Ingo M. Schaefer

Kein Zurück Ohne Dich


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Emma war Männerblicke und Pfiffe gewohnt. Sie vermied, ihn direkt anzuschauen, obwohl sein Blick nicht unangenehm war.

      Sicher war sicher.

      Nur keine falschen Zeichen setzen.

      Sie zwang sich geradeaus zu schauen. Mit einer Münze entriegelte sie einen Einkaufswagen. Ein kurzer Seitenblick. Der Mann stand unbewegt und betrachtete sie. Sie konnte nicht anders und blickte zu ihm.

      Sein Blick flackerte und schon kam er zurück, wo immer er gewesen war. So empfand sie es. Dann betrachtete sie ihn genauer, als er kopfschüttelnd zum Eingang ging.

      Ein schwarzer Stein. Eine feste Hand. Augen wie das Meer. Ihr Bauch kribbelte.

      „Louis? Bist du das?“, rief sie laut.

      Sein Kopf ruckte zu ihr herum. Verständnislos schien er, dass sie ihn kannte. Er tat so, als ob er sie nie zuvor gesehen hatte.

      „Entschuldigung!“ Er lächelte unsicher. „Kennen Sie mich?“

      „Na, das will ich meinen“, lachte sie, froh ihn zu sehen. „Brisbane, wir beide, 13, Strand, Urlaub“, versuchte sie an Erinnerungen zu knüpfen. In seinem Blick las sie kein Erkennen.

      Plötzlich war sie enttäuscht, dass er sie nicht erkannte. Schon wollte sie sich abwenden, als seine Stimme sie stoppte.

      „Ich wünschte gern, äh, eine Frau wie dich zu kennen.“

      Sie spürte, das er sie nicht fortgehen lassen wollte. Aber warum kannte er sie nicht, verdammt?

      Das Kompliment gefiel ihr und sie lief rot an. Wieder drehte sie sich fort, ein wenig wütend über ihn, weil er sie vergessen hatte, und über sich, weil sie rot wurde.

      „Warte! Ich wünschte, ich kann mich an Brisbane erinnern. Aber da war ich nie. Ich bin hier aufgewachsen.“

      Emma wandte sich ihm voll zu.

      „Wie heißt du?“

      „Louis White.“

      Jetzt war sie völlig sicher, ihren Louis vor sich zu haben. Sein Gesicht, die Statur, inzwischen ein Mann, ein ehrliches Gesicht. Er erkannte sie wirklich nicht.

      Seltsam.

      „Ich bin Emma McIntyre.“ Sie reichte ihm die Hand, nicht ohne Hintergedanken.

      Louis konnte sein Glück kaum fassen. Nur zu gern schlug er ein. Ihre Hand passte in seine, als ob sie dahin gehörte - schon immer.

      Sie war endlich zu Hause. Beschützt. Er hielt sie fest – wie früher auf die richtige Art. Er war es und er war es nicht. In seinen Augen lag kein Gefühl. Als sei er irgendwo, aber nicht hier bei ihr.

      „Ich will dich nicht vom Einkaufen abhalten“, meinte sie.

      Er ließ sie plötzlich los, als ob sie was Falsches gesagt hatte.

      „Ah, ja. Hättest du Lust auf ein Getränk deiner Wahl. Ich lade dich ein.“

      Sie schaute zu ihm hoch.

      „Dafür“, sagte er hastig, „dass du mich angesprochen hast.“

      „Gut. Ich muss aber trotzdem einkaufen. Ich trinke gern Kaffee.“

      „Ich auch.“

      „Du sprichst ganz schön verschwurbelt. Wie ein Arzt.“

      Louis konnte sich nicht erinnern, jemals beim Einkaufen Spaß zu haben. Emma hatte ihn.

      „Schau mal“, frohlockte sie, wollte ihn einbeziehen, „den Eisbergsalat gibt es im Angebot. Mit Zitrone und Hähnchenstreifen. Lecker. Oder bist du Vegetarier?“

      Er schüttelte den Kopf.

      „Dazu ein paar Tomaten und fertig ist der Emma Salat. Und da, och toll, dass die....“

      Louis wollte, dass sie nie wieder aufhörte zu reden. Er war keine sechzehn mehr, ein Alter, in dem Jungen sich nicht trauten gegen das Mädchen was zu sagen, nur um keinen Streit zu bekommen, lieber dafür den Kuss. Als Emma Sauerkraut aus dem Regal nahm, verzog er angewidert das Gesicht. Sie nickte zufrieden. Sie mochte keine Männer, die alles aßen.

