Ingo M. Schaefer

Kein Zurück Ohne Dich


Скачать книгу

mit derselben Philosophie kleine Kaffeebars. Kaffeehäuser haben in Europa eine lange Tradition. Deinem Gesichtsausdruck nach hat dir der Kaffee geschmeckt. Mir schmeckt er besser als der Ami-Kaffee.“

      „Aber Vorurteile gegen Amerikaner hast du nicht“, sagte sie ernst.

      „Vorurteile? Es ist meine Meinung.“

      „Wissen bildet eine Meinung und nicht Glaube.“ Sie hatte Lust auf Streit, etwas gegen ihn zu setzen. Sie wollte ihn schlecht machen, weil er sie dauernd durcheinanderbrachte. Er log doch, dass er sie nicht kannte.

      „Du solltest zuerst den Kaffee im Starbucks probieren“, riet sie ihm. „Das ist eine Weltmarke. Die werden geprüft und haben eine Riesenauswahl.“

      „Schmeckt dir der Kaffee bei Starbucks besser?“ Er hob die Tasse hoch.

      „Darum geht es nicht.“ Sie fühlte sich in eine Ecke gedrängt.

      „Also antwortest du nicht mit ja oder nein. Wo ist das Problem? Dir schmeckt dieser Kaffee besser. Dennoch hältst du mir vor, dich nicht zum Ami gebracht zu haben, wo es schlechteren Kaffee für mehr Geld gibt, um einen Ausbeuter zu unterstützen, obwohl du hier in Fremantle einen besseren Kaffee bekommst zu fairen Bedingungen. Übrigens diese Tasse ist günstiger als der Starbuckskaffee und man hat eine freundliche Bedienung.“

      Sie war wieder sprachlos. Er verstand einfach nichts. Man ging einfach zu Starbucks, weil, weil ... sie fand jetzt keinen Grund, aber diese Blöße wollte sie sich nicht geben, nicht vor ihm.

      „Du verstehst nichts“, sagte sie einfach, spielte den Ball zurück.

      „Dann erkläre es mir, bitte, damit ich verstehe.“

      „Es sind viele Gründe“, sagte sie lahm.

      „Ich habe Zeit“, erwiderte er und beugte sich vor.

      Sie sagte nichts.

      Er wartete.

      Lange.

      „Du suchst einfach nur Streit?“, fragte er. „Ist es das? Weil ich nicht in die Schublade passe? Jemand, der eine Kartonlandschaft als Wohnung hat, muss oberflächlich sein. Übrigens, jetzt suche ich Streit. Ich kündige ihn an. Du sagst, dass Meinung aus Wissen entsteht und unterstellst mir Vorurteile gegen Amerikaner zu haben. Starbucks ist nicht Amerika, genauso wie das Hofbräuhaus nicht Deutschland ist. Ich habe zwei Jahre in Boston gearbeitet. Da gibt es, wie überall in der Welt, gute und blöde Menschen, Starbucks und gute Coffeeshops. Wenn du mich eingeladen hättest und nach Starbucks gegangen wärst, hätte ich erst auf Nachfrage gesagt, dass ich dort jeden Kaffeeausschank probiert habe. Die Kette ist langweilig im Geschmack und den Preis nicht wert. Da es ein Ami-Laden ist, gehen die Amis da rein. Die Unabhängigen haben leckere Mischungen aber nichts vergleichbares wie hier. Äthiopien ist nun mal die genetische Heimat des Kaffees. Nirgendwo sonst gibt es hunderte Sorten. Mir scheint, du weißt nicht, dass alle Kaffeebohnen aus Asien und Amerika von einer Pflanze abstammen, die illegal aus Äthiopien geschmuggelt wurde. In den Staaten bekommst du Amerika-Kaffee, da können die Coffeeshops machen, was sie wollen. Ich weiß es und habe daher keine Vorurteile. Ich probierte Starbucks. Da schmeckt einfach nichts. Ich würde nie eine interessante Frau zum Kaffee trinken dorthin einladen. Wenn Starbucks dir allerdings so wichtig ist, kann ich dort auch Kakao trinken.“

      „Dann danke ich für die Einladung.“ Sie war sauer und hatte gar nicht richtig zugehört. Sie war wütend, weil sie sich lächerlich gemacht hatte und er ihr den Spiegel vorgehalten hatte. Aber viel schlimmer war etwas anderes. „Ich finde es eine Beleidigung, dass du so tust, als ob du mich nicht kennst, und das macht alles andere hinfällig. Wir haben soviel zusammen gemacht, hast dich mit einem Jungen wegen mir geprügelt. War das alles Lüge?“ Sie stand auf. „Bemühe dich nicht! Ich bin groß. Ich komme alleine nach Hause.“

      Sie lief hinaus und davon.

