Dustin Kreutzburg

Warum ist das so schwer?


Скачать книгу

kleines Lokal 150 Meter weiter die Fußgängerzone runter.

       »Wie lange bist du denn schon hier in dieser Stadt?«

       »Ich bin vor ein paar Tagen erst hier her gezogen und bisher habe ich noch nicht viel gesehen. Ich war zwar schon was trinken und habe mir einen Job gesucht, aber ich kenne mich noch nicht wirklich aus. Ich hoffe ja, dass du mir einiges zeigen wirst.«

       »Verlass dich drauf. Ich bin eine tolle Fremdenführerin.«

       Sie lächelt mich an und augenblicklich weicht alle Kälte von mir. Das nicht augenblicklich der Schnee unter ihren Füßen schmilzt ist auch alles. Ich fühle mich, obwohl ich sie nicht kenne, gleich wohl in ihrer Nähe. Als wir vor dem Lokal stehen, halte ich ihr die Tür auf und gehe nach ihr rein. Ich helfe ihr aus der Jacke und lege sie neben mich auf den Stuhl. Wir sitzen einander gegenüber.

       Sie schaut zur Theke und ich schaue zu ihr. Ihre Haare trägt sie offen. Das lange goldblonde Haar fällt weich auf ihre Schultern, den Pony hat sie glatt geschnitten. Sie hebt ihre Hand, um den Kellner zu holen und bestellt zwei Grogs.

       »Was ist?«, ihr ist aufgefallen, dass ich sie die ganze Zeit beobachtet habe.

       Peinlich berührt erwidere ich das alles okay sei.

       »Erzähl mir was von dir. Nik, richtig?«

       Ich grinste, weil sie meinen Namen sagte und ihn offensichtlich noch mitbekommen hatte.

       »Ja, es gibt nicht viel zu erzählen. Ich bin von zu Hause ausgezogen um mein Leben zu leben. Ich versuche in irgendeiner Art und Weise mich zu finden und mir einen Platz in der Welt zu suchen, wo ich hingehöre. Eigentlich mache ich das, was fast jeder macht. Ich wohne in der Steintor-Vorstadt und arbeite an einer Tankstelle. Es ist alles noch frisch, nicht das Gelbe vom Ei und ich bin noch auf der Suche, aber ich habe einen Anfang gemacht und jetzt ebne ich meinen Weg. Mal sehen was mich so erwartet. Sicher bin ich mir aber allemal den richtigen Schritt gegangen zu sein. Wie ist es bei dir?«

       Tara erzählt mir, dass sie hier in der Stadt ihrer Modelkarriere auf die Sprünge helfen will und bei einer hiesigen Agentur unter Vertrag steht. Sie wohnt mit einer Freundin zusammen, die für dieselbe Agentur arbeitet, aber mehr Aufträge an Land zieht als sie. Das passt denke ich. Sie hat wirklich die Maße dafür. Ich sage ihr, dass ich gespannt bin, sie auf Plakaten zu sehen und spreche ihr Mut zu, dass es irgendwann bestimmt klappt und da ist es wieder dieses entwaffnende Lächeln. Ich bin ein echter Glückspilz. Der Kellner bringt unsere zwei Grogs. Tara nimmt ihren zwischen beide Hände und pustet. Warmer Dampf gleitet in meine Richtung. Entweder habe ich hellseherische Fähigkeiten oder einfach Pech beim Träumen. Sie eröffnet mir, dass sie ihr Freund bei der Modelsache nicht wirklich unterstützt. Er habe andere Prioritäten, weiß aber genau, dass ich nicht gerne alleine bin und mich daher auch nicht trennen werde. Mein Herz tut weh. Ist es schon wieder soweit? Es kann doch nicht sein, dass ich mich so schnell verliebe. Eine andere Erklärung für meine Enttäuschung habe ich nicht. Ja, ich finde sie hübsch, aber das kann doch nicht alles sein. Vielleicht bin ich auch einfach traurig über die Tatsache, dass Sex mit ihr durch diese Tatsache in weite Ferne rückt. Bin ich so oberflächlich? Was suche ich denn eigentlich? Sex, eine Beziehung oder suche ich einfach nur jemanden, damit ich nicht mehr alleine bin? Ich weiß es nicht, beschließe aber diese Gedanken hinten anzustellen.

       »Es läuft bei uns nicht rund«, sagt sie seufzend. »Ich weiß auch nicht, es ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite liebe ich diesen Kerl, auf der anderen bringt mich unsere Beziehung nicht weiter. Ich brauche jemanden, der mich unterstützt, sich um mich kümmert, mich wärmt und beschützt. Aber genug von mir, wie sieht's bei dir aus? Schon wen gefunden?«

       Ich erzähle ihr, in abgeschwächter Form, von Leo. Irgendetwas habe ich an ihr verloren, weiß aber nicht was.

