Alexandra Bauer

Die Midgard-Saga - Niflheim


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etwas zu erwidern, hob Thea die Hand und bedeutete Juli mit einem Tippen auf den Handyrücken, dass ihre Mutter abgehoben hatte. In kurzen Sätzen berichtete Thea von ihrem Vorhaben und verstrickte sich sofort in eine Debatte. Als Thea das Telefon vom Ohr nahm, sah Juli sie fragend an.

      „Und?“

      „Sie holt mich in einer Stunde ab“, sagte Thea enttäuscht.

      „In einer Stunde? Alter! Warum das?“

      Thea seufzte. „Weil ich Computerverbot habe und sie das anscheinend durchziehen will.“

      „Himmel! Dann fällt spielen heute aus“, knurrte Juli.

      Thea zuckte entschuldigend mit den Schultern.

      Bei Juli angekommen, warfen sie ihre Rucksäcke in die Ecke. Juli schaltete unverzüglich den PC an und setzte sich an den Schreibtisch. Thea zog sich einen Stuhl heran und nahm neben ihr Platz.

      „So, dann wollen wir mal“, sagte Juli und rückte ihre Brille zurecht, während sie aufmerksam auf den Monitor starrte. Sie wartete, bis der PC hochgefahren war und startete den Explorer. Rasch war der Name Thor in der Suchmaschine eingegeben. Sie fügte noch rasch den Namen „Polizei“ und ihr Heimatdorf ein. Thea wartete kommentarlos, was die Suchmaschine ausspuckte, doch die Ergebnisse verwiesen weder auf eine fiktive Figur, noch auf eine reale. Stattdessen deckten die Links nur allerlei Nachrichten über das Städtchen auf, die nichts mit Thor zu tun hatten.

      „Aufgefallen sind sie wohl noch nicht“, kommentierte Juli und diesmal gab sie nur den Namen des Gottes ein. Thea äugte gespannt über Julis Schulter.

      „Hier steht es. Thor, Gott des Donners“, erklärte Juli. Sie deutete auf die Seite. „Deine Verrückten scheinen sich zumindest damit auszukennen.“

      „Ist ein Bild dabei?“

      Vorwurfsvoll blickte Juli hoch. „Als würde dir das etwas nutzen“, sagte sie mit strengem Blick und las weiter: „Hier steht, Thor sei Bekämpfer der Riesen und Beschützer Midgards und der Götter. “

      „Midgard?“

      „Warte.“ Juli hackte den Namen in die Suchmaschine. „Cool, es gibt ein Rollenspiel, das so heißt.“

      „Juli, bitte“, grunzte Thea.

      Juli lachte. „Keine Sorge, wir klären das jetzt“, versprach sie und klickte den Link darunter an. „Midgard bezeichnet in der germanischen Mythologie die Welt der Menschen“, las Juli vor.

      „Also die Erde“, brummte Thea.

      „Vermutlich“, nickte Juli. „Midgard, Welt der Menschen, die Regenbogenbrücke Bifrost verbindet Midgard mit Asgard. Asgard ist nach der Edda der Wohnort des Göttergeschlechts der Asen.“ Sie blickte verzweifelt auf die Zeilen. „Oh mein Gott, ist das umfangreich.“

      Sie scrollte die Seite runter, ohne den nachfolgenden Aufzeichnungen Beachtung zu schenken, bis Thea sagte: „Was ist das für ein Baum?“ Sie deutete auf den Monitor.

      Juli beugte sich vor. „Die Weltenesche Yggdrasil. Sie verkörpert den gesamten Kosmos.“ Sie stieß einen langen Seufzer aus. „Das ist nichts, was wir in zwei Minuten nachgeschlagen haben. Ich wusste gar nicht, dass es da so eine große Geschichte drumherum gibt. Schau mal, es existieren noch etliche Welten mehr und alle sind irgendwie von dem Baum umspannt.“

      „Von solchen Welten hat die Frau gesprochen. Guck mal, ob du etwas über diese Wal-Freya findest.“

      „Ja, vielleicht bringt das mehr“, nickt Juli. Das Hämmern der Tastatur erfüllte den Raum. „Nix. Wie wird das denn geschrieben?“

      Thea zuckte mit den Schultern.

