Günther Seiler

Tod auf dem Sockel


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wurde er sogar von einem aufmerksamen Zuhörer, einem jungen Mann, hingewiesen. Enno unterhielt sich nach dem Vortrag mit ihm und bedankte sich für den Hinweis. Dabei erfuhr er, dass dieser junge Mann schon einige seiner Seminare in Hamburg besuchte und ihm aufgrund des damaligen Vortrages von dem Herrn Professor von Höhenhaus eine Passage zum jetzigen Vortag auffiel. Alle Achtung, bemerkte Enno, Sie haben von mir gelernt. Der junge Mann wurde leicht verlegen. In dem Gespräch erfuhr Enno auch, dass der junge Mann nach seinem Studium zur Hochschule als Lehrer nach Rom gehen würde. „Na denn Prost, Herr Kollege“, sagte Enno und sie stießen mit den Gläsern an. Enno zog sich für den Besuch um und Heinrich wartete schon mit der amerikanische Stretchlimousine vor der Tür, das schmiedeeiserne Tor wurde schon von Heinrich per Knopfdruck automatisch geöffnet. Enno saß im Fond seines Fahrzeuges. Er sah zufrieden aus dem Fenster des Fahrzeuges und leise wie ein Kätzchen schnurrte die lange Limousine über die Landstraße nach Worpswede.

      Kapitel 2 Tagträume

      Daniel Böttcher kam gutgelaunt die Treppe aus seinem Haus gelaufen. Er suchte sein altes Auto auf und verstaute seinen Koffer mit seinen Utensilien auf dem Rücksitz des Fahrzeuges. „Hoffentlich springt der Motor an, denn in den letzten Tagen schwächelte die Batterie etwas“, dachte Daniel. Er hatte kein Geld für eine neue Fahrzeugbatterie. Von einer Anschaffung eines anderen gebrauchten Fahrzeuges ganz zu schweigen. Daniel Böttcher war ein junger Mann, der an einer hiesigen Schule in Nienburg an der Weser Sozialpädagogik studierte und mit Kindern schon immer gut umgehen konnte. Zeitweise war er der Überraschungsgast als Clown für Geburtstage unterwegs, aber das Geschäft lief nicht besonders gut. Man musste auch immer eine ganze Menge an Überraschungsgags für die Kinder auf Lager haben. Nur Konfetti hoch zu werfen und aus den Luftballons nach dem Aufpusten die Luft quietschend entweichen zu lassen, kam selbst bei den ganz kleinen Kindern nicht immer an. Die junge Generation der elektronischen Spielgeräte wollte schon etwas geboten bekommen. Daniel konnte sich finanziell keinen kleinen Zirkus leisten, der kleine rosa Elefanten durch brennende Ringe springen ließ und die Kinder dann gelangweilt ein „Cool“ ausriefen, wie er es einmal überspitzt einem Freund andeutete. Also überlegte sich Daniel etwas anderes. Er suchte lange nach Möglichkeiten, die etwas Geld einbringen würden und wofür man kein allzu teures Equipment brauchte. Erst überlegte er, ob er sich in seiner Freizeit als Straßenmaler auf wichtigen Marktplätzen bemühen sollte. Er konnte ganz gut Zeichnen und Malen, im Kunstunterricht stand er immer auf einer Eins, doch für diese Art der Kunst reichte es nicht aus. Er hatte auch keine große Lust, den ganzen Tag mit der bunten Kreide in der Hand auf dem Boden herum zu rutschen. Wenn dann das Werk endlich fertig war, kam bestimmt ein großer Wolkenbruch und alles war dahin. Die Kreidekunst auf dem Boden zerronn ihm nicht durch die Finger, sondern die Kunst löste sich schlicht mit dem Regenwasser zum nächsten Gully als gefärbtes Wasser in Wohlgefallen auf.

