Jozi Salzberg

99,9 %.


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Okkupation geschah vor ihren Nasen und doch bemerkten es die Menschen nicht. Die Leute des Untergrundes werden solches eines Tages zu verhindern wissen, schwört Sieben. Wenn etwas zu beweisen wäre, dann müssten die Super-Reichen Zeros, diese verfluchten Nullen - in der zukünftigen Weltordnung nachweisen, wie sie an ihren Reichtum gekommen sind – abgesehen davon, dass eine Obergrenze für Grund- und Geldvermögen gezogen wird. Alles andere wird an die Kleingemeinde gehen (wiederum bis zu einer Obergrenze) und alles darüberhinaus erwirtschaftete erhält die Großgemeinde für gemeinschaftliche Projekte, die der Region und der Weltgemeinschaft zugleich dienen sollen, zum Beispiel soll dieses Geld in die Bildung und Ausbildung investiert werden. Das wird es nicht mehr geben, dass jemand unermässlichen Reichtum anhäuft und sich darauf beruft, dass die Politiker und die Gesetze auf seiner/ihrer Seite waren, das würde in der Zukunft eine ungenügende Begründung sein – etwas wie den TPP (Trans-Pacific Partnership) des Jahres 2012 wird es niemals wieder geben – die Menschen wissen, wohin das geführt hat – zur Herrschaft der Finanzinvestoren. Vielmehr werden Leute, die im Vergleich zu den anderen in der Kleingemeinde unnatürlich große Reichtümer anhäufen, nachweisen müssen, auf wessen Kosten (Mensch? Tier? Natur?) ihr Vor-Teil ging. Den Nach-Teil werden sie ausgleichen- beziehungsweise wiedergutmachen müssen. Die globale Internet-Gemeinde hat es so entschieden.

      Im Zweifelsfall wird eine per Zufallsgenerator zusammengestellte Schlichtungsstelle über die Angelegenheit beraten. Die Resultate werden der Kleingemeinde unterbreitet. Dann erst wird entschieden. Dabei hat jedes Mitglied der 5000-Seelen-Gemeinde das Stimmrecht. Stets soll die Basis entscheiden, der Einfachheit halber per Mausklick.

      Tatsache ist, dass man 2012 ohne Schwierigkeiten feststellen hätte können, wie die Ungleichgewichte in der Welt seit Jahrzehnten stetig zunahmen, weil sich einige Wenige (die Konzerne, die totalitären Regime, Diktatoren, die sogenannte „post-demokratische“ Polit-Kaste) im großen Stil über die Interessen der vielen anderen hinwegsetzten.

      Das Wie, Wen, Was präsentierte sich mit Absicht sehr verworren. Der „Mensch von der Straße“ meinte deswegen, nichts „dagegen“ tun zu können. Das sogenannte „Informationszeitalter“ scheint nachträglich besehen gezielt zur Desinformation genutzt worden zu sein. Die Hintermänner hatten keine geheimnisvollen Beweggründe, sondern waren schlicht unersättlich. Alles wurde aufgebauscht, es wurde sogar manche Nachricht erfunden und später „aufgedeckt“, man glaubte nichts mehr von dem, was man in der Zeitung las.

      Nein, die Häufung der Frageworte - „Wer wie wen warum beeinflusst hat, um was für ihn zu tun“ - das ist wirklich kein Mysterium, wiederholt sich Sieben in der Hoffnung, jemand möge ihr glauben und systematische Überlegungen anstellen. Für das EU-Parlament lag es doch auch klar auf der Hand, als es die Lobbyistin und Ex-Monsanto-Mitarbeiterin für einen bedeutenden EU-Posten ablehnte. Leider war die Macht der Konzerne zu diesem Zeitpunkt bereits unermässlich. Das hat keine(r) rechtzeitig durchschaut. Immerhin waren für die Tagebuchschreiberin die Konzerne schon 2012 ein „rotes Tuch“ gewesen, ohne dass sie geahnt hätte, wohin die angefeindeten Zügellosen die Welt manövrierten:

      „Die mächtigen Konzerne, die können es sich richten. Die können LobbyistInnen auf die PolitikerInnen ansetzen, um sie zu „überzeugen“, was man durchaus doppeldeutig auffassen darf – die Korruptionsaffären beweisen es.

      Dem gegenüber können sich „Ich-AGs“, kleine und mittelgroße Betriebe sowie „einfache“ Leute keine LobbyistInnen leisten, sind daher von vorne herein aus dem Rennen. Auch sie (die „Kleinen“), sind tüchtig, sind klug, haben Ideen, stecken ihr Geld in ihre Unternehmen, gehen das Risiko ein, viel zu gewinnen oder alles zu verlieren. Wer das alles macht, der soll auch mit schönen Profiten belohnt werden. Wenn er/sie alles alleine schafft, gebührt ihm/ihr der ganze Erfolg abzüglich der Steuern. Wenn er ArbeitnehmerInnen/PartnerInnen benötigt, um einen Profit zu erzielen, dann muss er diesen anschließend teilen. Sollte man meinen. Genau hier hapert es. Am Entrichten der Steuer und am Teilen. Anscheinend teilt keiner freiwillig und auch nicht gerecht.“

