Dustin Kreutzburg

Warum ist das so schwer?


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erschöpft auf mein Bett fallen, ziehe mich genervt aus und schlafe sofort ein. Als ich am nächsten Tag wach werde, klopft es an die Tür.

       »Ich bin nicht da!«, rufe ich in Richtung Eingang.

       Jetzt nicht, ich habe so was von keinen Bock auf Besuch. Es kann vor allem nur einer sein. Mein Kopf dröhnt immer noch vom Bier und vom Sturz gestern.

      Klopf, klopf. Ich drehe mich zur Tür. »Was willst du Finn?« »Wer ist Finn?«, entgegnet mir jemand auf der anderen Seite der Tür . Ich stutze und steige aus dem Bett. »Jetzt mach schon auf!«, ich merke, dass die Person zunehmend ungeduldiger wird, also gehe ich zur Tür und öffne. »Na endlich, ich dachte schon du machst gar nicht mehr auf.« Es war die nette braunhaarige Schönheit von gestern. Sie drückt mir einen Eisbeutel in die Hand und geht an mir vorbei ins Zimmer. Das überrascht mich aber schon etwas, zumal ich nur in Shorts vor ihr stehe. Der Eisbeutel tropft auf meinen nackten Fuß. Sie setzt sich auf den einzigen Stuhl in meinem Zimmer und schaut mich an. Die Situation kann ich nicht einschätzen. Wollte sie mir nur den Eisbeutel bringen? Warum aber setzt sie sich dann? »Hi!«, stottere ich. Sie schaut sich in meinem Zimmer um, bis ihre Augen meine finden. »Nett hast du's hier.« »Nett? Ich habe ein einen Raum mit einem Fenster.« »Immerhin«, sagte sie »ich habe zwar auch eins, aber es lässt sich nicht öffnen.« Was wird das hier? Es fällt mir schwer sie und die Situation einzuschätzen. »Danke für deine Hilfe nochmal, das ist mir immer noch furchtbar peinlich.« »Ja das stimmt, aber irgendwie hast du mir leid getan.« Sie schaut mich aus großen smaragdgrünen Augen an. Was erwartet sie jetzt von mir? Ich meine es ist ja nett von ihr mir den Eisbeutel zu bringen und so, aber deshalb verleihe ich ihr keinen Orden. Ich fühle mich bedrängt. »Hör mal,« noch während ich die Worte ausspreche, fällt mir auf, dass ich gar nicht weiß wie sie heißt und ich denke mir, man sollte wenigstens den Namen eines Helfers wissen, bevor man ihn rausschmeißt. »Sag mal, wenn du mir schon Eiswürfel bringst, würdest du mir auch deinen Namen verraten?« Ich gehe zu meinem Bett und ziehe meine Hose an, die auf dem Boden liegt. »Mila.«, sagt sie ohne mich anzuschauen. »Wie bitte?« »Ich heiße Mila. Hast du vom Sturz 'n Hörschaden davongetragen oder was?« Ich überlege wie ich sie am besten loswerde und dabei nicht allzu unhöflich wirke. Dann sage ich ihr, dass wir uns gerne einen anderen Tag sehen können, da ich noch was erledigen muss, was allerdings eine Lüge ist. Sie bleibt sitzen. »Ich dachte, wir können vielleicht heute Abend was zusammen machen. Wir könnten auf einen Drink gehen oder uns ein paar Platten bei mir reinziehen. Was sagst du?« Hat sie mich gerade nicht verstanden? Ich dachte ich hätte mich deutlich ausgedrückt - scheinbar nicht. Sie schaut mich an, lächelt und erwartet eine Antwort. »Ich sagte doch ich habe keine Zeit, vielleicht ´n anderes Mal.« Sie steht auf und geht ohne ein weiteres Wort aus meinem Zimmer. Ich bin froh sie los zu sein, irgendwie war mir unsere Begegnung unangenehm und seitdem sie nicht mehr da ist, auch egal. Ich schließe die Tür und setze mich. Der Stuhl ist noch warm. Mein Kinn in meinen Händen vergraben überlege ich was als nächstes zu tun ist. Ich brauche irgendeinen Job um mein Leben zu finanzieren. Lust habe ich nicht, aber was sein muss, muss halt sein. Ich hebe mein Shirt auf und ziehe es an, dann höre ich wie sich mein Magen meldet. Hunger! Essen! Ich schaue mich in meinem Apartment um, doch ich weiß schon, dass ich nichts finden werde, was auch nur ansatzweise verzehrt werden kann. Ich habe nicht einmal eine Küche um etwas zuzubereiten. Mein neues, freies Leben ist gerade mal ein paar Tage alt und ich realisiere, bei dem was ich bisher hier erlebt habe und worum ich mich noch kümmern muss, dass es kein leichtes Päckchen ist, welches ich mit mir herumtragen muss. Okay, Nik. Struktur. Das ist das Zauberwort. Primär sollte ich mir etwas zu Essen besorgen. Frisch gestärkt lässt es sich mit Sicherheit leichter denken. Ich ziehe meine Lederjacke an, schließe die Tür und gehe Richtung Stadt. Nachdem ich mir einen Hotdog gekauft habe, setze ich mich auf eine Bank. Umzingelt von einigen Sträuchern und Bäumen, verschlinge ich den »Heißen Hund« und lasse meinen Blick im Halbkreis schweifen. Es kommt mir vor, als würde die Zeit auf dieser Bank stillstehen. Alles und Jeder bewegt sich um mich herum nur ich wirke wie eine Marmorskulptur. Es ist wie in einem Ameisenhaufen. Jeder trägt irgendetwas mit sich herum und bringt es zu einem bestimmten Ziel, nur dass es hier keine Königin gibt. Wir sind alle Soldaten, stehen im Dienste des Systems. Wir müssen funktionieren und können es uns nicht leisten zu rasten. Rasten? Ja, es kommt mir vor als würden wir alle einen Berg besteigen. Je höher und weiter man kommt, umso beschwerlicher wird alles. Doch was wartet auf dem Gipfel? Erkenntnis? Der Tod? Befreiung? Ich weiß es nicht! Womöglich weiß das niemand, weil es noch niemand geschafft hat den Gipfel zu erklimmen. Soll jeder ruhig mal kraxeln und sich abstrampeln um es dann doch nicht zu schaffen. Schwierig finde ich nur den immens hohen Energieaufwand. Was ist wenn man keine Energie mehr hat? Fragen werfen Fragen auf, nur eine Antwort fehlt. Ganz verloren in meinen Gedanken, merke ich nicht, dass ich nicht weiter gegessen habe. Ich esse auf und mache mich auf den Weg zum Fuß meines Berges.

