Nadja Christin

Samuel, der Tod 2


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steckt die Hände in die Überreste seiner Hosentaschen und schlendert in Richtung Antiquitätengeschäft, um sich umzuziehen.

      Parker geht ihm hinterher.

      Hazel löst gerade vorsichtig ihre langen Krallen aus Nathans Rücken.

      »Das tut mir leid, Nate«, flüstert sie, an seine Wange geschmiegt. »Ich zerstöre dir ständig deine Klamotten.«

      »Das macht doch nichts, mein Engel«, antwortet Nate und streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

      »Du weißt doch, dass ich es liebe, deine Krallen in meinem Fleisch zu spüren.«

      Hazel läuft rot an und senkt verlegen den Kopf. »Und außerdem«, fährt Nate fort, löst sich von ihr und nimmt Hazels Hand. »Was sind schon ein paar Hemden, im Vergleich zu deiner Liebe, die ich immer wieder aufs Neue fühlen kann.«

      Hazel lächelt sanft, wofür Nate sie am liebsten erneut in seine Arme reißen würde.

      »Ich schenke dir zu Weihnachten eine ganze Kollektion neuer T-Shirts und Hemden.«

      »Einverstanden.« Nathan führt sie zurück zu seinem Laden.

      Unterdessen entledigt sich Samuel, in einem der hinteren Zimmer, das er seit einem Jahr bewohnt, der Fetzen, die einst seine Kleidung darstellte. Er wirft sie auf einen bereits bestehenden Berg von Anziehsachen, die alle genauso zerrissen sind.

      Es war nicht das erste Mal, dass er die Beherrschung verlor und sich in einen Werwolf verwandelte, obwohl er noch Klamotten am Leib trug. Seufzend öffnet er den Kleiderschrank. So langsam muss ich mir wohl ein paar neue Sachen zulegen, denkt er und angelt sich ein frisches T-Shirt und eine neue Jeans heraus. Oder, überlegt er weiter, in Zukunft nehme ich mir die Zeit, mich zuerst meiner Sachen zu entledigen.

      Sam schließt gerade den Gürtel der Hose, als hinter ihm eine Stimme ertönt.

      »War wieder ganz schön übel heute, nicht wahr?« Ohne sich umzudrehen, antwortet Sam.

      »Nein, Parker, das fand ich nicht. Du bist und bleibst ein hinterlistiger Arsch und heute habe ich es dir gezeigt.«

      Samuel dreht sich um und streift sich das Shirt über. Parker lehnt gegen den Türrahmen, die Arme vor dem Körper verschränkt. Er ist bereits umgezogen und grinst seinen Freund spöttisch an. »Jetzt siehst du wieder aus, wie ein Mensch und nicht mehr wie ein verrücktes Vieh.«

      Nachdenklich streicht sich Sam über den dunklen Stoff. Unter dem Shirt kann er seine Muskeln fühlen, wenn er sie anspannt, ist es so, als habe er Eisenstränge in seinem Bauch versteckt.

      Es ist immer noch merkwürdig für ihn, bis vor einem Jahr hat er gar nichts gespürt, wenn er sich über den Körper strich, noch nicht einmal das Gefühl, wenn man sich durch die eigenen Haare fährt, kannte er.

      Parker wirft einen Blick über seine Schulter, kommt einen Schritt in Sams Zimmer und schließt hinter sich die Tür.

      »Was ist bloß los mit dir, Junge?«, fragt er und Sam kann die Sorge in seiner Stimme hören. »Du wirst immer seltsamer, in letzter Zeit.«

      Sam möchte den drängenden Fragen aus dem Weg gehen. Er versucht, an Parker vorbei, aus dem Zimmer zu huschen, sein Freund jedoch versperrt ihm den Weg.

      »Sag mir doch bitte, was ist«, versucht Parker erneut einen Vorstoß. »Vielleicht kann ich dir helfen. Du musst dich doch jemandem anvertrauen.«

      Samuel lacht abfällig. »Und der sollst ausgerechnet du sein, stimmt’s?«

      Zustimmend nickt Parker mit dem Kopf.

      »Ja, genau. Es sei denn, der alte Nate ist dir lieber. Ich kann ihn gerne herholen.«

      Parker legt eine Hand auf die Türklinke und zieht sie auf. Schon holt er Luft um nach Nathan zu rufen. Sam jedoch kommt ihm zuvor.

      Er vollführt einen riesigen Satz nach vorne, knallt mit einer Hand die Türe wieder zu, legt die andere über Parkers Mund und hindert ihn so daran, nach dem alten Sensenmann zu rufen.