       Tara schaut mich an und sagt: »Du bist süß, mach auf dich aufmerksam und überlege dir was nettes, dann wird das schon mit euch beiden.«

       Sehr hilfreich. So weit war ich auch schon, aber dafür müsste ich sie wiedersehen und wann das passiert steht in den Sternen. Aber Moment mal. Wie war das? Ich bin süß? Ich verpasse mir eine mentale Backpfeife. Habe ich richtig gehört? Sie findet mich süß? Vielleicht sagt sie es nur um mich aufzumuntern, aber vielleicht auch nicht und sie findet mich tatsächlich, ja, süß. Wir reden lange über unser beider Leben und lernen uns besser kennen. Okay, es wäre schon interessant die Stadt zu sehen, aber das hier ist mir, wenn ich ehrlich bin, hundert mal lieber. Ich sitze hier mit einer schönen Frau, trinke Grogs und unterhalte mich.

       Draußen hat es wieder angefangen zu schneien. Kleine Eiskristalle bleiben an den Fensterscheiben haften und versperren somit immer mehr die Sicht nach draußen.

       »Hat dein Freund gar nichts dagegen, wenn du dich mit anderen Männern triffst?«

       »Was er nicht weiß… Er erzählt mir auch so einiges nicht, außerdem kann ich mich doch treffen mit wem ich will, bin ja schließlich alt genug.«

       »Klingt ja nicht gerade nach einem soliden Fundament was ihr da habt. Ich will mich ja nicht zu sehr einmischen, aber...«

       »Nein, nein, du hast ja Recht«, unterbricht sie mich. »Unsere Beziehung gleicht einer Rose, zart, aber mit Dornen bewehrt. Wenn man nicht aufpasst dann sticht man sich und verletzt sich an einer sonst so schönen Sache.«

       Ich verstehe was sie sagen will. Die Uhrzeit und die Stadtführung ist mittlerweile zur Nebensache geworden. Wir unterhalten uns so gut, dass wir gar nicht mitbekommen, die letzten Gäste zu sein. Wir bestellen eine letzte Runde Grogs und dann glaube ich mich verhört zu haben.

       »Hast du Lust dich zu betrinken und unanständig zu sein?« Sie schaut mich aus großen dunklen Augen an. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

       »Was verstehst du unter unanständig?«

       »Das wirst du schon sehen, wenn es soweit ist.«

       Sie steht auf, nimmt ihre Jacke und fordert mich auf dasselbe zu tun. Ich gehe zum Tresen und bezahle unsere Rechnung. Als wir wieder draußen sind, bietet sich uns eine weiße stille Welt. Im Schnee sind noch keine Spuren zu sehen. Eine einheitliche Decke aus gefrorenem Wasser. Eine kalte Brise schneidet sich in mein Gesicht, ich stelle den Kragen hoch und drehe mich zu Tara.

       »Können wir?«

       Sie nickt und hakt sich bei mir unter. Es liegt wohl am lauten knirschen des Schnees unter unseren Füßen, dass wir Gedanken der Vernunft überhören.

       Ich mache ja nichts verbotenes, trotzdem könnte ich ein schlechtes Gewissen haben. Tara erst recht. Schließlich ist sie diejenige die eine Beziehung hat. Moment mal, wo denke ich eigentlich hin? Es ist noch nichts passiert und ich male mir schon Sachen aus, die noch gar nicht stattgefunden haben.

       Warte ab Tiger, noch bist du nicht am Ziel.

       »Hast du was zu trinken bei dir?«, ich fühle mich wie in Watte gepackt.

       Das einzige was ich höre ist Taras weiche Stimme.

       »Nein, wir müssen uns noch irgendwas besorgen. Komischerweise habe ich heute einen Stadtrundgang gebucht, der aber nicht stattgefunden hat. Ich würde dir ja jetzt gerne sagen wo wir noch was herbekommen, doch das kann ich nicht. Hast du 'ne Idee?«

       »Ja, wir haben Glück, dass hier viele Studenten sind. Es gibt vereinzelt Läden, die 24 Stunden geöffnet haben. Da verdienen sich Studenten nebenher ein bisschen Kohle und wir können auch noch um diese Uhrzeit unserem Durst frönen.«

       Ich lächle sie an. Zum ersten mal glaube ich. Ich hing bisher wie gebannt an ihren Lippen, so dass ich jegliche Mimik verloren habe. Dass ich nicht mit sabberndem Mund da saß, ist auch alles. Tara ging zielstrebig durch die Straßen. Nach circa zehn Minuten waren wir an einem dieser 24-Stunden-Läden angekommen. Sie geht vor, greift nach einer Flasche Wodka und stellt sie an der Kasse ab. Ich krame währenddessen in meiner Hosentasche nach Geld.

       »Lass stecken, jetzt bin ich dran.«

       Sie hält meinen Arm fest und schaut mir tief in die Augen. Wir verharren ein paar Sekunden, dann wendet sie sich ab und bezahlt. Als wir den Laden verlassen, fragt sie mich ob es noch weit wäre. Ich überlege kurz und versuche mich zurechtzufinden. Nach kurzer Orientierungsphase, weiß ich ungefähr