      Der Kellner hielt ihn zurück. Er legte schnell zwei Scheine hin und rannte ihr nach. Als er auf die Straße stürzte, war sie bereits verschwunden.

      Er kannte sie ganz sicher nicht. War sie gestört? Nie hatte er sich mit jemandem wegen eines Mädchens geschlagen. Ganz klar, dass sie alles erfand, weil er sich niemals mit Männern körperlich anlegte. Seine Hände und sein Kopf waren sein Kapital, seine Zukunft.

      War Emma sauer, weil sie keine Argumente mehr hatte? Glaubte sie ihn zu kennen und schusterte sich eine Geschichte zusammen. Er ärgerte sich, dass er sich wie ein Lehrer gegenüber einem Schüler verhalten hatte. Andererseits hatte er klar gesagt, dass es seine Meinung war. Sie konnte doch ihre haben.

      Sie flüchtete und gab ihm keine Chance.

      Jede Schwierigkeit, jeder Streit wurde ausgefochten, bis man gewann oder mit dem Kompromiss zufrieden war. Dieses Verhalten verdankte er seiner Mutter und seinem Vater. Durchhalten, das Gespräch suchen, Gewalt vermeiden. Lag darin sein Problem mit den Frauen? Er öffnete sich, während viele seiner Geschlechtsgenossen schwiegen oder lieber prügelten. Fanden Frauen das attraktiver? Kamen sie mit einem argumentierenden Mann nicht klar. Schublade auf - Mann rein.

      Er hatte sie anders eingeschätzt.

      Schade.

      Er mochte sie.

      Verdammt.

      Sie ließ sich in den Rücksitz des Taxis fallen. Was war mit ihr los? Nie ließ sie einen Mann stehen. Rächte sie sich an ihm, stellvertretend für alle gescheiterten Beziehungen? Sie konnte, wollte, durfte ihm nicht glauben, dass er sie nicht erkannte. Dafür gab es keinen Grund. Zu Anfang vielleicht, nicht jeder hielt wichtige Erinnerung ständig parat, wie sie. Spätestens in der Kaffeebar hätte er sie doch erkennen müssen. Dann ließ er sie dumm da stehen. Warum bestand sie nur auf Starbucks? Weil sie dort mal hin wollte. Andere schwärmten davon. Wie sie sich verhielt, musste er sie für eine dumme Frau halten. Dabei hatte er ihr Brücken gebaut, erkannte sie jetzt. In ihrer blinden Wut wollte sie davon nichts hören und Scham ließ sie weg rennen. Er kannte ihre Wohnung. War er einer dieser Stalker? Warum fiel sie immer auf solche rein? Wie dumm war sie gewesen.

      Plötzlich fiel ihr ein Ausweg ein. War das möglich? Sie dirigierte den Taxifahrer um.

      Louis sah so verdammt gut aus.

      Mist.

       Elenas Haus, Fremantle

      „Ich möchte, dass du bleibst.“ Sie legte ihren Kopf auf seine Brust. Elenas Fingernägel sorgten für ein ständiges Zittern auf seiner Haut.

      „Ich auch.“ Ihr Körper war glatt und geschmeidig. Sie war ganz Frau. Er drehte sich und küsste sie leidenschaftlich. Sie erwiderte den Kuss und setzte sich auf ihn.

      Es klingelte.

      Ungläubig sahen sie sich an. In beiden Gesichtern stand keine Frage. Das konnte nur er sein.

      John Taylor lächelte.

      „Bleib liegen, ich regle das.“

      Sie rollte zur Seite und haute auf die Matratze.

      Er stand auf, zog sich die Hose an. Er war fit, sein Oberkörper war muskulös. T-Shirt war nicht notwendig.

      „Besser, wenn ich das von Mann zu Mann kläre, wenn er fragt, was ich hier mache.“

      „Er ist erwachsen. Wir sind ihm keine Rechenschaft schuldig.“

      „Klar, und warum reden wir darüber?“

      „Geh schon und mach es kurz“, schnurrte sie und räkelte sich.

      „Genau so bleiben“, grinste er.

      Sie warf ihm ein Kissen nach.

      Er eilte zur Haustür und riss sie auf.

      Eine Frau?

      Sie wusste nicht wohin. Nach Hause konnte sie nicht, weil er wusste, wo sie wohnte. Zum Glück hatten sie keine Nummern ausgetauscht. Zumindest drohten auf diesem Weg keine permanenten Anrufe. Sie reagierte instinktiv durch ihre Erfahrungen, weil ihre Ex-Freunde sich als Stalker entpuppten. Ihre