Christian U. Märschel

Kiez, Koks & Kaiserschnitt


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ein Mädchen älter ist, reifer, kann sie durchaus noch hübsch sein. Oder attraktiv. Aber sie weiß dann zuviel.

      Sie stellt Forderungen. An mich. Will mehr, als nur angesehen werden. Womöglich will sie heiraten. Oder gar Kinder haben. Womit wir dann wieder bei den Verantwortungs-Faktoren sind.

      Also - nichts für mich.

      Und erstaunlicherweise gibt es sie - die Kiddy’s, die sich erobern lassen wollen und die die ihnen zu Teil werdende Bewunderung genießen, gefahrlos für sich genießen können, weil ich ihnen von Anfang an die Sicherheit gebe, das ihnen durch mich keine Gefahr droht, nichts geschehen wird, was sie nicht wollen. Das testen sie ein, zwei mal. Und wenn es dann wirklich stimmt, mit der Sicherheit, dann hab ich sie für mich gewonnen. Da hab ich nichts davon? Wo bleibt der Spaß, fragst Du? Voyeure mit dem einzigen Anspruch an ästethische Perfektion des zu bewundernden Kunstwerkes, abhängig vom Geschmack des Jeweiligen, denken da anders, haben andere Maßstäbe, andere Parameter.

      Wassermänner - sind ständig auf der Suche, kommen nie an, sind immer nur auf dem Weg von der Vergangenheit Richtung Zukunft, planlos unterwegs, ohne Straßenkarte, nur mit einer wagen Vorstellung von der Richtung. Sie haben kein festes Ziel vor Augen, sie nehmen das nächstliegende Angebot eines Ziels dankbar an und versuchen, sich damit anzufreunden. Der Vorteil, den dieses Verhalten mit sich bringt, ist die Flexibilität. Wenn Du so veranlagt bist, musst Du Dich den rasch wechselnden Gegebenheiten schnell anpassen können. Du musst Ideen verwerfen können, Pläne vernichten, bereit sein, von Grund auf neu zu beginnen, mit dem Vorlieb nehmen, was gerade da ist. Genügsamkeit, Anspruchslosigkeit sind die Tugenden, die Du mitbringen musst für das Leben eines Wassermannes. Ebbe und Flut, ein Leben zwischen den Gezeiten und mitten darin. Ab und zu ein Fisch, manchmal ein reicher Fang. Eher selten. Die Meere sind leer gefischt.

      Mein Ziel ist es, das Ziel zu finden. Das Ziel des Lebens. Den Inhalt davon. Wofür das alles? Das weißt Du vielleicht, wenn Du schon nach dem Wechsel von der Grundschule zum Gymnasium einen Lebenstraum vor Augen hast. Du willst mal ein eigenes Unternehmen, ein Imperium vielleicht. Und arbeitest darauf hin. Machst Deinen Weg, Deine Ausbildung, tausende von Weiterbildungen, Kursen, Dein erstes Diplom, den Doktor, dann vielleicht noch den Professor. Dein privates Umfeld wächst, erst die eigene Bude, dann eine Wohnung, dann eine größere, zwischendurch einige kurze Afföhren, zum Kennenlernen der Materie, dann aber heiraten, Kinder, Beruf geht vor, Karriere fest im Auge, trotzdem: glückliche Familie. Dann das eigene Haus, ein Traum, lange geträumt, nun erfüllt, irgendwann hat die Hypothekenzahlung ein Ende, Zweitwagen, bar bezahlt.

      Freunde und Geschäftspartner kommen zu Dir nach Hause, zum Dinner, Du bist stolz, kannst es mit Recht sein.

      Tennis mit den Kollegen, später Golf mit den Geschäftsfreunden. Ein Alter in finanzieller Unabhängigkeit, immer noch zwischendurch da und bereit für die Firma, bis ins hohe Alter. Die Kinder und Enkelkinder kommen zu Besuch.

      Schön bis zum Ende, bis irgendwann das Licht ausgeht. Ein erfülltes Leben.

      Ich schreibe es auf, also kenne ich es. Oder ich kann es mir vorstellen. Man sieht ja viel davon im Fernsehen.

      Für mich wollte ich so was nie. Eigene Firma oder Golf spielen, ja. Aber nicht ein Leben lang. Nur einen kurzen Abschnitt lang. Mal machen. Aber darauf hin ein ganzes Leben ausrichten müssen? Nein, danke. Nichts für mich. Mir sind die Leute sympathischer, die im zehn Meter langen Wohnwagen wohnen, mit dem dicken Merser davor und heute hier sind und morgen da. Nicht die Menschen selbst, sondern deren Lebenseinstellung.

      Zigeuner. Fliegende Händler. Nomaden der Jetzt-Zeit.

