Uwe Berlin

Saisonvorbereitung mit Seitensprung


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war Miriam die Traumfrau schlechthin. Er kannte sich ganz gut mit Spielerfrauen aus. Von früher. Miriam hatte mit einer Spielerfrau das gute Aussehen gemein. Bei ihr kamen dann noch Stil und Gehirn dazu. `Vielleicht blieb der Humor ein wenig auf der Strecke´, überlegte er ungewohnt kritisch. Er schäkerte mit ihr rum und lachte aus Höflichkeit oder aus Verliebtheit. Besonders witzig war sie aber wirklich nicht. Aber klug musste sie sein als Architektin. Ihr schönes Gesicht im Businesskostüm überwältigte ihn jedes Mal. Natürlich pflegte sie sich und trug die meist braunen Haaren immer perfekt frisiert. `Ihr fehlt nur noch so eine große Sekretärinnenbrille. Dann leg ich sie flach´, sinnierte Dierk während er sich Zucker in den Becher träufelte. „Ich werd die Dinger schon fertig kriegen“, stapelte er tief. „Davon gehe ich aus“, Miriam lächelte erneut. „Setzt du dich gleich am Wochenende ran, oder…?“ Sie ließ den Satz unvollendet. Auf dem falschen Fuß erwischt sprang Dierk sofort ein: „Nein, am Wochenende spiele ich in Laboe mit meiner Mannschaft.“ Er suchte in ihrem Gesicht, wie das bei ihr ankam. „Aä, Fußball…?“ Trotz seiner Bemühungen Miriams Reaktion zu beobachten, entging Dierk das enttäuschte Zucken ihrer Augenpartie. „Nein, Tennis. Ich spiele seit drei Monaten Tennis.“ Das hatte er ihr natürlich bereits gesagt. „Tennis?“, Miriam klang erfreut, „dass du da sogar schon in einer Mannschaft spielst.“ Er nickte. Es gab viele Erfolge zu feiern. Anscheinend kannte Miriam sich aus. Er hatte jetzt aber keine Lust, über Sport zu reden. Miriam nippte an ihrem Kaffee. Sie schien nachzudenken. Jetzt erst fiel Dierk auf, dass etwas nicht stimmte. Es gab kein Lächeln mehr. Irgendetwas hatte die Stimmung gekippt. Dierk fiel ihr „…oder“ wieder ein. Was hatte sie im Sinn gehabt? „Und du? Bereitest du dich am Wochenende auf deine Bewerbung vor?“ Miriam hob den Kopf dankbar von ihrer Latte empor. „Ja genau. Und ich hatte gedacht, nun ja, dass du mir…, dass du einfach mal drüber sehen könntest. Mir fehlt ein wenig der männliche Kontrollpart. Kein Einkaufszentrum besteht nur aus Parfümerien und Modegeschäften. Mit denen kenne ich mich aus, du verstehst?“ Das also war es. Dierk nippte an seiner Latte. `Miriam fehlte der männliche Kontrollpart im Leben. So ist das mit den modernen Frauen. Und wir Männer spielen aus lauter Einsamkeit Tennis.´ „Tja, das geht nun leider nicht mehr.“ Sie nickte. „Ich muss dann auch mal weiter. Muss die Sachen Mittwoch abgeben.“ Er wusste, dass sie die Mappe bis Mittwoch abgeben musste. Mittwoch war immer Abgabetermin. Was stellte sie sich vor? Sollte er Montag ihre Pläne durchsehen? Zeit für Änderungen blieb dann kaum noch. `Wann soll ich dann auch mit meinen Garagen anfangen?´ Er war jetzt Projektleiter. Dierk blinzelte. Wenn er es so überlegte, passte das Tenniswochenende überhaupt nicht mehr. „Wie hast du dir das vorgestellt mit dem Wochenende?“, Dierk versuchte wie beiläufig zu klingen, aber er merkte selbst, dass es misslang. Miriam konzentrierte sich noch einmal. „Ich dachte, du kommst vielleicht zu mir? Ich habe die Sachen bei mir.“ Dirk nickte langsam. „Du könntest nach Laboe kommen. Miete dich da ein für eine Nacht und wenn ich Zeit habe, guck ich rüber.“ Das war Wahnsinn. Ein Schuss zu viel, eine Seemeile zu nah ran ans feindliche Schiff. Warum sollte seine Meinung überhaut wichtig sein? `Was weiß ich schon über Einkaufszentren?´ „Vielleicht mache ich das ja.“ Miriam lächelte wieder, „ich melde mich dann.“ Treffer! `Noch nicht versenkt, aber nah dran! Man muss nur mal nachfragen.´ In der Tür drehte sich Miriam noch einmal um: „Danke fürs Angebot. Vielleicht kommt Petra mit. Die würde sicher auch gern mal an die Küste.“ Stich ins Herz. Was sollte die adipöse Petra in Laboe? `Möglicherweise braucht eine Frau wie Miriam immer eine hässliche Freundin nebenbei´, Dierk biss sich auf die Unterlippe. Petra hatte mal bei ihnen gearbeitet: Als Schreibkraft. Irgendwie hatte Dierk immer das Gefühl gehabt, als wäre es für die anderen schon abgemacht gewesen, dass er und Petra... und nur, weil sie beide fett waren. Am Ende hatte er regelrecht Angst davor gehabt, sie würde ihn nach einem Date fragen. Diese Blicke mit ihren großen Kuhaugen. Dieses Händeringen und das Spielen mit der Goldkette um ihren fetten Hals. Irgendwann war sie dann plötzlich weg. Erst eine längere Zeit krank und dann weg. Miriam hatte ihm morgens ein paar Mal ungefragt von Petras Gesundheitszustand berichtet und dass sie in einem Autohaus untergekommen war. `Vielleicht sollte ich Fettarsch Petra nach den Garagen fragen.´ Dierk nickte schwach. Ihm lag etwas auf der Zunge wie: „Die fette Kuh lassen wir da mal schön außen vor“, aber das traf nicht sein Image, des netten Kumpeltypen. Ohne Frage hatte seine Dreistigkeit gegenüber schönen Frauen diametral zu seinem Körperumfang abgenommen. `Aber jetzt hab ich mal wieder einen Schuss abgefeuert. Vielleicht kommt sie nach Laboe. Und wenn sie ihre Freundin wirklich mitbringt, na dann bauen wir ihr die Garagen direkt in die Einkaufspassage.´ Der Praktikant steckte seinen Kopf in die Teeküche: „Ich könnte dich mal gebrauchen“, säuselte er. Natürlich zu Recht. Dierk war schon fast eine Stunde in der Werkstatt, wie sie ihr Architekturbüro gerne nannten und hatte noch keinen einzigen kreativen Gedanken in den Computer getippt oder sich mit irgendeinem seiner Kollegen kurzgeschlossen. Was genaugenommen der größere Teil ihrer Arbeit ausmachte. „Du bist in meinem Team!“, bellte Dierk zurück. Oliver sah leicht erschrocken aus. „Team Garage?“ `Ein bisschen mehr Respekt´, dachte Dierk. „Nein, Team wasch meinen Becher ab“, bellte Dierk wieder, drehte sich dann aber um und stellte seinen Becher selbst in die Geschirrspüle.

