Wolf Thorberg

Tödliche Sure


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Lebenswerk, angezündet?«

      »Eigentlich auch nicht«, sagte ich zögernd. »Nur, was ich glaube, spielt keine Rolle. Wenn Sie sich als unschuldig bezeichnen, ist es meine Aufgabe, zu verhindern, dass Sie ohne ausreichende Beweise angeklagt oder verurteilt werden. Ob Sie es waren, geht mich im Grunde nichts an.«

      »Das Ganze ist doch absurd«, murmelte er. »Wie in Kafkas Prozess.«

      Nur saß so mancher Wiedergänger Josef K.s hinter schwedischen Gardinen. »Aus Sicht der Polizei sind Sie gegenwärtig der wahrscheinlichste Täter«, machte ich ihm klar. »Auch wenn es aus meiner Sicht noch nicht für eine Verurteilung reicht.«

      Eschenbach schüttelte den Kopf. »Wäre ich denn so dämlich, mein eigenes Waschbenzin und Chloroform zu benutzen und damit den Verdacht auf mich zu lenken?«

      »In der Realität handeln Täter nicht immer so umsichtig wie in Krimis«, erwiderte ich. »Das allein würde jedenfalls keinen Richter davon abhalten, Sie zu verurteilen. Zumal wenn er, nun ja, Zweifel an Ihrem Geisteszustand hegt.«

      Eschenbach vergrub das Gesicht in den Händen. Ich konnte mir immer weniger vorstellen, dass er es selbst getan hatte. Stattdessen tat er mir leid.

      »Haben Sie denn eine Idee, wer es sonst gewesen sein könnte?«, fragte ich vorsichtig. »Außer Ihrer Frau, den Außerirdischen oder den Geheimdiensten, meine ich?«

      Er nahm die Hände vom Gesicht und lächelte schwach. »Nein, leider nicht, so sehr ich es wünschte.«

      »Keine Feinde, Neider oder erboste Kunden?«

      »Nein, keine.«

      »Dann bleiben wohl nur Ihre Frau oder Zufallstäter.«

      »Zufallstäter?« Eschenbach runzelte die Stirn. »Die Tür stand bloß einen Spalt auf, von der Straße kaum zu sehen. Da soll jemand spontan zum Mordbrenner werden? Wir haben nichts Wertvolles in der Galerie außer Teppichen, und die, die ich verkaufe, wird man ohne Kontakte kaum los. Die Leute bezahlen weniger für das Stück als für die Geschichte hinter ihm, die ich ihnen erzähle.«

      Ich seufzte. »Herr Eschenbach, am besten reden Sie vorerst mit niemandem, weder der Polizei noch der Presse.« Er errötete, nur schenkte ich dem damals keine Beachtung. »Außerdem erteilen Sie mir vorsorglich eine Strafprozessvollmacht. Ich schicke eine Vertretungsanzeige an die Staatsanwaltschaft und fordere Akteneinsicht. Wo sind Sie zurzeit zu erreichen?«

      Eschenbach beschrieb mir seine Jagdhütte mitten im Wald.

      »Bekommen Sie dorthin Post?«

      »Nein, wozu? Ich habe ein Postfach gemietet. Außerdem habe ich Handyempfang mit Internet.«

      Ich schüttelte den Kopf. »Das gilt nicht als ladungsfähige Adresse. Dann nehme ich eine Ladungsvollmacht mit auf, so kommt Ihre Gerichtspost in die Kanzlei. Justitia wird schnell nervös, wenn Sie nicht erreichbar sind.«

      »Sie meinen doch nicht etwa …?«

      »Ich sage nur: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«

      »Alles, was Sie wollen.« Eschenbach zog seinen Schlüsselbund aus der Tasche und nahm einen Schlüssel vom Ring ab. »Nehmen Sie gleich noch den Zweitschlüssel für meine Hütte. Ich wollte ihn für Notfälle schon lang jemandem geben …«

      Wohl war mir nicht dabei. Andererseits war es rührend und so ein Vertrauensbeweis, dass ich akzeptierte. Ich befestigte den Schlüssel an meinem eigenen Bund.

      »Und was unternehmen wir sonst?«, fragte er.