      A propos: „Er“ hat Sieben versichert, in seiner Zeit als „halber Zero“ seine Kanzlei-MitarbeiterInnen sehr gut entlohnt zu haben. Das will sie ihm glauben, denn er ist ein integrer Mann. Außerdem fühlt sie sich außerstande, negativ über ihn zu denken. Nun, andere ArbeitgeberInnen teilten ihre Gewinne nicht so selbstverständlich wie er. Nein, auf Freiwilligkeit kann man keinen Staat bauen. Die Politik ist da gefordert. Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts scheint sie überfordert gewesen zu sein. Oder unfähig. Sieben liest, was sie sich einst dazu überlegt hat:

      „Schaut die Gesetzgebung penibel auf gerechte Zustände, dann gibt es keine Probleme in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft. Ein Jeder und eine Jede bekommt seinen/ihren Anteil – und führt einen gerechten Teil als Steuer an die Gemeinschaft ab.

      Ich bin betrübt: 2012 ist dem nicht so. Seit Jahren ist es das nicht. Was ist mit der Gesetzgebung nur los? Die Waage steht zu Ungunsten der ArbeitnehmerInnen. Sie haben zwar den Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammern, um für sie zu „lobbyieren“ - so nennt man es neuerdings. Aber leider, leider tut sich nichts Positives.

      Nehmen wir einmal die österreichische Arbeiterkammer als vermutetes Beispiel dafür, warum das Lobbying für die ArbeitnehmerInnen nicht funktioniert. Vom finanziellen Hintergrund her ist die Arbeiterkammer verglichen mit den Mega-Konzernen ein „Armutschkerl“ - und vielleicht deswegen ohne Macht und ohne Einfluß. Sie als Lobbying-Unternehmen zu bezeichnen, ist eigentlich ein großer Witz. Wo die ArbeitnehmervertreterInnen auf der Suche nach Gerechtigkeit den Ausgleich fordern (Ausgleich bedeutet, dass man die Gegenseite nicht übervorteilt), streben andere (die UnternehmerInnen) einzig die Profitmaximierung an. Jemanden „ordentlich zu schmieren“ entfällt mangels eines finanziellen Polsters für die „Kleinen Unternehmen“ und für die Arbeiterkammer. Lukrative Posten können die auch nicht zur Belohnung für genehme Gesetze vergeben. Könnte das der Grund dafür sein, dass es den ArbeitnehmerInnen immer schlechter geht? Jedenfalls erreichen ihre Interessen-Vertretungen so gut wie nichts für ihre Klientel. Anders wäre es wahrscheinlich, wenn man „schmieren“ könnte.

      Nein. Ich sehe gar nicht ein, warum ich mir mein Recht erkaufen soll, weil es im selben Augenblick kein Recht mehr wäre. Andere „Normalos“ bezeichnen diese Verweigerung als Dummheit – und gerade das ist wahre Dummheit oder wenigstens Kurzsichtigkeit, erreichen sie doch mit ihrem beschränkten „Bakschisch“ selbst sehr wenig. Da rümpfen die Verwöhnten nur ihre arroganten Nasen und freuen sich höchstens über ihren Machtzuwachs, der sich in der Erniedrigung der Schmierenden offenbart.“

      „Er“ kennt Siebens Einstellung sehr genau. Einmal meinte er, ihre Trotzigkeit imponiere ihm. Da wurde sie zum zweiten Mal auf ihn aufmerksam. Er hätte sich vom ersten Augenblick an an ihrer kraftvollen Persönlichkeit erfreut und hätte ihren intelligenten Humor genossen, erklärte er mit derart ernsthafter Miene, dass Sieben den aufkeimenden Verdacht, er wollte sie veräppeln, sogleich fallen ließ. Nichtsdestotrotz stand sie irgendwie schüchtern und stumm vor ihm, grübelte insgeheim, ob er tatsächlich sie meinen konnte. Sie hatte eigentlich keinen Humor, fand sie. Er verfolgte indessen gebannt ihr wechselndes Mienenspiel, was sie noch mehr verunsicherte. Eigentlich fand sie selbst sich wirklich nicht geistreich und auch nicht witzig (ihn hingegen schon - aber das würde sie ihm nicht gleich unter die Nase binden. Genausowenig würde sie ihm später - sobald sie ihn besser kennen würde - verraten, dass sie seine Art, wie er an die Dinge herangeht, mächtig anzieht).

      Siebens Humor besteht aus ihrer Sicht einzig darin, dass sie ihre „Pflanzereien“ lieber versteckt, als grobe Witze zu reißen. „Meinethalben“, meinte sie daher gönnerhaft und ein wenig neckisch, wenn er das als intelligent werten wollte, sollte es ihr recht sein. Sie konnte und wollte ihm zu diesem Zeitpunkt kein Kompliment „zurückgeben“, weil sie ihn bis dahin auch nicht besonders beachtet hatte. „Aha“, dachte sie nur irritiert, „da ist Einer, der mir schmeichelt“. Für sie war klar, dass er irgend etwas von ihr wollte. Sie würde früh genug erfahren, was das wäre, tat sie mit einem Achselzucken ab – natürlich machte sie sich selbst etwas vor, aber weiter denken mochte sie nicht. Wozu auch? Was sollte sie auch gegen solche Harmlosigkeiten einzuwenden haben? Im Gegenteil. Es war eine nette Abwechslung. Ihr Ehemann Cello sparte nämlich