Jozi Salzberg

99,9 %.


Скачать книгу

des Netzes im Auge hatte, sondern eher die Verbindung der universitären Forschung. Aber es wird einfach alles zu Geld gemacht in dieser unserer „Geld-regiert-die-Welt-Gesellschaft“. Wie enttäuschend unreif! Im dritten Jahrtausend dreht sich noch immer alles um denselben „Schmonzes“, um den Reichtum beziehungsweise um das „liebe Geld“, wie man es landläufig liebkosend auszudrücken pflegt.

      Moment! Mal überlegen, ob sich da nicht ein Denkfehler verbirgt. Wer ist denn heutzutage reich? Mein Heim ist baufällig, die Wiener Wohnung winzig - und das, obwohl ich mich ständig informiere. Wo ist da der Reichtum?! Was stimmt denn nicht? Warum verhungern heutzutage noch immer irgendwo Kinder? Unicef berichtet über hungernde Kinder in der Sahel-Zone und anderswo. Warum tut niemand etwas dagegen, wenn es doch bekannt ist? Und wenn Informationen angeblich frei zugänglich sind, wenn in Indien sogar Gratis-Laptops an SchülerInnen verteilt werden, wenn die entlegenste Hütte mit einem Fernsehgerät bestückt ist (und die Leute daher die Nachrichtensendungen empfangen- sowie den Tele-Text lesen können), wieso sind dann nicht alle Menschen wenigstens gut situiert? Seit Jahren lese ich doch, dass die Anzahl der Reichen nur geringfügig steigt, dass aber allein diese Wenigen immer reicher werden (über die Vermögensungleichheit in Deutschland schreiben beispielsweise Frick/Grabke im DIW Berlin, Nr. 4, 2009: 66). „Super-Reiche“ nennt man sie gar.

      Obwohl, wenn ich es recht überlege, sinnloser Reichtum ist doch für nichts gut. Das strebe ich nicht an – meine guten FreundInnen auch nicht. Irgendwie bezweifle ich, dass die Superreichen glücklicher sind als weniger Begüterte. Ich muss ja gar nicht zweifeln, weil mir die Erleuchtung kommt, sobald ich an den Stapel Hochglanz-Magazine im Friseur-Salon denke und an den Nonsens, den sie an die Frau, den Mann, den Menschen bringen wollen. Nein, die Reichen sind nicht glücklicher als andere. Jeder könnte das eigentlich wissen, denn wer sich weigert, die Zeitschriften zu durchblättern, der/die kann trotzdem alles über die Lebenskrisen der Reichen und Prominenten erfahren, weil niemand der Berieselung durch die Medien entkommt. Mich interessiert das nicht, deswegen schalte ich auf „stumm“, sobald der Nonsens gesendet wird. Vielleicht machen es andere so wie ich?

      Ohnehin finde ich es wichtiger, eine sinnvolle Aufgabe zu finden, die das Leben reich macht, als im herkömmlichen Sinne reich zu sein. Aber ein finanzielles „Pölsterchen“ gönne ich jedem Menschen, weil es ein klein wenig Sicherheit vermittelt. Meine Wünsche und Gebete wurden bisher nicht erhört. Und was das Informationszeitalter betrifft, bin ich jetzt total konfus. Sind die mir zugänglichen Informationen nun bereichernd oder nicht? Ich kann's nicht wissen, entscheide mich im Zweifel für das Wissen. Aber ist's nicht eher Halb-Wissen? Verflixt! Schluss jetzt mit dem „Jeijern und Nudeln“ (das ist ein Familienausdruck für das Herumreden)!

      Ich schalte den Computer ein. Der fährt mit einem Schnaufen hoch, als müsse er sich besonders anstrengen. Derweil setze ich mich zum Tele-Text: Laut den ersten Seiten ist alles im „grünen“ Bereich. Die Wetter-Prognose für Freitag klingt mit 7 bis 12° Celsius annehmbar. Ich könnte ausgiebig 'nordic walken'. Da kommt Freude auf! Aber was ist das!? Ich lese:

      „Europäisches Parlament gegen Monsanto-Lobbyistin“, dem Parlament sei's gedankt. Aber worum ging es da? „Im Europaparlament regt sich Widerstand gegen die geplante Berufung einer ehemaligen Beraterin des US-Saatgutkonzerns Monsanto in den Verwaltungsrat der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Dagegen hätten sich im zuständigen Umweltausschuss Vertreter aller Fraktionen ausgesprochen, sagt die deutsche SPD-Abgeordnete Roth-Behrendt. Ausschlaggebend für den Widerstand sei die frühere Tätigkeit der Irin Mella Frewen bei Monsanto gewesen. Die Europäische Kommission hatte vorgeschlagen, die Geschäftsführerin des Lobby-Verbandes in die Europäische Lebensmittelbehörde zu berufen: Genau jene Behörde, die eine Zulassung etwa von Gen-Mais bewertet.“ (nachzulesen auf ORF 2 Teletext vom Donnerstag, dem 15.3.2012 um 20 Uhr 33 Minuten 21 Sekunden).

      Wer wurde da vom Monsanto-Konzern geschmiert (es gilt die Unschuldsvermutung)? Wer erhofft sich Kickback-Cash oder einen gut dotierten Job für „danach“?! KommissarInnen (es gilt die Unschuldsvermutung)? Präsident (es gilt selbstredend die Unschuldsvermutung)? Typisch: nicht vom Volk gewählt und nicht dem Volk verantwortlich. Denen traue ich alles zu (siehe aber auch die Vorwürfe gegen den gewählten EU-Parlamentarier E. Strasser - es galt die Unschuldsvermutung – bis zu seiner Verurteilung wegen Korruption.)