      »Halt bloß die Klappe«, zischt ihn Sam an. »Nathan ist viel zu verknallt, er würde mich nicht verstehen.« Parker brummelt etwas, aber da Sam immer noch die Hand auf seinem Mund presst, ist er nicht zu verstehen.

      »Was?«, fragt Sam nach und nimmt seine Hand wieder runter.

      »Ich habe gesagt: Dann rede doch mit mir. Nichts ist leichter als das, Junge.«

      Wortlos dreht sich Sam um, geht zu einem kleinen Schrank, der neben dem Bett steht und holt aus einer Schublade eine frische Packung Zigaretten heraus.

      »Oh, du rauchst wieder?«, fragt Parker erstaunt, weiß er doch genau, dass Sam beim letzten Jahreswechsel das Rauchen aufgab. Es würde ihn nicht mehr befriedigen, sagte er damals.

      »Ja, schon länger«, antwortet Samuel, er lässt sich aufs Bett fallen und zündet sich die Zigarette an.

      Parker lehnt sich erneut gegen den Türrahmen und betrachtet den ehemaligen Tod aufmerksam.

      Nach ein paar Zügen an dem Glimmstängel beginnt Sam leise zu sprechen.

      »Alice. Sie fehlt mir, Parker. Viel mehr, als ich je für möglich gehalten hätte. Seit ich von diesem blutrünstigen Tier beherrscht werde, ist es immer schlimmer geworden. Manchmal möchte ich mich aufmachen, und so rasch mich meine Pfoten tragen, zu ihr rennen, aber ich habe … Angst.« Samuel sieht zu seinem Freund. »Kannst du das verstehen? Ich …« Sam zeigt mit dem Daumen auf sich selbst. »Ich habe Furcht vor einem … Mädchen.«

      »Gib mir auch mal 'ne Kippe«, meint Parker.

      Er fängt das geworfene Päckchen geschickt auf. Während er sich eine Zigarette anzündet, denkt er darüber nach, wie er Sam am besten helfen könnte. Er wirft ihm das Paket zurück.

      »Dir ist bestimmt klar, dass es nur einen Weg aus dem Schlamassel heraus gibt. Du musst deiner Angst die Zähne zeigen und dich nach Paris aufmachen. Zu ihr und ihr alles beichten.«

      Ein weiteres Mal lacht Samuel abfällig.

      »Beichten. Ich glaube damit bin ich fertig.«

      »Weiß sie eigentlich, was aus dir geworden ist? Ich meine das du inzwischen einer ihrer Art bist.«

      Sam schüttelt den Kopf. »Von mir nicht. Soweit ich weiß, hat sie auch nie hier bei Nate angerufen. Also, wenn du es ihr nicht gesteckt hast …« Fragend sieht Sam den großen Werwolf an.

      »Nein, natürlich nicht. Ich habe im letzten Jahr auch nicht mit ihr gesprochen. Ich hatte viel zu viel mit dir Arschloch zu tun.«

      »Dann hat sie keine Ahnung«, stellt Samuel fest und drückt seine Zigarette aus.

      Parker holt gerade Luft, um noch einen Satz loszuwerden, da erschallt vom Flur her, Nathans dröhnende Stimme.

      »Bequemt ihr zwei euch jetzt endlich mal her, oder was?«

      Beide Werwölfe rollen mit den Augen.

      »Der Chef ruft«, meint Parker und kichert vor sich hin.

      Noch bevor Sam sein Zimmer verlassen kann, hält Parker ihn zurück.

      »Es gibt nur die eine Chance, Sammy. Fahr zu ihr und rede mit ihr. Dann geht’s dir bestimmt auch wieder besser.«

      Sam drängt sich an ihm vorbei.

      »Also bleibt alles beim Alten.«

      Seufzend folgt ihm Parker.

      *

      Alice hat sich dazu entschlossen, den nächsten Tag in dem Hotel zu bleiben und von hier aus nach Lyon aufzubrechen. Hinterher kann sie immer noch all die Städte besuchen, die sie sich vorgenommen hat. Aber da in zwei Tagen bereits Vollmond ist, wäre es besser, ihre Reisepläne zu ändern. Sie fährt mit dem Aufzug ins Erdgeschoss, um an der Rezeption nachzufragen, ob sie das Zimmer für eine weitere Nacht mieten kann. Hinterher geht sie in den Speisesaal, wo ein riesiges