Alexandra Bauer

Die Midgard-Saga - Niflheim


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werden.“

      „Ein wiedergeborener Schmied. Das ist vollkommen verrückt!“, stieß Thea aus.

      Wal-Freya lächelte. „Ebenso verrückt wie in Asgard zu sein?“

      Thea atmete hörbar ein. „Aber ich kann mich nicht erinnern.“

      „Das ist auch richtig, denn so ist es vorgesehen. Doch tief im Verborgenen weißt du es, es ist in dir.“

      Thea musste unwillkürlich an ihren Spielcharakter denken. Fengurd …

      „Im Spiel habe ich mich Fengurd genannt“, raunte sie.

      „Das ist die weibliche Form von Fengur“, erklärte

       Wal-Freya offenherzig.

      „Und ich habe mir den Namen selbst gegeben“, sagte Thea fassungslos.

      Wal-Freya lächelte. „Siehst du, tief in deinem Innern kennst du deinen alten Namen noch. Das, was ihr Menschen Intuition nennt, ist in Wirklichkeit die Erfahrung eurer vergangenen Leben. Sie führt und leitet euch, ohne dass ihr sagen könnt, warum.“

      „Es ist dennoch total verrückt.“

      „Und trotzdem bist du Fengur, der Schmied. Ich sagte dir, wir hätten lange nach dir gesucht. In Wahrheit warteten wir etliche Jahre, bis du dich zu einer Reinkarnation entschieden hast. Ein Nachfahr Fengurs wäre schon vor Jahrhunderten gefunden gewesen, doch dieser kann Kyndill, das Schwert, welches du damals mit Loki geschmiedet hast, nicht führen. Keiner kann es. Jeder andere würde daran verbrennen.“

      „Verbrennen?“

      „Es ist ein Flammenschwert, einzigartig in der Welt.“

      „Und weshalb kann ich es führen und niemand anderes? Warum ihr nicht? Ihr seid Götter“, erwiderte Thea.

      Auf einmal lachte Wal-Freya. „Ihr Menschen glaubt auch, dass Götter immer alles können müssen. Glaube bloß nicht an all diese Sagen.“ Sie blickte Thea eindringlich an. „Es ist ein magisches Schwert“, antwortete sie bedeutungsvoll.

      „Wie lange ist es verschwunden?“

      „Es ging verloren, kurz nachdem du es geschmiedet hast“, erklärte Wal-Freya.

      „Aber wenn es gleich verschwunden ist, wie könnt ihr dann wissen, dass es existiert, oder dass es in all dieser Zeit noch niemand anderes gefunden hat?“

      „Glaube mir, wäre ein so mächtiges Schwert in die Hände von irgendjemandem geraten, hätten wir davon gehört.“

      „Nun ja, wenn ihr sagt, es kann niemand führen, dann kann es ja auch niemand besitzen“, erkannte Thea und Wal-Freya zuckte mit den Achseln.

      „Wir vermuten es. Möglich ist aber auch, dass es jemand besitzt und es seine wahre Magie nicht zeigt.“

      Thea schüttelte verwirrt den Kopf. „Das ist mir zu kompliziert. Außerdem … Vielleicht gibt es das Schwert ja schon gar nicht mehr. Nach 1500 Jahren ist es vielleicht schon weggerostet …“

      Wal-Freya hob die Hand. „Odin hat es gesagt. Er ist allwissend.“

      „Und weil ich mit dem Schwert verbunden bin, soll nur ich es finden können?“

      „Vermutlich, und Loki, denn er half dir, es zu vollenden und wir wissen, dass er es schon in den Händen hielt. Darum ist es so wichtig, dass du es findest. Wenn Loki es vor dir bekommt, wird er es benutzen, um die Asen zu vernichten.“

      „Wie könnt ihr euch so sicher sein, dass ich es geschmiedet habe?“

      „Thor hat dich, Fengur und Loki, mit dem Schwert gesehen.“

      „Und weil ihr um euren Kopf besorgt seid, soll ich meinen riskieren“, entgegnete Thea vorwurfsvoll.

