf, dass er schon seit mehreren Tagen keinen Bissen zu sich genommen hatte, als sein Magen beim Gedanken an Nahrung zu grummeln anfing. Er nahm sich vor, gründlich nach etwas Essbaren zu suchen und hoffte dabei auf die Satteltaschen, die über den Holmen hingen.

      Die Stallung war abgesehen von den erbärmlichen Hütten der Sklaven, die zu weit entfernt lagen, die einzige Möglichkeit sich Nahrung zu beschaffen. Kurz überlegte Gallan ob er es nicht doch riskieren sollte in den Behausungen der Sklaven danach zu suchen, verwarf jedoch diesen Gedanken sofort.

      Im Stall herrschte gähnende Leere und bis auf einig Pferde in den Boxen war er leer. Gallan rief laut nach den Stallburschen, die sich hier aufhalten mussten, doch auch nach seinem dritten Ruf tauchte keiner von ihnen auf. Er ging die Boxen entlang um sich ein kräftiges und ausdauerndes Pferd auszusuchen, da hörte er ein helles freudiges Wiehern.

      Sofort eilte er zu der Box, aus der das Wiehern kam, und sah eigentümlich berührt seinen großen schwarzen Hengst stehen, der ihn freudig begrüßte. Wenigstens Jarduk war ihm geblieben. »Na mein Guter, hast du dich einsam gefühlt?«

      Er öffnete den Verschlag und trat neben sein Pferd, das aufgeregt mit seinem Schweif die Luft peitschte, und tätschelte es am Hals. Er legte Jarduk eine Decke auf den Rücken und nahm den Sattel von der Halterung. Nachdem Jarduk gesattelt war, durchsuchte Gallan die Satteltaschen, die über den Querstangen der Boxen hingen.

      Vielleicht fand er hier Dinge, die ihm auf der Flucht dienlich sein würden. Bei einer Box stieß er auf einen Sattel, über den ein Pfeilköcher mit Bogen lag und an dessen Knauf ein Kurzschwert mit Scheide und Gürtel hing.

      Gallan legte den Gurt mit dem Schwert um, nahm den Köcher mit dem Bogen und befestigte ihn am Sattel. In den übrigen Satteltaschen fand er nur einen harten trockenen Kanten Brot und einige Streifen Trockenfleisch. Dazu nahm er noch eine Decke und einen Mantel mit, die auf einen der Sättel festgeschnallt waren, und befestigte sie an seinem eigenen.

      Angespannt öffnete Gallan die Stalltür einen Spaltbreit und spähte vorsichtig hinaus, ehe er tief durchatmete und Jarduk am Zügel aus dem Stall zog und sich auf seinen Rücken schwang.

      Im leichten Trab ritt er auf das weit geöffnete Tor zu, wobei seine ganze Aufmerksamkeit den Wachen auf der Mauer und denen, die vor dem Tor patrouillierten, galt.

      Beim ersten Anzeichen von Gefahr blieb ihm nichts anderes übrig als seinem Pferd die Sporen zu geben und auf das Tor zuzupreschen, ehe es geschlossen wurde. Zu seiner Beruhigung konnte er jedoch keine Anzeichen von Gefahr erkennen.

      Als er bis auf zwanzig Schritte auf das Tor herangekommen war, hob einer von den Soldaten die Hand zum Zeichen, dass er anhalten solle. Gallan zügelte Jarduk und hielt an.

      »Wer seid ihr und wo wollt ihr hin,« fragte der Soldat, während er mit einer Hand nach der Trense griff.

      Jarduk schüttelte unwillig seinen Kopf und stieß ein warnendes Wiehern aus. »Lasst das, Jarduk hat es nicht gerne, wenn ihn ein Fremder berührt,« warnte Gallan die Wache, die hastig ihre Hand zurückzog.

      »Ich bin Gallan der Sucher. Der Baron schickt mich in geheimer Mission nach Dangarar,« antwortete er auf die Frage der Wache, die verstehend nickte und seinen Kameraden das Zeichen gab, dass der Reiter passieren konnte.

      Mit gemischten Gefühlen ritt Gallan durch das Tor. Ihm war nicht wohl bei dem Gedanken den Wachen auf der Mauer den Rücken zu zeigen. Mit äußerster Beherrschung gelang es ihm, sich nicht nach den Wachen auf der Mauer umzusehen und somit Verdacht zu erregen.

      Gallan ritt mit einem mulmigen Gefühl weiter. Von der Festung führte eine breite von Pferdehufen und Wagenspuren aufgewühlte Spur weg, wie sie nur ein Heer hinterließ. Jetzt erriet Gallan, weshalb sich nur noch wenige Soldaten in der Burg aufhielten.

