Günther Seiler

Tod auf dem Sockel


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nach der Norm ohne Rücksicht auf die Tide mit einem Tiefgang von mehr als sechzehn Metern die Ladung in einer Rekordzeit zu löschen und neue Container für Asien aufzunehmen. Es würde ein reger Pendelschiffsverkehr von Wilhelmshaven nach Asien als Normalität erfolgen, da war sich Enno mit der Senatorin ganz sicher. Er unterhielt sich auch mit Künstlern und Enno musste feststellen, dass er doch ein ganz gutes Allgemeinwissen auch über die Kunst hatte.

      Enno schlenderte zur Bar und traf dort die Gastgeberin Mechthild Brunckhorst. Donnerwetter, er war ganz erstaunt, sie hatten tatsächlich eine gutbestückte Bar aufgebaut und was das Beste war, ein richtiger Barkeeper wurde engagiert. Enno nahm die Karte und sah sie durch. Das war ganz gut für eine private Party. Es waren auch einige alkoholfreie Cocktails darunter. Enno brauchte aber nach den vielen Gesprächen etwas für die Zunge und für den Gaumen. Er fühlte vorher an seinem Sakko, ob er seine Zigarren in den kleinen runden Behältern mithatte. Sie waren an seinem Platz in der Innentasche. Enno bestellte sich einen Shame Faced, mit Rhabarbersaft, drei Teile Limettensaft, zwei Spritzer Tabasco, vier Teile Tequilla silver, zwei Teile goldener Rum. Das Ganze kam in einem nur leicht angekühltem Cocktailglas, leicht geschäkert und ganz vorsichtig, so als wollte man flüssigen Sprengstoff umfüllen, in das Cocktailglas abgegeben. Man sollte ganz vorsichtig das Cocktailglas anheben, nicht schütteln oder schwenken, sich auch von keinem Partygast anrempeln lassen und langsam genussvoll probieren. Shame Faced, von wegen schamhaft oder schüchtern, das löste geschwind die Zunge. Seine Gastgeberin, Mechthild Brunckhorst beobachtete Enno und den Barkeeper fasziniert. Wie einmal der Barkeeper, dem das Zubereiten dieses Cocktails sichtbar Freude machte und zum anderen Enno, wie er das Cocktailglas so vorsichtig anhob, als wenn das Glas zerbrechen könnte. Wie er genussvoll diesen Cocktail nicht nur trank, sondern wirklich kostete und dabei die Augen schloss. Er zelebrierte diesen Cocktail förmlich auf seiner Zunge. Enno widmete sich nach dem ersten Probierschluck, natürlich höflich wie er war, der Gastgeberein zu. Mechthild stellte ihr Rotweinglas ab und sie unterhielten sich angeregt über den Umbau ihres Ateliers und Hotels. Das Hotel bekam einen modernen Anbau für eine Erweiterung der Rotunde, sowie Gästezimmer mit Ateliers. Sie machte dennoch ein sorgenvolles Gesicht. „Was ist los?“, fragte Enno. „Stimmt bei dir oder bei euch etwas nicht?“ Nach der letzten Party vor einigen Wochen saßen Mechthild mit Theo und Enno als letzter Gast noch zusammen, da beschlossen sie, sich das Du anzubieten. „Nein mit mir ist alles in Ordnung, unser Hotel läuft prima, der Umbau ist fast fertig und über Malschüler und andere Gäste können wir nicht klagen. Ich mache mir ernste Sorgen über Theo “, sagte sie. Dabei drehte sie gedankenverloren an ihrem Glas, so als könnte sie in dem letzten Rest des Rotweines auf dem Boden die Antwort auf ihren Kummer finden. Enno ließ ihr Zeit, er genoss derweil diesen wirklich gelungenen Cocktail, als Mechthild aufsah und sagte: „Er war früher, als er noch im Dienst war, irgendwie fröhlicher, lustiger. Er sang immer unter der Dusche und wenn er die Treppe wie ein kleiner Junge herunter gestürmt kam und mir ein fröhliches guten Morgen schmetternd wünschte, zuckte ich manchmal zusammen. Heute kommt er mit einem mürrischen Gesicht die Treppe wie ein alter Mann herunter geschlichen. Sein Gruß kommt ihm zaghaft, fast tonlos über die Lippen. Manchmal vergisst er auch ganz den Gruß. Er macht hier zwar alles im Hotel sowie im Haus alles gut und ordentlich, ich habe aber das Gefühl, er macht es nicht aus seiner Überzeugung heraus, er macht es eben mit wenig Freude, wohl nur mir zuliebe. Ich glaube, er braucht eine andere Aufgabe, eine neue Herausforderung.“ Enno trank seinen Cocktail aus und sagte: „Ich bestelle für uns etwas ganz feines und zwar mit wenig Alkohol.“ Enno wendete sich an den Barkeeper, gab sein Glas zurück und sagte: „Der Cocktail war einfach große Klasse, Sie sollten sich zum nächsten Cocktailwettbewerb im Herbst melden, der findet in Paris statt und ich werde als Gast dort sein. Wir hätten gerne zwei Cocktails und zwar den Hope Less.