      „Sei nicht ungerecht! Es geht dabei nicht nur um uns! Sind die Asen vernichtet, wird Loki sich die ganze Welt untertan machen. Odin schuf Midgard einst, damit die Menschen vor den Trollen und Riesen geschützt leben können. Die Asen achten auf die Menschen, Loki wird es nicht tun.“

      „Aber was kann ich machen? Ich bin ein Mädchen, keine Schildjungfer, wie du.“

      Wal-Freya lächelte milde. „Wenn du willst, werde ich dich begleiten.“

      Thea runzelte die Stirn. „Wirklich?“

      „Versprochen. Aber gehen musst du. Es führt kein Weg daran vorbei.“

      „Habt ihr denn wirklich schon alles versucht, um es zu finden?“

      „Ja, aber wir waren nicht in der Lage dazu. Magische Schwerter haben meist eine besondere Verbundenheit zu ihrem Besitzer, darum glaubt Odin, dass du es kannst. Vor dir wird es sich nicht verstecken.“

      Thea seufzte tief. „Ich werde es versuchen, aber du musst mir versprechen, dass ihr mich wieder gehen lasst, wenn ich keinen Erfolg habe.“

      „Wenn es soweit ist, bestimmt“, wich Wal-Freya aus. „Lass uns zurück in den Saal gehen.

      Thea nickte und folgte der Asin. Thor hatte inzwischen die Kleider gewechselt. Statt der Jeans und dem T-Shirt trug er nun eine schwarze Pluderhose und eine rote Tunika mit weißen Verzierungen an Ärmeln, Halsausschnitt und Saum. Um die Handgelenke schlossen sich lederne Armschienen. Er lief um die Tafel herum, bediente sich mal hier mal da an den Speisen und nahm ausgelassen an den Gesprächen am Tisch teil. Als Thea den Raum betrat, erstarb die Unterhaltung.

      „Sie macht es“, verkündete Wal-Freya sofort und die Asen klatschten Beifall.

      Odin, inzwischen wieder auf seinem Hochsitz, stützte die Hände auf die Armlehnen. „Dann los! Ihr solltet keine Zeit verlieren“, forderte er sie auf.

      Ein Mann mit kurzen blonden Haaren und bartlosen Gesicht erhob sich. „Du willst sie doch nicht so losschicken! Ehe sie aufbricht, muss sie das Kämpfen lernen. So kann sie nicht gehen.“

      „Dafür bleibt keine Zeit, Forseti!“, rief ein anderer, dickleibiger Mann. Sein Haar war dunkel und wallte dicht und lang um seinen Kopf.

      „Es muss Zeit bleiben, Heimdall!“, widersprach eine Frau, die ein helles Kleid, gleich ihrer Haare trug.

      „Sie kann doch schon alles, Saga“, wandte Wal-Freya ein.

      „Aber sie kann sich nicht erinnern, das weißt du doch!“, erwiderte die Frau.

      Wildes Stimmengewirr brauste auf, als alle Asen versuchten, sich gegenseitig zu übertönen. Nur Odin schwieg und schaute dem Treiben von seinem Hochsitz aus zu. „Bringt beide zu den Nornen“, sprach er schließlich und mit einem Mal herrschte Stille im Götterpalast.

      „Zu den Nornen?“, fragte einer von ihnen ungläubig.

      „Urd wird es ihnen offenbaren. Wal-Freya, du wirst sie zu ihr bringen.“

      „Ich werde sie begleiten“, sagte Thor bestimmt.

      „So soll es sein. Danach kehrt zurück.“

      Thor trat zu Wal-Freya und diese forderte Thea und Juli auf, mit ihr zu kommen. Sie verließen den Saal und betraten den Weg, der sie hinab auf die Wiese führte.

      „Was sind diese Nornen bloß wieder?“, fragte Juli unterwegs. Sie zückte ihr Handy und drückte mehrmals mit dem Finger auf das Display. „Kein Empfang. Wäre auch zu schön gewesen“, knurrte sie.

      „Willst du deine Mutter anrufen“, kommentierte Thea sarkastisch.

      „Deine Nornen wollte ich nachschlagen!“, erwiderte Juli und steckte das Gerät zurück in die Tasche.

      „Es sind nicht meine Nornen!“, maulte Thea.

      „Sie sind Schicksalsgöttinnen. Sie wissen was war, was ist und was sein wird“, erklärte Thor.

      Sie kehrten zurück zur Wiese, auf der sie zu Anfang gesessen hatten. Von dort liefen sie noch ein Stück, ehe sie auf eine mannshohe Wurzel trafen, die sich quer über das