      Gallan jedoch plagten im Augenblick andere Sorgen. Jeden Atemzug erwartete er ein Alarmsignal, das die Wachen von seiner Flucht unterrichtete. *Weiter … weiter,* hämmerte es in seinem Hirn und er lenkte Jarduk der Spur folgend nach Südwesten.

      Nach etwa einer Stunde Ritt wagte es Gallan sich nach der Festung umzudrehen und stellte mit Erleichterung fest, dass Kishos Festung sich nur noch als Schemen vom schwarzen Gestein des Gebirges abhob. Er gab sich jedoch nicht der Illusion hin, sich in Sicherheit zu befinden. Sobald seine Flucht bemerkt wurde, ließ Kisho ihn unerbittlich jagen, bis er entweder gefangen oder tot vor seinen Füßen lag.

      Er bedauerte nur die armen Teufel, die dem Baron die Nachricht von seiner Flucht überbringen mussten. Ihnen stand ein grausames Schicksal bevor, denn Gallan bezweifelte nicht, dass er seine Wut und Enttäuschung an ihnen ausließ. Er konnte nicht glauben, dass seine Flucht so lange unentdeckt blieb. Er sah weder eine Staubwolke, die auf Verfolger hindeutete, noch vernahm er Signalhörner, die seine Flucht verrieten.

      Langsam erreichte der grelle Ball der Sonne die Spitzen des Kardak - Gebirges, hinter dem sie in einer knappen Stunde untergehen würde. Gallan sah sich nach einer geeigneten Stelle um, wo er die Nacht verbringen konnte. Bei einem auf einer flachen Anhöhe stehenden Baum stieg Gallan ab und lockerte den Sattelgurt von Jarduk.

      Sitzend mit dem Rücken an den Baum gelehnt, spähte er auf seiner Fährte zurück. Die Festung lag schon lange außerhalb seiner Sichtweite, trotzdem riskierte er es nicht ein Feuer zu entzünden, um nicht eventuelle Verfolger seinen Standort zu verraten.

      Eingehüllt in die Satteldecke saß er da und überlegte seinen nächsten Schritt. *Er besaß keinen Ring mehr der ihn in andere Welten bringen konnte und er war auf der Flucht vor Kisho, sollte er deshalb aufgeben? Nur die Sucher, die in Kishos Diensten standen, verfügten über diese Ringe und es würde schwer werden einen von ihnen das magische Schmuckstück zu entwenden.*

      Lange dachte er über seine Lage nach. Es schien ihm das Beste zu sein, einige Zeit verstreichen zu lassen, bis er sich daran wagen konnte, einen der Ringe in seinen Besitz zu bringen. Er musste jedoch vorsichtig zu Werke gehen und durfte nicht leichtsinnig werden, denn Kisho würde wachsam bleiben.

      Dennoch blieb Gallan entschlossen sich einen Ring zu beschaffen, und das Einhorn zu suchen. Er wollte die Tasche wieder haben und den Mann, der an seiner misslichen Lage die Schuld trug zur Rechenschaft ziehen. Inzwischen musste er aber zusehen nicht von Kishos Jägern aufgespürt zu werden und da fiel ihm im Augenblick nur sein Volk ein, wo er sich sicher fühlen konnte. Bei dieser Gelegenheit dachte er an Belgan, den alten Schamanen seines Volkes. *Wie es ihm wohl ging, lebte der alte Mann noch?*

      Als er seine Familie vor vielen Jahren verließ, lebte der Alte in einem Erdhaus nicht weit vor der Stadt, das ihn Gallan und einige Helfer errichteten. Wie alle Erdhäuser bei seinem Volk wurden sie im Rund aus starken Baumstämmen gebaut, über die sich, getragen von Stützbalken das Dach wölbte. In der Mitte gab es eine Öffnung, die Licht hereinließ und gleichzeitig als Rauchabzug diente.

      Von einem Stützbalken zum anderen verlief eine Brüstung mit dünneren Stämmen, die dahinter Platz für Vorräte, Brennholz und andere Dinge bot. In strengen Wintern brachte man auch die Tiere hier unter.

      Der rechteckige Eingang wies meistens nach Osten, um die Stürme, die oft mit unbändiger Gewalt über die Ebene fegten, aus dem Inneren fernzuhalten. Das Ganze wurde mit Erdreich und Grassoden bedeckt und so gegen die grimmige Winterkälte abisoliert.

      *Ob Belgan überhaupt noch lebte?* Er war schon damals als er in Kishos Dienste trat ein alter Mann. Vielleicht konnte der Schamane ihm weiterhelfen, denn Belgan besaß Fähigkeiten, die ihn schon damals verwunderten. Der alte Schamane mochte kein Augenlicht besitzen, mit dem er zu sehen vermochte, doch seine übersinnlichen Augen sahen dafür um so besser.

      Gallan