      Die Pflicht

      T&G.

       Diese zwei Buchstaben stehen für einen kleinen persönlichen Erfolg. Ich kann sagen, dass ich mich das erste Mal freue, seit ich hier bin. Zugegeben, Leo habe ich immer noch nicht vergessen. Im Gegenteil. Ich denke noch sehr oft an sie und male mir Situationen und Erlebnisse aus. Wir spazieren am Strand, oder leihen uns ein Cabrio und fahren durch die Abendstunden, sind die dominantesten Vorstellungen. Ich kann mich stundenlang damit beschäftigen, doch ab jetzt habe ich vermutlich keine Zeit mehr dafür. Nachdem ich vergeblich die Innenstadt nach Jobs abgeklappert habe, fällt mir noch eine Möglichkeit ein. Wer arbeitet schon gerne wenn andere Feierabend haben? Richtig, niemand. Außer mir. Ich habe Glück gehabt und kann an einer Tankstelle arbeiten.

       »Tanken&Genießen«, T&G eben.

       Meine Schicht fängt um 22:00 Uhr an und endet um 06:00 Uhr. Was ich zu tun habe hält sich in Grenzen. Kassieren, Bestände auffüllen und das Gelände einigermaßen sauber halten. Nicht der angenehmste Job, aber immerhin gibt es Kohle. Die brauche ich auch dringend um hier weiter auf eigenen Beinen stehen zu können. Heute ist meine erste Schicht. Aufgeregt bin ich nicht, eher neugierig wie es sein wird. Bock habe ich keinen, aber wer bekommt sein Geld schon geschenkt? Eine Autohupe lässt mich wieder ins Jetzt zurückkehren. Seit 20 Minuten stehe ich bereits vor der Tankstelle und träume. Ich gehe rein und stelle mich bei dem Typen hinter dem Tresen vor.

       »Hi, ich bin Nik. Ich habe heute meine erste Nachtschicht.«

       Der Typ schaut sich um und fährt sich mit der Hand durch seine fettigen Haare, danach reicht er mir diese.

       »Ich bin Peter, kannst mich aber Pete nennen.«

       Ich schaue ihn verdutzt an und ignoriere seine Geste.

       »Was muss ich tun?«, frage ich.

       »Gleich kommt Joe, der löst mich aus meiner Schicht ab und lernt dich an. Mit ihm verbringst du sozusagen die Nacht. Er wird dir alles zeigen, sodass du deine nächsten Schichten alleine meistern kannst.«

       Ich gucke mich in dem Laden um und erblicke neben zwei Männern, die ihren Kaffee schlürfen, nichts.

       »Sehr gut«, sage ich mir.

       Das ist genau das was ich mir vorgestellt habe. Ich bekomme Geld für das was ich tue und habe nebenbei Zeit Probleme zu lösen. Zumindest gedanklich. Ich bin ein Träumer, ich stelle mir gerne Dinge vor und schwelge in meiner Phantasie. Manche mögen sagen ich sei fern ab von jeder Realität, aber ich komme mit meiner Person sehr gut zurecht und mag mich so wie ich bin. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu dem Gipfel meines Berges.

       »Geh schon mal nach hinten durch«, sagte Pete zu mir und ich folge seiner Aufforderung. Durch vages flackerndes Licht gehe ich einen schmalen kurzen Gang entlang, der in einem ebenso kleinen Raum endet. Der Raum ist schlecht ausgestattet und schreit förmlich: Halte dich nicht hier auf, sondern arbeite. Zwei Stühle und ein kleiner runder Holztisch stehen in der hinteren Ecke. Der Aschenbecher auf dem Tisch quillt über, aber das scheint hier niemanden zu interessieren und in das Gesamtbild des Raumes fügt sich dieser überfüllte Aschenbecher auch gut ein. Hinter mir an der Wand hängt eine mechanische Uhr, die so laut tickt, als würde sie jede Sekunde, die sie verstreicht kommentieren. Ich setze mich und warte auf Joe. Irgendwie hat es eine beruhigende Wirkung auf mich den Sekundenzeiger