      Juli tippte einige Varianten in der Suchmaschine ein und quiekte schließlich verzückt auf. „Hier ist was. Hier heißt sie aber nur Freya. Wunderschöne Göttin aus Folkwang … ah hier. Trägt viele Namen, Wal-Freya rufen sie dich, Oberste der Walküren und Gefährtin Odins …“

      „Was ein Durcheinander“, stöhnte Thea.

      „Auf jeden Fall scheint deine Wal-Freya auf Katzen abzufahren. Hmmm … Hier steht, sie sei die Göttin der Liebe. Verstehe ich nicht! Ich denke, sie ist Walküre! Was stimmt denn jetzt?“

      „Egal! Schau noch mal nach diesem Thor.“

      „Das führt doch zu nichts. Das sind alles Figuren aus der nordischen Mythologie. Wir sollten lieber in den Nachrichten nachschlagen, ob ein paar Irre aus der Anstalt entflohen sind“, raunte Juli. Als sie jedoch Theas fordernden Blick erntete, suchte sie rasch wieder nach dem Namen des Gottes.

      „Trägt den Hammer, aus dem er Blitze zucken lässt“, las Juli vor und brummte dann nachdenklich: „Wie in den Spielen eigentlich.“

      „Ja, ich weiß. Lies weiter!“, drängelte Thea.

      „Kämpft gegen die Midgardschlange, diese ist ein Kind Lokis …“

      Thea sprang auf. „Das war der Name von dem, der das Schwert haben will!“, rief sie aufgeregt.

      „Loki hieß der? Na dann schlagen wir den mal nach“, brummte Juli. „ Wow!“

      Hastig schob Thea Juli ein Stück auf dem Schreibtischstuhl weiter. „Was?“

      „Loki, von logi „Feuerbringer“. Hat ständig böse Gedanken und listige Einfälle …“

      Thea stellte sich hinter Juli und beugte sich nahe an den Monitor. „Steht da was von dem Schwert und Fengur?“

      Juli überflog den Text. „Nö. Aber davon mal abgesehen ist das schon ein interessanter Zufall, dass du deinen Spielcharakter ganz ähnlich genannt hast, oder?“

      „Was? Stimmt!“ Thea konnte nicht umhin, wegen dieses Zufalls Unbehagen zu empfinden. Ihr Charakter hieß Fengurd – der Schmied, von dem die Verrückten erzählten, Fengur!

      „Es gibt hier ein paar Islandpferde, die so heißen, wie passend. Übersetzt heißt der Name soviel wie Beute, Gewinn.“

      „Gib mal Fengur zusammen mit Loki ein.“

      Rasch tippte Juli die Namen in die Suchmaschine. „Nix, nur deine Pferde.“ Juli lachte.

      „Das hilft mir nicht weiter.“

      „Am besten vergisst du die Sache einfach. Du wirst diese beiden Gestalten sicher nie wieder sehen.“

      „Das will ich hoffen.“

      Plötzlich klingelte es an der Tür.

      Thea sah auf die Uhr und seufzte. „Das wird meine Mutter sein“, vermutete sie. Seufzend warf sie sich den Rucksack über die Schulter.

      „Sie zieht es tatsächlich durch!“, schimpfte Juli.

      Thea lachte. „Meine Mutter ist fast so hartnäckig wie du. Ich werde versuchen, sie weich zu klopfen. Du bleib so lange am Leben!“

      Entgegen aller Vermutungen ließ sich Frau Helmken nicht dazu erweichen, das Computerverbot aufzuheben und so wurde Thea am nächsten Tag von einer sehr übel gelaunten Juli begrüßt. Wieder einmal war Malefiz nicht in der Lage gewesen sie ausreichend zu schützen.

      „Heute gibt es keine Ausreden mehr, Thea! Ich begleite dich nach Hause und dann werde ich die Sache ein für alle Mal mit deiner Mutter klären“, drohte Juli nach der Schule scherzend an. Thea lachte und fiel ihrer Freundin um den Hals.

      „Du bist die Beste!“

      „Oder du kommst gleich mit, so wie immer!“

      „Sie wird sich Sorgen machen. Wir sollten wenigstens kurz nach Hause gehen und Bescheid sagen, dass ich bei dir bin.“

      Juli winkte mit ihrem Smartphone. „Handy?“

      Vorwurfsvoll legte Thea den Kopf schief. „Sie wartet doch mit dem Essen.“