Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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laut auf und stürzte auf den Mann zu, umfing ihn mit

       ihren Armen. »Eppelin! Eppelin!« war der einzige

       Laut, den sie hervorbringen konnte. Und die Knaben

       eilten herbei und sprangen laut jubelnd an dem Vater

       empor und das zarte Mägdlein schmiegte sich an

       seine Knie. Er aber starrte Alle an und drängte sie zurück.

       Das Brod und den Weinschoppen, welches beides

       die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an sich

       und ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau

       ihre Thränen getrocknet hatte, und ihren Schleier noch

       dazu, und rannte damit in das Dickicht zurück. Aber

       Frau Hedwig, die den Gatten nur zu wohl erkannt

       hatte, folgte mit ihren Kindern jählings nach. Und da

       wo das Gebüsch sich nach dem Wege öffnete, hart am

       Rande des Waldes, sahen sie den Ritter zu einem Gegenstand

       hineilen, der am Boden lag. Es war ein Roß.

       Er warf sich neben ihm auf die Knie nieder, benetzte

       seine mattschnaubenden Nüstern mit Wein und steckte

       ihm Brod, das gleichfalls damit befeuchtet war,

       zwischen die Zähne. Dann zerriß er den Schleier und

       das Tuch, tauchte sie in den nahen Fluß und schlang

       sie um die blutenden Beine des Gaules, während er

       ihm zuweilen die Seiten und den Hals klopfte. Staunend

       sahen solches Frau Hedwig und ihre Kinder mit

       an. Sie erkannten jetzt wohl das braune Streitroß des

       Gatten, des Vaters; aber fast war es schwer zu erkennen,

       Blut und Schaum bedeckte es und ohnmächtig

       streckte es seine starken und schönen Glieder. »Eppelin!

       Eppelin!« rief jetzt Frau Hedwig noch einmal,

       »du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem

       Rosse und hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet

       ist es, wie es scheint, es gibt ja der Rosse

       mehr, sollte man glauben.« Da wandte sich Eppelin

       um und umarmte sein Weib. »Nur keines mehr wie

       dieses,« erwiederte er auf ihren liebenden Vorwurf.

       »Weib! Kinder! geht hin, liebkoset das Roß in seinen

       letzten Zügen, denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich

       wieder sehet. Ueber den Burggraben der Nürnberger

       Veste hat es mich getragen.« Und sie thaten, wie er

       gebot. Mit zarten Händen streichelten sie das treue

       Thier und thaten ihm wohl und suchten sein fliehendes

       Leben zu halten, aber der Sprung war zu gewaltig

       gewesen, und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis

       hierher noch reichte seine Kraft, den Herrn im flüchtigen

       Laufe zu tragen, jetzt war sie erschöpft. Noch einmal

       wieherte das Roß aus tiefer Lunge auf, noch einmal

       wandte es den Kopf nach seinem Herrn und wieder

       von ihm ab, dann brach es im Todeskampfe. Eppelin

       von Gailingen ließ an der Stelle, wo das treue

       Thier starb, einen Stein errichten.

       153. Die Mistelgauer.

       M i s t e l g a u Dorf, Ldg. B a i r e u t h . – A . C .

       C a m m e r e r Naturwunder S. 129.

       Von den Bewohnern der Umgegend werden die Mistelgauer

       spottweise H u m m e l n geheißen. Von

       dem Herkommen dieses Namens geht folgende Sage.

       Einmal schickten die Mistelgauer einen aus ihrer

       Mitte nach Nürnberg, um daselbst schönes Wetter zu

       kaufen. Man gab ihm zu Nürnberg eine Schachtel mit,

       mit dem Auftrage, sie nicht zu öffnen. Doch war der

       Mensch neugierig und öffnete die Schachtel. Da

       summte eine Hummel heraus und freute sich des Lebens.

       Jener aber lief ihr nach und schrie beständig:

       »Hummel, Hummel, nach Mistelgau!«

       154. Die Wunderquelle bei Weidenberg.

       Erzählt von K. T e u p s e r in B. G ö r w i t z

       Sagenschatz v. Oberfr. S. 58.

       Die Wunderquelle des Heilbrunnens unweit der Ruine

       des Pfeiferschlosses bei Weidenberg, wurde im Jahre

       1660 von einer Frau, mit Namen Agnes Herrmann,

       aus dem Filialdorf Warmensteinach, entdeckt. Diese

       litt seit längerer Zeit an einem kranken Arm, der ihr

       unsägliche Schmerzen verursachte.

       Oft geschieht es, daß man in verzweifelten Lagen

       Hoffnung und Heil in Unmöglichkeiten und fabelhaften

       Fügungen sucht – so auch die arme Frau. Als sie

       nämlich am fürchterlichsten litt, sagte sie zu ihrem

       kaum sechsjährigen Söhnlein: »du mußt mir helfen,

       Kind, sonst bin ich verloren!« – da lächelte der Kleine

       freundlich und sagte: »Ei freilich will ich dir helfen,

       Mütterchen, wozu hätte mir denn sonst das weiße

       Männchen im Traume das heilsame Brünnlein gezeigt.

       Ich weiß den Weg dahin genau und will dich

       führen.«

       Obwohl der Knabe noch niemals diesen Pfad gegangen

       war, so leitete er doch wirklich die gläubige

       Mutter an die verheißene Quelle, darin sie den kranken

       Arm baden sollte. Sie that es und wurde ihres Uebels

       ledig. Die Genesene verbreitete mit dankbarem

       Herzen die Kunde von der Wunderkraft des Heilbrunnens

       und viele Leidende bestätigten diese. Man stellte

       nachmals einen Opferstock auf, der reiche Spenden

       für das Gotteshaus Weidenberg aufnahm und endlich

       die Mittel zu den zwei großen, im Jahre 1738 gegossenen

       Glocken darbot.

       155. Die Königsheide.

       Unweit B e r n e c k . – J.v. P l ä n c k n e r Piniferus S.

       168.

       Von der Königsheide auf dem Fichtelberg wird erzählt,

       daß daselbst ein alter König entweder seine Residenz

       und Begräbnißplatz gehabt, oder eine Schlacht

       gethan habe, welches auch bezeugen die Gebeine,

       Hirnschalen, alte, rostige Degen, Schild, Helm und

       andere Kriegsrüstung so in den letzteren Jahrhunderten

       noch von dem Landvolk hin und wieder auf dem

       Felde ausgegraben und gefunden worden. Dieser

       König soll nebst seinen vornehmsten Helden an einer

       Quelle begraben