Karin Firlus

Gestrandet in Nairn


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drehte sich zu Lena um und hob warnend den Zeigefinger: „In diesem Bereich saugst und putzt du nur. Aber aufgeräumt wird hier nicht, auch in der Bibliothek nicht. Das wäre ein Sakrileg! Das Bad kannst du nach Herzenslust schrubben, aber hier drin nur die Böden säubern.“

      Lena fand dies nicht einmal besonders seltsam. Sie selbst würde auch nicht wollen, dass jemand Fremdes sich allzu lange in ihrem Schlafzimmer aufhielt, geschweige denn irgendwelche Gegenstände vom Nachttisch hochhob.

      „So.“ Sally führte sie in die Bibliothek auf der anderen Seite des Flurs. „Auch hier drinnen nur saugen.“

      Lena folgte ihr in einen großen, quadratischen Raum, der an drei Wänden von Bücherregalen gesäumt wurde, die bis an die Decke reichten. An der gegenüberliegenden Wand gaben die hohen Fenster den Blick auf Buchshecken frei, die wohl an der Seite des Hauses wuchsen.

      Vor der Bücherwand zur Rechten stand ein massiver Schreibtisch aus Mahagoniholz, davor ein Stuhl mit hellgrünem Lederbezug. Er sah so bequem aus, dass Lena sich fragte, ob man je wieder aufstehen wollte, wenn man sich einmal darauf gesetzt hatte. Er zog sie magisch an, aber Sally schien es schon als Sakrileg zu betrachten, die Bibliothek überhaupt betreten zu haben, wenn der Professor nicht da war, denn sie scheuchte Lena auf den Gang hinaus, bevor sie auch nur einen kurzen Blick auf die tausende von Büchern werfen konnte, die hier geduldig darauf warteten, in die Hand genommen und gelesen zu werden.

      Sally übernahm wieder die Führung, durch die Küche und in einen Raum dahinter.

      „Wie du siehst, ist hier die Vorratskammer und dahinter die Waschküche. Von dort geht es raus.“ Sie trat zu einer Tür, neben der zwei Paar Gummistiefel standen, schloss sie auf und ging hinaus in einen verwilderten Garten.

      Steine begrenzten Beete, die wohl einmal ordentlich angelegt worden waren. Jetzt wucherte Unkraut, kaum eine Pflanze war zu erkennen. Nur ein Beet war penibel sauber; es wuchsen Petersilie, Schnittlauch und einige andere Kräuter darin, die Lena kannte.

      Sally zeigte darauf. „Das ist das einzige Beet, das in Ordnung gehalten wird. Gartenarbeit war das große Faible seiner Frau. Seit sie nicht mehr ist, ist der Garten total verkommen, wie du siehst. Schade eigentlich. Aber Lucy hat absolut keinen grünen Daumen und der Herr Professor würde wahrscheinlich alles herausreißen, was nicht niet- und nagelfest verwurzelt ist. Nur die Kräuter sind ihm wichtig, weil er die gerne isst.“

      ‚Aha‘, dachte Lena, ‚da haben wir eine Gemeinsamkeit‘. Sie kochte gern und viel mit Kräutern.

      Sie schlenderte den Pfad entlang. Weiter hinten wuchsen ein paar Obstbäume, Kirschen und Äpfel. Davor war ein Brunnen; er stand in der Nähe einer Bank, die fast komplett von Efeu verdeckt war. Lena zog an einer Ranke und hielt bald einen endlos langen Strang in den Händen. Sie knotete ihn zusammen und warf ihn in die Biotonne, die mit Deckel, aber leer, neben dem Brunnen stand.

      „Funktioniert er noch?“, fragte sie.

      Sally nickte. „Ja, klar, mit dem Wasser wässert Lucy die Obstbäume und das Kräuterbeet.“

      Nur widerstrebend kehrte Lena mit Sally ins Haus zurück. Es lag eine friedliche, anheimelnde Atmosphäre über dem Garten, obwohl er total vernachlässigt war. Aber hier draußen spürte sie eine Leichtigkeit, die das Haus nicht vermittelte. Es wirkte ziemlich düster auf sie.

      ‚Kein Wunder‘, dachte sie, ‚dass der alte Mann grantig wirkt. Wenn er sich immer nur in diesen dunklen Räumen aufhält, muss er ja mit der Zeit depressiv werden‘.

      Sally sah auf ihre Uhr. „So, Mädchen, ich lasse dich jetzt allein. Ich hab um halb einen Termin. Und du musst dich allmählich ums Abendessen kümmern, wenn es pünktlich um sieben auf dem Tisch stehen soll.“

      Ein Blick zur Uhr sagte Lena, dass sie sich wirklich sputen musste. Sie dachte glücklicherweise noch daran, sich von Sally zeigen zu lassen, wie sie den Gasherd zum Laufen bekam, sie hatte nämlich bisher nur auf Elektroherden gekocht. Dann verabschiedete sich Sally.