      Nur mit dieser puritanischen Lebenseinstellung kannst Du, mit meiner Art zu leben, zurecht kommen. Erste kleine Bude, dann Luxuswohnung, jetzt wieder sechzehn Quadratmeter, armselig möbliert. Heute unten, morgen vielleicht wieder oben, die Hoffnung nicht aufgeben. Gestern: zehn Mill, ein Lacher. Heute: hundert Gulden, ein Vermögen! Es geht. Anpassen. Nie fordern. Immer zufrieden sein. Ebbe und Flut.

      Die Sonne geht abends unter und morgens wieder auf.

      Hoffentlich.

      Hier im niederländischen Fernsehen gibt es einen schönen, einen süßen Werbespot für natürliche Energiequellen und deren Nutzung. Ein kleines Mädchen sitzt hinten auf dem Fahrrad und fährt mit dem Papa durch die heile Natur, von der es in Holland jede Menge gibt.

      Text, in (in deutsch): "Pappiii! - Wird der Wind niemals müde?" (Papi: lächelt und strampelt munter weiter, gegen den Wind). Pause, die kleine Hand reckt sich gegen die Sonne: "Geht die Sonne - niemals aus?" Im Fernsehen kommt an dieser Stelle das Werbe-Logo eines Energieanbieters.

      Nein, ausgehen tut die Sonne nicht. Hoffentlich nicht. Denn dann wird’s kalt. Bitter kalt.

      Aber Wassermänner sind optimistisch.

      Das müssen sie auch sein. Bei den Lebensverhältnissen.

       Anja - die erste grosse Liebe

      Ich bin jetzt Ende 40.

      Und wenn ich von diesem biblischen Alter zurück blicke auf mein Leben, so war ich nie wirklich im Mittel-Alter. Zumindest fühlte ich mich nie so.

      Erst fühlte ich mich immer so „noch-nicht-erwachsen“. So mehr als Junge, nicht als Mann. Das ging so bis ich ungefähr 40 war.

      Jetzt, Ende 40, beinahe 50 schon, -das muss man sich mal vorstellen!-, fühle ich mich plötzlich alt. Nicht furchtbar alt, mehr so „schön alt“. Es stört mich nicht, und wenn ich mir vorstelle, noch einmal 25 sein zu sollen – nein, dann möchte ich das glaube ich nicht.Wenn ich jetzt ältere oder alte Menschen im Fernsehen sehe, denke ich darüber nach, dass ich jetzt wohl eher zu dieser Gruppe gehöre, als wenn in den nächsten Bildern junge Menschen sehe.Trotzdem möchte ich all die Erfahrung, das Wissen, den Lebens-Überblick, den man mit fortgeschrittenem Alter hat, nicht mehr eintauschen gegen die Vorteile der Jugend.

      Ich fühlte mich nie so ganz ausgereift, „ausgegoren“, hatte immer etwas scheu den „Erwachsenen“ gegenüber, zu denen ich damals auch schon längst gehörte, mich aber nie so fühlte.

      Wann ist mann eigentlich erwachsen?

      Früher, als ich noch ein Kind war, stellte ich mir vor, irgendwann, so in der Zeit wenn man achtzehn ist, gibt es einen Knall, einen Funkenregen, gepaart mit einem Feuerwerk, man bekommt einen harten Hieb mit einem Schwert auf die rechte Schulter – und dann ist man erwachsen.

      Auf diesen Schlag habe ich bis vor kurzem gewartet. Als er nun immer noch nicht kam, habe ich beschlossen, mich selbst für erwachsen zu halten, gleichzeitig erschrocken darüber, dass ich doch schon so alt bin, und mich gleich im Anschluss daran für alt befunden.

      Was ich vor allem nicht mehr zurück haben will, ist das Alter der „Balz“, die dir die dich umgebenden Gesellschaft vorschreibt. Du musst dich für Mädchen interessieren, du musst sie anmachen, erobern, du musst mit ihnen ins Bett und du musst deinen Freunden berichten, wie es war.

      Ich muss mich heute ncht mehr stylen, schick machen, tunen, aufmotzen, um irgend einer mehr zu gefallen als mein Kumpel oder mein Widersacher, der auch um die „eine“ balzt. Das ist vorbei. Gemocht habe ich das nie. Ich hatte sowieso schon immer einen ganz anderen Frauengeschmack als alle anderen. Ich habe mir immer die hübschesten, zartesten rausgesucht und umgarnt. Aber nicht mit der Aussicht auf Belohnung in Form von wilden Knutschereien oder den Vollzug des Vermehrungsaktes. Ich wollte sie immer nur vergottern, bewundern, von ihnen als Freund – als Kumpel- anerkannt werden. Je mehr sich so eine einseitige Beziehung zuspitzte und zur zweiseitigen zu werden drohte, je mehr begann ich, Abstand zu suchen.

      Am schlimmsten aber fand ich es, wenn ich ein erstes, zartes Ineresse zeigte, und mir das vom Objekt meines Interesses sofort mit Hingabe, noch mehr Interesse oder gar (körperlichem) Verlangen beanwortet urde.

      Selstsam?

      Das empfand ich eine Zeit lang auch so. Bis mir klar wurde, wie es eigentlich dazu kam.

      Anja