      »Sonst?«, echote ich. »Wir warten ab, was die weiteren polizeilichen Ermittlungen ergeben.«

      »Denen trau ich nicht mehr. Nicht mehr seit diesem Fuchs. Ich glaube, meine Frau hat ihn schon eingewickelt.«

      Das brachte mich auf eine Idee. »Wir könnten ja einen Detektiv engagieren, der Ihrer Frau auf den Zahn fühlt.«

      Ich hatte befürchtet, er würde mich für verrückt halten oder für verschwenderisch. Doch sein Gesicht leuchtete auf wie eine Bergwiese im Sonnenschein nach dem Gewitter. »Damit kennen Sie sich aus?«

      »In der Kanzlei, für die ich zuvor tätig war«, übertrieb ich mein kanadisches Referendariat, »haben wir es ab und zu gemacht. Ich kann Ihnen sicher einen besorgen. Allerdings hat es seinen Preis …«

      Er winkte ab. »Das ist nicht entscheidend.« Ein Satz, der das Herz meines geliebten Chefs sicher höher schlagen ließe. »Machen Sie’s! Ich hätte selbst drauf kommen sollen.«

      Wir erledigten den Papierkram und erhoben uns, um uns zu verabschieden. Heute jedoch war mein Tag der Ideen.

      »Mir fällt übrigens ein: Der Teppich, von dem Sie sprachen …«

      »Ja?«

      »Sie meinten ja, er könnte das wahre Motiv sein. Müssten ihn die Täter dann nicht mitgenommen haben? In dem Fall sollte man keine Spuren mehr von ihm finden.«

      Eschenbach hob anerkennend eine Braue. »Ja, ganz recht! Der Teppich stand in einer Holztruhe auf meinem Schreibtisch. Selbst wenn er verbrannt ist, müsste man Spuren finden vom Holz. Außerdem geschmolzenes Silber. Die Kiste war damit ausgeschlagen, um Keime abzutöten.«

      »Ich könnte versuchen, das herauszufinden«, sagte ich. »Mit der Feuerwehr oder einem Brandsachverständigen. Der Punkt ist ja: Finden sich keine Überreste, käme nur jemand in Frage, der von dem Teppich wusste, nach ihm gesucht hat. Wer war denn eingeweiht, außer Ihnen und Ihrer Frau?«

      »Niemand. Unsere Buchhalterin war informiert, dass ich etwas gekauft habe, nicht was. Und ich bin direkt vom Flughafen in die Galerie, und dort hat mich nur meine Frau gesehen …«

      »Damit bleibt es bei Ihnen beiden.«

      »Und ich scheide aus.«

      »Fall praktisch gelöst«, sagte ich im Spaß.

      Eschenbach gab mir die Hand. »Wissen Sie: Inzwischen bin ich froh, dass Doktor Ruchling auf Reisen ist …«

      Ich schenkte ihm zum Abschied das Einzige, was es in der Kanzlei Ruchling & Suttner umsonst gab: mein Lächeln.

      Ich nutzte den Schwung und ging zu Frau Hambrecht, um mich nach Detekteien zu erkundigen, mit denen die Kanzlei zusammenarbeitete. Viel erwartete ich nicht und sah mich schon die Gelben Seiten des Internets durchwühlen. Doch überraschenderweise zog sie umstandslos eine Visitenkarte aus einem Fach.

      »Normalerweise mit denen«, sagte sie.

      Ich las: ARGUS – Agentur für Recherchen, gewerbliche Überwachung und Sicherheit. Als Nummer stand nur die Durchwahl der Zentrale auf der Karte.

      »Und jemand Bestimmtes?«, fragte ich. »Außer dem Fräulein vom Amt?«

      Sie sah nachdenklich über ihre Lesebrille zur Tür, durch die vor einer Minute Eschenbach hinausgegangen war. »Für ihn, meinen Sie?«

      Ich nickte. Ich wusste längst, dass Frau Hambrecht mehr war als eine übliche Kanzleivorsteherin. Sie war kinderlos, geschieden, und wenn sie hier spätabends ausharrte, hörte sie leise einen Klassikradiosender, las große Teile des Schriftverkehrs und machte sich ihre Gedanken. Ruchling pflegte zu scherzen, sie könne Menschen und Fälle besser einschätzen als jeder Staatsanwalt.

      Sie zog eine zweite Karte aus dem Fach. »Vielleicht er. Er arbeitet entweder für ARGUS oder direkt.«

      Auf cremefarbenem, dickem Papier stand: F. Molban. Darunter eine E-Mail-Adresse und eine Handynummer. Sonst nichts.

      Auf meinen skeptischen Blick hin ergänzte sie: »Er ist fähig. Übrigens der Halbbruder von Herrn Ruchling.«

      »Aha. Und sonst?«

      »Hat mal Jura studiert, aber auf Philosophie umgesattelt. Seitdem arbeitet er als Dozent und als Detektiv natürlich. Außerdem als Yogalehrer.«

      »Na bestens«, sagte ich.