Ingo M. Schaefer

Kein Zurück Ohne Dich


Скачать книгу

prima, dachte er. Seine Wohnung sah anders aus.

      Als sie sein Auto erreichten, schubste sie ihn leicht.

      „Wenn du dir den leisten kannst, verdienst du mehr als ich“, sagte sie betont neidisch.

      „Kostet mich derzeit neunzig Dollar im Monat. Ich muss erst zeigen, dass ich ihn verdiene“, wehrte er ab.

      „Aha, irgendwie kommen wir immer auf Berufe. Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“

      „Gut“, grinste er. „Ich ahne etwas“.

      Er öffnete die Beifahrertür für sie.

       Elenas Haus, Fremantle

      „Welche Farbe hat die Mappe jetzt?“ Sie griff seine Hand und drückte sie.

      „Woher...?“, fragte er verblüfft.

      Elena lächelte John an.

      „Letztes Jahr hast du mir diese Mappe ausführlich beschrieben und dass eine neue fällig sei. Da heute der Tag ist, du hier und ein Mann bist, ging ich davon aus, dass seit heute ein nagelneuer Ordner die Blätter zusammenhält.“

      Er grinste.

      „Wie schaffst du das nur, solch eine Banalität so aufregend zu beschreiben, dass es wie ein tolles Ereignis klingt? Das bewundere ich so an dir.“ Sein Daumen erforschte ihren Daumenballen.

      „Eine Lehrerin weiß einen langweiligen Stoff interessant zu machen. Das kann ich nicht ablegen. Der Kaffee müsste durch sein. Holst du Teller und Besteck?“

      Sie standen auf und arbeiteten Hand in Hand. Manchmal sah er sie an, ihre leichten Bewegungen, ihre schlanke Figur. Sie beobachtete ihn ebenfalls. Die ersten grauen Haare machten ihn attraktiver. Anders als seine gleichaltrigen Kollegen, die nach allen Seiten in die Breite gingen, war er durchtrainiert wie ein Zwanzigjähriger. Sie genoss seine Anwesenheit, seine männliche Präsenz. Er führte ein gänzlich anderes, körperbetontes Leben. Heute würde sie ihn nicht gehen lassen.

      „Du bist befördert worden, oder?“, fragte sie eher rhetorisch.

      „Ja, ich möchte gern mit dir und dem Team feiern.“

      „Natürlich bin ich da, Herr Chiefinspector.“

      Aus ihrem Mund hörte sich das sehr gut an. Sie stellte den Kaffee auf den Tisch.

      „Jetzt leiten wir beide“, sagte er heiser.

      Sie horchte auf.

      „Das war mir nie wichtig“. Sie sprach langsam, als sie seinen Blick erwiderte.

      „Ich weiß, aber mir.“ Er griff ihre Hüfte.

      „Ich weiß“, sagte sie rau, als seine Lippen ihren Hals liebkosten.

      Der Kaffee wurde kalt.

       Fremantle Hafen

      „Wenn du Kartons hasst, solltest du lieber im Auto bleiben.“

      „Netter Versuch. Du warst in meiner Wohnung. Ich werde mir deine anschauen. Wie lange wohnst du da?“

      „Zwei Jahre.“

      Es war ihm peinlich. Andererseits hatte er bisher nicht viel übrig für seine Wohnung gehabt. Er schloss auf.

      Emma wartete, ob er mehr sagen würde. Als nichts kam, wuchs die Enttäuschung über ihn. Zuerst tat er so, als kenne er sie nicht, und jetzt war es ihm plötzlich peinlich eine Frau in seine Wohnung zu nehmen und gab keine Erklärung. Louis der Junge interessierte sie mehr als Louis der Mann.

      Als sie die Wohnung betrat, war sie wieder enttäuscht. Da fuhr er ein modernes Auto, mochte es auch günstig sein, sein Appartement kostete bestimmt doppelt soviel wie ihres und er stellte die tollen Panoramafenster mit Kartons voll. Ein Zimmer sah aus wie das Schlafzimmer, ohne diesen Namen zu verdienen. Schon war sie versucht seine Einladung abzusagen. Sie hatte zugesagt und stand zu ihrem Wort.

      Trink den Kaffee und geh dann, sagte sie sich.

      Die Küche blitzte in Chrom und Stahl wie ein OP Saal. Der Kühlschrank war leer und sauber, die Tiefkühlbox gut gefüllt. Alles verwirrte sie. Die Kartons sagten ,kein Interesse'. Die Küche teilte im Gegensatz jedem mit, dass Schimmel keine Chance hatte.

