Ingo M. Schaefer

ARTIR - Krieger der Wahrheit


Скачать книгу

ich zuversichtlich.

      Da mir unbekannt war, wie ich mit Kraft Steine heiß machen konnte - ich glaubte jedenfalls, das sei möglich - half ich mir anders. Dafür brauchte ich Holz, das tote Fleisch der Pflanzen, einen roten Blodanth und meinen eigenen ehemals faustgroßen Saramanth, den ich an der Grenze zum ewigen Eis ausgegraben hatte. Vor einer Woche entzündete ich das letzte Mal ein Feuer. Rieb ich langsam den roten gegen den durchsichtigen Stein, fiel roter Staub auf Holz. Rieb ich ganz schnell, fiel weißer Staub und entzündete den roten Staub und das Holz. Ein Feuer brannte.

      Ich versuchte die verschiedensten Steine. Schwarzer Arkanth, gelbgrüner Azuranth, brauner Oroanth, gelboranger Lavsanth, violetter Zulianth, blauer Hazwoanth oder grasgrüner Tremolianth. Nur mit dem roten Stein, Blodanth, konnte ich ein Feuer machen.

      Im Kampf ums Überleben bedurfte es nicht mehr, dafür andauernde Wachsamkeit und stete Lauerstellung. Zudem hielt mein Feuer hungrige Zähne auf Abstand.

      Ich nahm meine Beute aus und briet sie. Das ergab Proviant für mehrere Tage. Mich der Früchte der Menschen bedienen? Jene um Proviant fragen, die mich vertrieben? Niemals. Ich fand in der Wildnis überall Essen.

      Eine Schwarzfeder zu zähmen, um mich zu tragen, war gemein. Aber ich wollte es durchziehen, weil ich mich dazu entschieden hatte. Einmal entschieden ging ich bis ans Ende.

      3

      Was ich mit Schönfell und ihren Vorgängern anstellte, damit sie mich leben ließen, wollte ich mit einem Herren der Lüfte wagen.

      Ich könnte in die Stadt gehen, beim nächsten Pfermenhaus anklopfen und fragen, wie diese zu zähmen seien. Niemals. Diese Leute sollten nicht denken, sie könnten mir Dienste erweisen, die ich erwidern musste.

      Insgeheim hoffte ich Menschen am Gürtel zu sehen. Eine Delegation, die zu mir kam, und mich in die Stadt einlud, mit Entschuldigungen und Versprechen. Diese Art Hoffnung ließ ich zuerst sterben.

      Am nächsten Tag jagte ich mehr Kleptrons, winkte kleine Ledergreife mit frischen Kadavern heran. Ab da folgten mir fliegende Schnäbel. Sie aus der Nähe zu betrachten, sie zu unterscheiden, hatte ich in den Jahren zuvor nie versucht.

      Bisher genügte mir zu wissen, wer mich fressen wollte und konnte. Dann gab es jene, die mich fressen wollten, aber nicht konnten, und viele, die zu beidem nicht in der Lage waren. Schwarzfedern besaßen bis zu fünf Meter gestreckte, gefiederte Körper mit sechs Flügeln. Sie konnten Stunden segeln. Sie flogen von den Bergen herab. Ihre Nester mussten groß und schwer sein, benötigten festen Untergrund, nicht das Schwanken der Bäume. Mit meiner Fütterung wollte ich ihre Aufmerksamkeit gewinnen. Ich ging davon aus, dass sie mich sahen, wie ich sie sehen konnte. Ohne Kapuze war weißes Haar auffällig genug. Sie sollten mich fressen wollen und zu Boden stürzen. Dann wollte ich bereit sein. Am Boden fielen sie den Naveren zum Opfer, die ich besiegte.

      Ich warf die lebende Beute zu den kleinen Fressern in die Luft. Nach zwei Tagen kamen sie zu mir geflogen und warteten bereits auf die Nahrung. Sturzkrallen und Ledergreife stritten miteinander und hackten aufeinander ein. Statt sich zusammenzuschließen und mich anzugreifen, suchte jeder einzelne seinen Vorteil, um ein saftiges Stück zu bekommen.

      Zum Schluss lag die Hälfte der Kleptrons zerfetzt am Boden und wurde Beute der kleinen Nestres. Ob ich richtig handelte, wusste ich nicht. Aber meine zukünftigen Transportmittel schienen mich genau zu sehen - wie ich sie.

      Das Fressfest der Kleinen sollte die Neugier der Großen wecken, wie der Teppich im Belt vor wenigen Tagen viele Vögel angelockt hatte.

      Mein Plan blieb vage. Wie kam ich an den Flieger überhaupt heran, damit ich ihn besteigen konnte? Sollte ich ihn verletzten wie die Navere, um ihn mir gefügig zu machen? Was, wenn ich ihn verletzte und er nicht mehr fliegen konnte? Dann schuf ich nur großes Leid.