      Kapitel 5: Mann, was für ein Mann!

      Als erstes stellte Lena einen großen Topf mit Wasser auf und suchte in den Schränken nach Salz. Dann nahm sie ein Brett und begann, den Schinken in kleine Würfel zu teilen.

      Um viertel vor sieben war der fertige Auflauf im Ofen, sie hatte den Tisch im Esszimmer gedeckt und den Salat angemacht, nur die Kräuter fehlten noch. Also ging sie hinaus in den Garten. Sie bückte sich übers Kräuterbeet und schnitt Petersilie und Schnittlauch.

      Sie war gerade dabei, auch Dill zu holen, als sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Sie streckte sich, sah beiläufig hinter sich und hätte beinahe vor Schreck Schere und Kräuter fallen gelassen.

      Zwei Meter hinter ihr, in der Tür, die zum Garten herausführte, stand ein Mann, der sie kritisch musterte. Er war groß, schlank und trug schwarze Jeans mit einem hellgrauen Poloshirt. Die dunkelbraunen, kurz geschnittenen Haare umrahmten ein schmales Gesicht, und er konnte höchstens Anfang vierzig sein.

      ‚Also nicht der Professor‘! schoss es ihr durch den Kopf. Sie bekam Angst, weil sie nicht wusste, wie sie den Eindringling wieder loswerden konnte. Sie umfasste krampfhaft die Schere in ihrer Rechten. „Wer sind Sie und was wollen Sie hier?“, fragte sie kampfeslustiger als ihr zumute war.

      Einen Moment starrte er sie ungläubig an, dann sagte er ruhig: „Das war eigentlich meine Frage. Aber sie ist nicht ernst gemeint, denn wir wissen beide, wer wir sind, oder?“

      Als sie keine Antwort gab, zeigte er auf ihre Hände. „Offensichtlich sind Sie dabei, das Abendessen vorzubereiten und folglich sind Sie die Aushilfe für Lucy. Und da ich hier wohne, bin ich wohl Gordon McNeil.“

      Lena stand da mit offenem Mund. „Sie sind der Professor?“

      Ein belustigter Ausdruck huschte kurz über seine ernsten Züge. „Ich denke schon. Wen hatten Sie denn erwartet?“

      „Nun,…“ verlegen hielt sie inne. „Nachdem, was Sally mir erzählt hat, dachte ich, Sie seien älter.“

      „Ah.“ Er sah sie wieder mit dieser Mischung aus kritischer Überprüfung und belustigter Überlegenheit an. „Tja, es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Aber sobald Sie sich von Ihrem Schrecken erholt haben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mein Abendessen fertig zubereiten würden. Ich bin hungrig.“

      Lena schnitt schnell noch Dill ab, aber dann ging sie betont gemütlich in die Küche. ‚Ganz schön arrogant‘, dachte sie. ‚Aber auch ziemlich attraktiv‘ …

      Der Auflauf roch schon von der Tür her verführerisch nach Knoblauch und Cheddarkäse. ‚Hoffentlich ist er nicht angebrannt‘, dachte sie. Während sie ihn mittels zwei dicken Topflappen aus dem Ofen bugsierte, wurde ihr bewusst, dass Professor McNeil von der Stelle aus, von der er sie beobachtet hatte, direkt auf ihr Hinterteil geschaut haben musste, das sie ihm nichtsahnend entgegengestreckt hatte. Vor Scham ließ sie beinahe die Auflaufform fallen.

      Sie stellte sie zum Abkühlen auf ein Brett und wusch die Kräuter, dann schnitt sie sie klein und streute sie über den Salat.

      Als sie die Schüssel in den Essraum brachte, saß er mit einer Zeitung vorm Gesicht an dem Platz, den sie für ihn gedeckt hatte. Sie stellte den Salat ab und wandte sich um, um den Auflauf zu holen, als er seine Zeitung senkte. „Sind Sie denn nicht hungrig?“

      Seine Frage überrumpelte sie. „Nun, ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich mit Ihnen essen soll.“

      Er nickte knapp. „Normalerweise tun Sie das auch nicht, aber heute Abend machen wir eine Ausnahme. Ich kenne Sie nicht, muss Ihnen aber während der folgenden Wochen mein Haus anvertrauen, wenn ich nicht da bin. Deshalb würde ich gerne ein wenig über Sie wissen.“ Als sie sich immer noch nicht vom Fleck bewegte, weil sie nicht wollte, dass er sie nach Strich und Faden ausfragen würde, zeigte er auf die schwere Eichenvitrine. „Nun holen Sie sich schon ein Gedeck und bringen Sie endlich den verdammten Auflauf herein.“

      Sie tat wie geheißen und dachte wieder, ‚arroganter Sack‘! Was