      Möglicherweise versteckten sich die gemütlichen Dinge in den papiernen Kisten. Zu gern hätte sie einen Karton nach dem anderen aufgerissen.

      Diese Pappquader sahen wie eine aufgeschichtete Mauer aus, die widerspiegelte, wie stark Louis sich abgrenzte. Sein Wunsch nicht die Berufe zum Thema zu machen war ein Teil dieser Wand; sein Wunsch sie nicht in die Wohnung zu führen: Festung; dass er sie nicht kannte: hochgezogene Zugbrücke.

      Schlimmer für sie war, dass er sie anscheinend mochte und dennoch behauptete sie nicht zu kennen.

      Spielte er mit ihr? Wollte er ihr heimzahlen, weil sie damals so plötzlich unfreiwillig abgereist war? Sollte sie ihn darauf ansprechen?

      Nein.

      Sie weigerte sich sein Spiel zu spielen.

      Er war froh, als sie wieder im Auto saßen. Seine Idee, nicht über Berufe zu reden, lief völlig falsch. Er schämte sich jetzt, wie er wohnte. Ihr Appartement war gemütlich, ein Ort um sich zu erholen. Seine zwei Räume waren kalt und nichtssagend. Ihr Gesichtsausdruck beim Betreten der Wohnung genügte. Sie war enttäuscht. Wenn er jetzt mit seinem Beruf kommen würde, stünde er als Ausreden suchender Versager da. Er verstand nicht, warum sie vor dem Woolworth darauf bestand, ihn zu kennen, aus Brisbane, als Dreizehnjährige. Er sollte das Kaffeetrinken absagen. Anscheinend schien sie ihn zu kennen. An sie hätte er sich auf jeden Fall erinnert.

      Hatte er einen Doppelgänger? Sollte er das ansprechen? Oder einen Witz über seine Wohnung machen? Alles was aus seinem Mund kam, würde falsch sein. Daher sagten viele Männer in solchen Situationen lieber nichts. Louis war da ganz anders.

      „Vor drei Tagen“, begann er, „rettete ich einem Mann das Leben. Er sagte mir, dass er mit seiner Frau über fünfzig Jahre verheiratet war. Sie konnten stundenlang nebeneinander sitzen und schweigen und doch fühlten sie sich einander nahe. Wenn ein Partner das Schweigen nicht ertragen kann, muss er erklären, warum. Meine Wohnung ist, wie sie ist. Du bist enttäuscht. Ich schäme mich. Bisher war mir die Wohnung nicht peinlich. Jetzt ja. Aber Wohnungen sind veränderbar und ich habe jetzt Urlaub.“

      Gerade wollte sie ihn noch bitten anzuhalten. Jetzt war sie sprachlos. Sie blieb sitzen und staunte.

      Wenn sie bestimmt hätte, säßen sie im Starbucks. Er führte sie zu einer kleinen Kaffeebar im alten Fremantle-Hafen. Die erneuerten Lagerhallen boten kleinen Geschäften günstige Bedingungen.

      „Du hast die Qual. Traditionelle Röster bieten hier in Kleinmengen seltene Bohnen aus Äthiopien an. Wenn du magst, bestellen wir zwei unterschiedliche Sorten und teilen.“

      Sie nickte und fragte sich, warum Kaffee aus Äthiopien anders sein sollte als Starbucks Kaffee. Fototapeten zeigten Kaffeesäcke. Schlichte Holzstühle mit Ledersitzen. Paletten stützten die Bar oder bildeten Sitzgruppen auf der Terrasse.

      Die beiden Designer Tassen standen vor ihnen. Er schob ihr eine Tasse hin und eine zu sich. Der erste Schluck war eine Gaumenexplosion. Sie kannte die Werbeaussagen diverser Spots über Gaumenexplosionen. Dies war nach zahllosen Kaffeetassen dennoch ihre erste Gaumenfreude.

      Der Frust, dass er sie nicht kennen wollte, saß unvermindert tief.

      „Ich dachte, du führst mich zu Starbucks.“ Man ging einfach dorthin. Sie wusste nicht, warum sie auf Konfrontation aus war. Die Kaffeebar gefiel ihr, aber sie wollte dagegen sein. Sie suchte, um etwas gegen ihn zu haben. Ihr fiel nichts ein.

      „Für mich ist wichtig“, erklärte Louis, „dass die beiden deutschen Inhaber mit Hingabe ihre Kaffeesorten zusammensuchen und ihren Angestellten ordentliche Gehälter zahlen und selber Dacia fahren. Im Starbucks zahle ich überteuerte Getränke aus südamerikanischen