      Dierk

      Ein paar Stunden später verstaute Dierk seine Garage in einer noch freien Schreibtischschublade. Er war sich sicher, dass sie das Modell wiederhaben wollten. Keiner würde extra für ihn in der letzten Nacht ein Modell gebaut haben. Auch Ole der Praktikant nicht – der ganz bestimmt nicht, denn als Dierk sich noch kurz mit ihm besprochen hatte, hatte dieser das Modell die ganze Zeit in der Hand gedreht und bestaunt. Dierk sah sich genötigt, ihm zu eröffnen, dass dieser Modelbausatz rein gar nichts mit der zu bauenden Garagen zu tun hatte. Nein, der Praktikant würde keine große Hilfe sein. Ole wollte lernen, wie er wissbegierig betonte. `Aber davon hab ich nichts´, dachte Dierk und schickte Ole ins Wochenende. Miriam lief Dierk nicht mehr über den Weg. Einmal hörte er sie nur aus der Teeküche heraus lachen. Sie schien heute einen erstaunlich heiteren Tag zu haben. Vielleicht lag es an der Anspannung, die die Erarbeitung einer Bewerbung mit sich brachte- besonders in der Schlussphase. Dierk wähnte einen oder zwei Kollegen zusammen mit ihr in der Teeküche. Die zwei weiteren Frauen ihres Büros saßen jedenfalls an ihren Plätzen. Ihn beschlich der Verdacht, dass sie vielleicht auch die beiden anderen nach männlichem Beistand fragte und sich zu ihnen nach Hause einlud. `Wie würde ich mich verhalten?´, ging er die Sache rational an. `Wenn sie schon ihre Haut verkauft, ist es doch egal an wen. Vielleicht bin ich auch nicht der erste, den sie gefragt hat. Vielleicht ist sie schon vollkommen verzweifelt und hat es nur deswegen in Betracht gezogen nach Laboe zu kommen. Sie hat schon alle durch.´ Bis auf die zwei, mit denen sie jetzt in der Teeküche stand. Dierk versuchte die Gedanken fortzuwischen. Er musste an seine Garagen denken und daran, dass das Tenniswochenende in der jetzigen Situation nichts als unerlaubter Luxus war. `Wir haben uns immer gut verstanden in unserer Teeküche, die wir beide nie Kajüte nennen´, überlegte er, um seinen Puls ein wenig runter zu fahren, `warum sollte sie nicht nur mich fragen?´

      Dierk

      Drei weitere Stunden später parkte Dierk seinen Mazda MX 5 vor dem Einfamilienhaus seiner Mutter. Mit Ende Zwanzig hatte er schon fast alles gehabt: Frau, Haus und Hund. Erst lief der Hund weg, dann die Frau. Aus dem Haus am Stadtrand wurde eine Eigentumswohnung in der Citiy. Da das Architekturstudium nicht nur Unmengen an Zeit, sondern auch sein Geld verschlang, verkaufte er die Wohnung, und zog in eine Mietwohnung. Am Ende der Kette stand der Einzug bei seiner Mutter. Auch mit der Anstellung im Architekturbüro Schulz und Bader begannen die Einnahmen nicht zu sprudeln. Er leistete sich zunächst einmal das Auto. Dabei hätte sein Wohnverhältnis fast seine Anstellung verhindert. Beim Vorstellungsgespräch guckte Schulz von Schulz und Bader leicht angewidert als Dierk sich diesbezüglich erklärte und strich vermutlich Dierks Namen auf der Liste vor ihm durch. Bader saß daneben und sagte: „Haben nicht alle guten Architekten irgendeinen Spleen?´ Woraufhin Schulz irgendein Zeichen hinter Dierks durchgestrichenem Namen auf der Liste krickelte. Vielleicht einen Vogel. Mit der Projektleitung kam nicht nur Ruhm, sondern auch Geld ins Haus, aber wie es aussah, sollte sich Dierk nicht so schnell von seiner Mutter trennen können. Dierk öffnete die Haustür. Bullenhitze schlug ihm entgegen. Es erinnerte ihn an den Besuch des Tropenhauses im Botanischen