      Er wollte auf den Sockel des Lebens, das strebte er zumindest an. Also, er wollte sich als Pantomime vor einem Theater, Markt oder Kirche aufstellen. Dazu brauchte er einen Gewerbeschein und eine Nutzungsgenehmigung der jeweiligen Stadt. Ordnung musste ja sein und schon konnte er stehen, bis er schwarz wurde, pardon, ihm schwarz vor Augen wurde, wie sein Onkel diesen Plan missbilligend als brotlose Kunst abtat. Seine Schwester war eine gelernte Schneiderin und sie war von seinem Plan ganz fasziniert. Sie zeichnete diverse Kleidungsmodelle für ihn, als Clown, Biedermann, Bettler, Kardinal und wer weiß sonst noch etwas. Alles gefiel dem Daniel aber nicht so recht, bis er einmal im Kino einen Edelmann wie vor zweihundert Jahren sah. „Das war es“, dachte er. Schön bunt mit Brokat, kleinen Schleifen, eine entsprechende weite bunte seidene Hose und das obligatorische Tuch in der linken Hand. Das Gesicht war entsprechend weiß bis grell in den Farben zu schminken. Daniel war richtig euphorisch von seinem Plan, er dachte an nichts anderem mehr. Er stellte seine fertige Pose auf dem Sockel als Foto in das Internet, als er eines Tages Post von einer Anwaltskanzlei Vossegat und Roisbroek in der Grachtlane 11 aus Brüssel Neustadt bekam. Erst dachte er an eine Werbesendung von Rechtsanwälten, obwohl er schon wusste, dass die Eigenwerbung für Anwälte eng geregelt war. Als Daniel den Brief öffnete, wurde er erst blass und dann musste er sich setzten. Es handelte sich um eine Abmahnung nach dem deutschen, europäischen, sowie internationalem Urheberrecht. Denn er sollte weltweit gegen die Eigentumsrechte der Mandantin dieser Kanzlei aus Brüssel Neustadt, eine Pantomimenvermittlungsgesellschaft mit Vermarktungsrechten für Darstellungen von Pantomimen aller Art, von Kunstdarbietungen im Freien, sowie in Hallen, Theatern, Kinos, ja sogar im privaten Bereich verstoßen zu haben. Diese Pantomimengesellschaft vergab weltweit gegen eine Gebühr die Rechte, für freischaffende Darsteller Pantomimen aller Art auf öffentlichen und nicht öffentlichen Plätzen und Gebäuden sowie privaten Häusern und Wohnungen darzustellen. In der Abmahnung hieß es. Sie haben gegen diese Rechte unserer Mandantin verstoßen und Sie müssen eine Gebühr von siebenhundertfünfzig Euro zahlen, hinzu kämen unsere Anwaltskosten. Ansonsten werden wir Sie vor einem deutschen, notfalls europäischen Gericht zum Urheberrecht hin verklagen und das wird für Sie sehr teuer werden. Wenn Sie den Betrag innerhalb von zwei Wochen an uns zahlen, werden Sie automatisch Mitglied bei unserer Mandantin für eine Jahresgebühr von hundertfünfzig Euro. Dieser Jahresbeitrag war jetzt in der zu zahlende Summe enthalten. Ab dem nächsten Jahr zahlen Sie bitte diesen Beitrag von hundertfünfzig Euro jeweils bis zum 5. Januar eines jeden Jahres direkt an die Mandantin. Es galt eine Vertragsdauer von vier Jahren. Die Kontoverbindung lag anbei, hieß es lapidar. Sieh mal an, dachte Daniel, die haben sogar ein Konto in Deutschland. Er machte das Beste daraus, bat seine Tante um den Betrag und sagte ihr voller Stolz, er sei jetzt Mitglied in einem internationalen wichtigen Künstlerverein, die ihn auch betreuen würden. Jetzt begann seine schauspielerische Karriere meinte er, dabei sah er seine Tante mit festem Blick offenherzig in die Augen. Nachdem das Geld an die Kanzlei gezahlt wurde, bekam er die Mitgliedskarte mit einem freundlichen Begrüßungsschreiben und der beiliegende Schminkkasten war ein Begrüßungsgeschenk für den neuen Künstler. Man wünschte ihm alles Gute für den Sockel als Grundlage einer lukrativen, sowie freien Tätigkeit der Pantomimen, die die Welt bedeuteten. Er war jetzt sein eigener Herr mit frei zu wählenden Arbeitszeiten sowie Arbeitsorten. Kein Chef würde ihm jemals wieder Anweisungen erteilen können. Er durfte jetzt in ganz Europa und sogar weltweit seiner künstlerischen Tätigkeit ohne Einschränkungen nachgehen. Da boten sich im Urlaub ja ungeahnte Verdienstmöglichkeiten an. Den halben Tag würde er auf dem Sockel als Pantomime stehen und am Nachmittag, wenn es besonders heiß werden würde, lag er am Strand und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Der Urlaub würde sich quasi von alleine finanzieren. Wenn es gut liefe, könnte man ja locker noch ein paar Urlaubswochen anhängen. Er sah sich im Geiste schon auf seinem Balkon im Hotel die vielen Geldstücke durchzählen.

      Geldverdienen, durch pures Stillstehen auf einem Sockel. Daniel fühlte eine Welle einer Glückseligkeit bei diesen ungeahnten Möglichkeiten. Er sah sich weiter als Manager von Darsteller zu Darsteller im sonnigen Süden laufen, um die Einnahmen als Unternehmer zu kassieren. Eine Gelddruckmaschine auf einem simplen Sockel. Warum da bloß nicht mehr Menschen auf diese Idee kamen, fragte sich Daniel ernsthaft. Bloß keine Werbung für diese tolle Idee veranstalten. Wenn er zehn Jahre immer fleißig seine Jahresbeiträge pünktlich zahlte, so bekam er ein Angebot, für einen Jahresbeitrag von fünfhundert Euro zusätzlich bis zu vier Pantomimendarsteller auf seine Kosten zu beschäftigen. Diese tollen Aussichten standen in den Unterlagen seiner Künstleragentur aus Brüssel Neustadt. Diesen erweiterten Jahresbeitrag hätte er schnell durch die engagierten Teammitglieder wieder eingespielt und er würde sehr schnell im Plusbereich seines Verdienstes sein. Weitere lukrative Möglichkeiten in der Aufstockung bis zu zehn Mitarbeiter würden sich nach fünfzehn Jahren für ihn ergeben. Eine Voraussetzung war aber, dass die Beiträge immer pünktlich flossen. Beitragserhöhungen waren nach vier Jahren möglich. Der Wettbewerb sei hart und man wolle den Mitgliedern immer einen tollen Service mit wichtigen Informationen an attraktiven Standorten in aller Welt bieten. Dazu müssen unsere Mitarbeiter weltweit unterwegs sein, denn wir sehen uns alles selber vor Ort an. Wir gehen nach unserem Motto vor, alles aus erster Hand zu erfahren und dieser Service hatte natürlich seinen berechtigten Preis, meinte die Agentur für Pantomimenvermittlungen.

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