      Obwohl, egal ob gewählt oder ein Kind der Protektion, Korruption „grassiert“ (die Ähnlichkeit des Wörtchens zu jenem österreichischen Namensvetter,jedoch nicht Namensgeber „K-H. G.“, der seit Jahren unter Korruptionsverdacht steht, für den jedoch die Unschuldsvermutung gilt, ist frappant). Sie grassiert unter allen, „die es sich richten können“ - das beweisen die Skandale 2011/2012 zur Genüge . Deswegen denke ich doch beim Lesen des ORF-Textes sofort an die Möglichkeit der Korruption. Ob das Parlament dasselbe dachte, das geht aus den Zeilen des Teletextes nicht hervor. Mit der Ablehnung der Lobbyistin macht das Parlament zumindest deutlich, dass es schon genug Konzern-begünstigende Gesetze gibt. Ich denke sogar, dass es zu viele sind. Vielleicht verdanken wir genau diesem Umstand die Tatsache, dass es nicht allen Menschen gut geht. Diesem Gedanken will ich ein wenig nachspüren, um zu sehen, ob ich so zu einigen Ursachen und Zusammenhängen der dekadenten Gesellschaft beziehungsweise des krankenden marktwirtschaftlichen Systems vordringen kann.“

      Sieben schießt der Gedanke durch den Kopf, dass sie heute, fünfzehn Jahre nach der Niederschrift obiger Zeilen, nicht in ihrer zerbombten Wohnung hocken müsste, hätte sie seinerzeit die Fähigkeit des 'Nostradamus' gehabt, eines Arztes, Apothekers und Astrologen, der zwischen 1503 und 1566 gelebt hat. Sie hätte alle gewarnt vor der Übermacht der Konzerne beziehungsweise vor den dahinter stehenden Personen und natürlich vor den super-Reichen InvestorInnen - wobei sie nicht genau sagen könnte, wer „alle“ sind. Mal überlegen: mit Sicherheit alle Verwandten und Bekannten in Europa, welche die Warnung weiter verbreiten hätten können. Also, das wäre schon mal über den Daumen gepeilt die „westliche Welt“ (wenn auch nicht die ganze – nein, Scherz beiseite). Dann käme noch das weltweit operierende Avaaz-Netzwerk mit 15 Millionen Mitgliedern in Frage. Na bitte!

      Schon im zweiten Gedankengang schließt Sieben jedoch die Errettung der Welt durch ihre Wenigkeit aus. Zunächst hält sie fest, dass das Avaaz-Netzwerk bereits 2012 eine Campagne gestartet hatte, die die Welt hätte aufrütteln können. Damals notierte sich Sieben die wichtigsten Schlagworte aus Ian Keith' E-Mail vom 13. September (nachzulesen unter dem Link http://www.avaaz.org/de/stop_the_corporate_death_star/?brePfcb&v=17859):

      „Gerade werden Details zu einem streng geheimen weltweiten Griff nach Macht durch Großkonzerne bekannt, dessen Umfang einem den Atem nimmt.“ (…) „Ein gigantischer globaler Pakt samt internationalem Tribunal, um ihn durchzusetzen, der jahrelang (sogar vor unseren Gesetzgebern!) geheim gehalten wird.“ (…) „Vertreter der Tabak-, Mineralöl- und Pharmaindustrie, sowie Walmart und fast 600 weitere Konzernlobbyisten sind am endgültigen Entwurf beteiligt“ (…) „Das Abkommen, das unter dem Namen Trans-Pacific Partnership (TPP) verhandelt wird, hat den Zweck, Investoren vor gesetzlicher Regulierung zu schützen, selbst wenn diese Gesetze im Interesse der Allgemeinheit verabschiedet werden. Durchgesickerte Versionen zeigen, dass das TPP Schutzmaßnahmen für Luft- und Wassersicherheit untergraben und Aspekte des US-Angriffs auf ein freies Internet wieder einführen würde. Desweiteren würden Bestrebungen für die Produktion günstiger Generika-Medikamente plattgewalzt. Doch es kommt noch schlimmer: Gesetzgeber, die sich den Regeln des TPP nicht beugen, sähen sich Sanktionen vor einem internationalen Tribunal ausgesetzt, wo Konzerne uns für Deals, die vorangegangene Regierungen geheim unterschrieben haben, verklagen können. Die Unterhändler behaupten, es handele sich lediglich um ein Handelsabkommen, das Investitionen und Profit für alle vereinfachen solle. Doch der durchgesickerte Entwurf steht mit so vielen Maßnahmen zum Schutz von Bürgern im Konflikt, dass klar ist, dieses "Handels"-Abkommen stellt den Profit von Konzernen über die Bedürfnisse der Menschen. Das ist nicht gerade überraschend, wenn man bedenkt, dass es im Geheimen mit fast 600 Konzernlobbyisten und ohne Beteiligung von Bürgergruppen geschrieben wurde.“

      Nach dem ersten Tag des Avaaz-Aufrufs hatten schon über 560.000 Menschen die Petition unterschrieben, die an unsere Regierungen gerichtet war:

      „Als