“ Dieser Cocktail setzte sich zusammen aus: zwei Teile Limettensaft, zwei Spritzer Grenadine, zwei Teile frischen Preiselbeerensaft und zwei Teile braunen Rum aus Jamaika. Das Ganze mit gecrashtem Eis mittelmäßig Shakern, danach mit zwei Teilen gekühltem Eierlikör auffüllen und mit einem Limettenblatt am Strohhalm servieren. Dieser Cocktail stand nicht auf der Karte, der Barkeeper kannte ihn aber, er war in seinem Element und als die Cocktails kamen sagte Enno zu Mechthild: „Diese Cocktails heißen zwar Hope Less und das heißt hoffnungslos und verzweifelt. Ich bestellte sie aber nicht, weil du gerade von deinem Mann sprachst, der Cocktailname ist ein purer Zufall zu deinem Gespräch von eben. Dieser Cocktail ist sehr gut und leicht. Ich glaube, dein Mann ist wie ein alter Hirtenhund, wenn man den von seinen Schafen auf der Weide nimmt, eignet er sich nicht als Hund, um immer nur in der Hundehütte zu sein, er muss Auslauf haben. Ich habe etwas, bei meinem nächsten Auftritt als Jongleur auf der Kriminalbühne brauche ich einen Partner vom Fach und da ist Theo der Richtige. Ich sage das nicht aus Mitleid, sondern ich spielte schon lange mit dem Gedanken, mir einen geeigneten Partner zu zulegen.“ Dabei lächelte Enno ihr aufmunternd zu. Sie stießen mit den Gläsern an und Mechthild strahlte Enno an und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Enno wurde ganz verlegen. Als Gastgeberin musste sie sich noch mit einigen Gästen unterhalten und Enno sprach mit dem Barkeeper über das Treffen der besten Barkeeper von Europa in Paris zu einem Wettbewerb. Er hatte offenbar Interesse an dem Vorschlag von Enno gefunden. Da der Keeper noch sehr jung war, standen ihm alle Türen offen und Enno riet ihm, einfach als Besucher dort in Paris seinen Kollegen zuzuschauen. Enno glaubte, der Barkeeper würde wohl nach Paris fahren. Na, man wird sehen, eventuell wird Enno ihn dort treffen. Ein Bauunternehmer stellte sich zu Enno an den Tresen. Das war der Unternehmer, der den Umbau an dem Objekt der Brunckhorst vornahm und Enno lobte seine Arbeit. Da Enno vor hatte, die Dächer seines Anwesens mit Reet neu decken zu lassen und Enno war mit dem bisherigen Dachdecker nicht sonderlich zufrieden, bat Enno den Bauunternehmer, ihm einen guten Dachdecker für Reetdächer zu nennen. Dieser wollte sich darum kümmern und Enno anrufen. Enno sah noch einmal die Karte durch und bestellte sich den Cocktail Vagabound Silver Moon. Dieser Cocktail hatte die guten Zutaten von: vier Teile Scotch, ein Teil frisch gepressten Grapefruitsaft, ein Teil Creme de Bananas, zwei Teile Gin und zwei frische Erdbeeren mit Sahne als Häubchen. Der Witz an diesem Cocktail war nicht nur das Shakern, sondern der Inhalt wurde blitzartig umgestülpt. Das neue Glas durfte nur ganz kurz vorher aus dem tiefgekühlten Eisfach genommen werden. Als Krönung sozusagen wurden die Erdbeeren drapiert und mit dem Sahnehäubchen verziert. Die kleine Scheibe Orange, in Kristallzucker gerändert kam auf die Glasseite und fertig war der Vagabund im Silbermond. Hier fehlte nur noch das fahle Mondlicht im Freien vom Teufelsmoor und nach einigen Cocktails sah man die Elfen auf dem Moor im Mondlicht sachte im Wind miteinander tanzen und singen. Enno bedankte sich auch für diesen letzten Cocktail, als sich Theo Brunckhorst auf den freien Hocker neben Enno setzte. Enno wollte gerade mit seinem Handy Heinrich zum Abholen anrufen, er steckte sein Handy aber wieder ein und sah Theo an. „Na alter Knabe, das ist ja eine gute Party bei euch“, sagte Enno zu Theo, der sich an der Bar ein Pils einer hiesigen norddeutschen Brauerei bestellte. „Danke sehr“, meinte Theo. „Mechthild hatte mich gerade von eurer Unterhaltung informiert und es ist für mich eine Ehre, wenn du mir etwas in dem Sektor der Privataufklärer anbietest. Ich werde es mir überlegen und ich könnte mir vorstellen, sozusagen als Teilzeitarbeiter mal einen Fall zu übernehmen oder mit dir gemeinsam etwas zu machen. Aber so wie du deine Fälle bisher gelöst hast, das traue ich mir doch nicht zu. Ich bewunderte dich immer, wie du dich wie selbstverständlich in der Welt bewegst, als würdest du dort in dem jeweiligen Land wohnen. Auch hapert es bei mir an der Sprache“, sagte Theo unsicher. „Keine Sorge, ich bin an deiner Seite und wir können uns ja die Fälle aussuchen. Du hast die Polizeiarbeit von der Pike auf gelernt und du weißt genau, wie der Polizeiapparat funktioniert und noch ein Vorteil sehe ich bei dir. Du hast Verbindungen, an die ich niemals kommen könnte. Lass dir Zeit und überlege es dir“, sagte Enno freundlich und holte jetzt aber sein Handy aus der Tasche und telefonierte kurz mit dem Butler Heinrich in Trochelwarft.

      Kapitel 4 Der Oberstaatsanwalt

      Der zuständige Oberstaatsanwalt Friedo Naujoks für Nienburg an der Weser und Verden an der Aller, der seinen Amtssitz aus praktischen Gründen in den Räumlichkeiten des Amtsgerichtes in Nienburg hatte, war schlecht gelaunt. Seine Schwester, mit der er schon lange zusammenlebte, ranzte ihn heute Morgen kurz vor dem ersten Schluck Kaffee an, weil ihr Auto immer noch nicht in der Werkstatt repariert wurde. Er reagierte schroff zurück und blaffte seine Schwester an. „Was soll ich denn machen,