      Ich jagte viel und überließ die zappelnde Beute meinen geifernden Begleitern, was eine Naverensippe nutzte. Die wunderbaren Springwunder weiteten ihre Jagdbeute auf satte schwerfällige Sturzkrallen aus. Das hatte ich nicht gewollt. Ich roch stark nach Naveren, sodass sie mich übersahen, oder die humpelnde Schönheit beschützte mich. Die Erdjäger dünnten die Luftjäger ziemlich aus und ich erreichte gar nichts. Das machte mich so wütend, dass ich den Sturzflug eines Jägers mit sechs Schwingen auf einen sechsbeinigen Jäger zuerst nicht bemerkte.

      Kein Schreien, kein Flügelschlag, kein Schatten.

      Meine Ohren hörten ein leises Summen. Als ich hoch sah, war es fast zu spät. Mit angelegten Flügeln schoss die Schwarzfeder auf die springende Sippe zu. Bald musste er sie öffnen, um den Sturz abzufangen. Er flog herab wie ein Stein, den jemand von oben nach unten warf und dadurch schneller wurde. Die Luft wurde schlagartig schwerer, dicker, fast als hätte jemand sie in Brei verwandelt. Um den stürzenden Körper herum flimmerte etwas Blaues. Mittlerweile drückte mich schwere Luft fast zu Boden. Ich blieb stehen. Die Naveren jaulten und alle anderen Lebewesen in der Umgebung.

      DAL wärmte meinen Arm. Die Hand und der Stock leuchteten weiß. Meine Naveren starben. Alle Wesen am Boden schrien. Wütend, weil ich nichts verstand, warf ich den Stock dem Vogel entgegen. Dann stieß mich eine unsichtbare Kraft zu Boden. Ich keuchte und japste nach Luft, als ob ich den Belt an einem Tag schwimmend durchquert hätte. Das Gewicht eines Berges lag auf mir. Ich schüttelte den Kopf, wehrte die beginnende Bewusstlosigkeit ab. Die Schwarzfeder starb mit einem Kreischen, als sei die gesamte Luft ein Laut, der die Knochen aller Lebewesen zersplitterte.

      4

      Der Druck war fort. Es war unnatürlich ruhig. Der Tod ist immer still. Ich richtete mich auf. Der Herrscher der Lüfte lag mit verrenktem Hals und gebrochenen Flügeln am Boden. Sein Schädel und der gefiederte Körper waren aufgeplatzt, wie alle Lebewesen im näheren Umkreis – bis auf mich. Was hatte mich beschützt? Die Naveren rührten sich nicht. Eine steinerne Faust schien sie zu Boden und Brei geschlagen zu haben. Verspritztes Blut bedeckte den Boden und auch mich.

      Mochte die Begegnung mit dem Armowass mich auf das Undenkbare vorbereitet haben, erschien mir die Kraft jetzt grauenhaft und böse, widerwärtig. Ich übergab mich.

      Ein blau schimmernder Schleier bedeckte die beiden schwarzen Federflügel. Als ich genauer hinsah, bestand der Belag aus tausenden kleinen noch lebenden Laubbaumblättern, die durchsichtig waren.

      Ich stand auf und näherte mich dem Wesen. DAL brannte und wechselte von weiß auf alle möglichen und unmöglichen Farben. Aber er tat mir nicht weh.

      Die Blätter zitterten, schienen Augen und Ohren zu sein. Sie waren mit meinem Armband und mir das einzige Lebendige im weiten Umkreis. Ich vermisste die Stimmen der Wildnis. Die Blätter richteten sich auf, wandten sich mir zu und schienen jeden Schritt, den ich tat, zu verfolgen. Es hatte die Luft beherrscht, sie dicht und schwer gemacht, dass alle Wesen außer mir am Boden zermalmt wurden. Wie der Armowass das Wasser beherrschte, es dichter machen konnte, damit er an die Oberfläche kam, ohne am geringeren Druck zu sterben, schien der Blätterschleier die Luft zu beherrschen – nein.

      Der Schleier war deren DAL. Mit ihm konnten sie in der Luft stehen, brauchten nie landen.

      Ich war verwirrt. Im Norden rissen Naveren Schwarzfedern. Ich sah die Gemetzel. Aber wenn sie über die Kraft verfügten, alle Wesen hier zu Brei zu schlagen, warum geschah dies nicht im Norden?

      Misstrauisch betrachtete ich DAL. Er zwickte mich und leuchtete nach wie vor abwechselnd in allen Farben. Ich stand vor dem toten Vogelkörper. Sein Leib war durchbohrt. Holzsplitter lagen verstreut umher. War das mein Stock gewesen?

      Obwohl jedes Blatt mich zu beäugen schien, hoben und senkten sie sich, während sie durchsichtiger wurden.

      Ich kniete nieder.

      Mein Plan war hinüber. Tote Naveren und tote Vögel lagen um mich herum. Ich führte meine rechte Hand sachte an ein Augenblatt heran. Ich erwartete einen Knall oder eine Explosion, aber es wich aus, zog sich vor meiner Hand zurück. Ich verharrte und wartete vergeblich darauf, dass der Schleier einen Kontakt suchte.