      Der Einkaufswagen füllte sich mit Gemüse, Fisch, Fleisch, Obst.

      „Du wolltest doch auch einkaufen“, meinte sie aufmunternd.

      „Ich habe nie viel zu Hause“, zuckte er mit den Schultern. Er fühlte sich wie ein Langweiler.

      „Ich würde umkommen, wenn ich zu Hause nichts zu essen hätte.“

      „Ich esse auf der Arbeit, meistens“, erwiderte er. Hastig schlug er vor: „Was sagst du dazu: wir sagen uns nicht, welchen Beruf wir ausüben.“ Er wollte sich keine Vorträge anhören, warum Ärzte lange Bereitschaftsdienste hatten. Zwar hatte er nicht das Gefühl, dass sie so etwas sagen würde. Nur, das hatte er bei seinem letzten Date auch nicht erwartet. Er war vorsichtig, wollte sie erst kennenlernen. Sie sollte ihn kennenlernen. Zu oft definierte der Beruf den Menschen und Vorurteile beherrschten das Miteinander.

      „Das gefällt mir, Louis.“

      Sie rümpfte weder die Nase, noch kommentierte sie seine Pizzen, Dosensuppen und Fertiggerichte. Aber verschiedene Apfelsorten und Bananen packte er reichlich ein.

      Als sie bezahlt hatten, stellte Emma ihm ganz bewusst die erste Falle, um ihn zu prüfen.

      Sie gab sich nicht damit zufrieden, dass der Louis aus dem Urlaub sie nicht kannte.

      Sie wartete ab. Damals in Brisbane war Louis der Motor gewesen, der sie zu jedem Unsinn mitnahm. Sie wurde nicht enttäuscht.

      „Wollen wir zuerst zu dir fahren?“, schlug er vor und erklärte weiter. „Dann fahren wir mit meinem Auto zu mir, abladen und dann Kaffee trinken. Ich bringe dich wieder heim.“

      „Gern, das ist ja dein Glück, dass ich vor einer Woche in die Nähe gezogen bin. Sonst wäre es ne lange Strecke gewesen.“

      Am Eingang dachte er über sie nach, wie sie sich gab.

      „Ich schätze bei dir steht ein Karton herum, wenn überhaupt.“

      Er trug ihre Einkaufstaschen. Das hatte er von seinem Vater, dem Inspector, gelernt, der, was den Umgang mit Frauen betraf, sehr streng zu ihm war.

      „Einer Frau Koffer und Taschen tragen? Jederzeit oder du bist ein Weichei.“

      „Eine Frau von oben herab anschauen? Niemals. Sie sind Gefährten, kein Eigentum. Faschisten sehen das allerdings anders.“

      „Je aufmerksamer du auf sie achtest, um so weniger keift sie. Einen Faulenzer will keine haben, und das ist richtig so.“

      „Einer Frau die Tür aufhalten? Unbedingt. Ein Schwächling, der das nicht macht.“

      Weder ein Schwächling oder Weichei, noch ein Faschist schon gar nicht ein Faulenzer wollte er sein. So oft und solange hörte er das, bis es tief in ihm verankert war.

      Und doch war sein Vater alles andere als ein leuchtendes Beispiel langfristiger Beziehungen.

      „Wo hast du vorher gewohnt?“, nahm er den Faden des Umzugs wieder auf.

      „Fast in Perth.“

      „War es da nicht schön?“

      „Das würde zum Beruf führen.“

      „Fühlst du dich hier wohl?“

      „Ja, Western Australia ist schon speziell, aber Fremantle.“ Sie sprach nicht weiter.

      „Ich weiß, ich bin einer“, lachte er. „Bisher haben wir jeden Ankömmling infiziert. Du wirst schon sehen. In drei Monaten antwortest du auf die Frage deiner Herkunft, Fremantle, Westaustralien, glaub mir.“

      Sie fuhren schweigend mit dem Fahrstuhl in den dritten Stock.

      Wie er sagte. Ein Karton war nicht ausgepackt und stand