Rotraut Mielke

Herrengolf und andere Irrtümer


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blieb die kleine Hoffnung, dass das Wunderkind wenigstens auf dem Grün, wo es um präzise, kurze Schläge ging, Schwäche zeigte. Aber die zerschlug sich schnell. Ein Chip und ein langer Putt genügten, um den Ball ins Loch zu befördern.

      „Par.“ Fröhlich klaubte Dirk seinen Ball auf und rieb ihn mit einem Tuch sauber.

      Die drei Männer hielten sich zurück mit Äußerungen über die Anzahl ihrer Schläge. Bei einer lockeren Runde unter Freunden kam es schließlich nicht so darauf an.

      Auf dem Weg zum nächsten Abschlag pirschte sich Walter an den Jungen heran. „Wie lange spielst du denn schon?“, begann er ein lockeres Gespräch.

      „Ich hab vor zwei Jahren angefangen. Kurz nach meinem zehnten Geburtstag.“

      „Und, golfen deine Eltern auch?“ Vielleicht handelte es sich ja um eine Wunderfamilie mit lauter Supertalenten.

      „Mein Papa spielt. Der hat mich mal mitgenommen auf den Golfplatz, und ich fand das sofort super.“

      Walter nickte bedächtig. Er mochte gar nicht darüber nachdenken, seit wie vielen Jahren er sich schon damit abmühte, ein wenig besser zu werden. Auch wenn er mit Bens Hilfe Fortschritte gemacht hatte, war ihm doch klar, dass er nie mehr in den Bereich kommen würde, den der Junge binnen weniger Monate erreicht hatte. Aber das machte ihn keineswegs bitter. Der Jugend gehörte die Zukunft, das war schon immer so gewesen.

      „Du spielst wirklich sehr gut. Alle Achtung!“ Das Lob war ehrlich gemeint, und das spürte auch Dirk.

      „Danke. Aber das Wichtigste ist doch, dass es Spaß macht, oder?“

      Walter nickte, wenn auch wenig überzeugt.

      Gerd, der hinter den beiden her lief, verzog das Gesicht. Das waren doch nur Sprüche. Er hätte viel dafür gegeben, so spielen zu können wie dieser Junge. Und das galt ganz sicher auch für seine beiden Freunde. Aber um diesen Schwung hinzukriegen brauchte man eine Biegsamkeit, die im fortgeschrittenen Alter einfach nicht mehr vorhanden war.

      Die nächsten Bahnen liefen etwas besser, und die drei Haudegen fanden allmählich zurück zu ihrer üblichen Lockerheit. Die ersten flotten Sprüche kamen. Und auch Dirk schien Spaß an der Golfrunde zu haben.

      An der vierten Bahn landete sein Ball gemeinsam mit Alfreds Ball in einem Bunker. Der ältere Mann betrachtete sorgenvoll die Lage. „Bunker geht gar nicht“, stellte er fest. Er bückte sich, um den Ball aufzuheben und entgegen alle Regeln auf das Fairway zu werfen. Aber da hielt ihn der Junge zurück.

      „Probier doch mal, es ist gar nicht so schwer. Du musst den Schläger nur ein bisschen offener halten. Und dein Stand ist auch nicht gut.“ Er machte vor, was er meinte.

      Alfred stellte sich neben ihn, und nach einigen Korrekturen war Dirk endlich mit seiner Position zufrieden.

      „Und nun los, keine Angst!“

      Alfred schnaubte entrüstet, aber dann riss er sich zusammen und holte aus. Der Ball wurde aus dem Hindernis hinauskatapultiert und landete ein gutes Stück weiter mitten auf dem Fairway. Verblüfft schaute ihm Alfred hinterher. „So was hab ich ja noch nie geschafft.“ Er betrachtete seinen jungen Mitspieler mit neuem Respekt.

      Das war der endgültige Durchbruch. Von jetzt an bombardierten die drei Männer ihren neu gefundenen Kumpel mit Fragen und ließen sich Tipps geben, die sie auch gleich ausprobierten. Es war ganz erstaunlich, welche Fortschritte nur durch höhere Konzentration und ein paar kleine Korrekturen möglich waren. Und es gab auch ehrliches Lob für so manchen Schlag, der Dirk gut gelang.

      Auf dem Grün der Bahn Neun trennte man sich mit einem herzlichen Händeschütteln.

      „Wir spielen immer nur die ersten neun Bahnen.“

      Fröhlich vor sich hin pfeifend wanderte der Junge weiter zum nächsten Abschlag.

      Walter zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ganz schön warm heute“, meinte er.

      „Mann, bin ich froh, dass das rum ist!“ Gerd lief eilig voraus, um schon mal die Getränke zu bestellen. Er fühlte sich wie ausgedörrt.

      „Seit wann humpelt der denn?“ Alfred fiel der unrunde Gang von Walter auf. „Aber kein Wunder, mir tut selbst jeder Knochen weh.“ Stöhnend fasste er sich an den unteren Rückenbereich. „Das war ja wirklich nett mit dem Kleinen, aber nochmal brauche ich so was nicht.“

      Schweigend verstauten sie die Golfsachen in ihren Autos und setzten sich dann zu Gerd auf die Terrasse. Zum Glück spurte heute die Bedienung und kam gleich mit den Getränken an. Die drei nahmen erst einmal ein paar tüchtige Schlucke und lehnten sich dann aufatmend zurück.

      Eine Weile herrschte erschöpftes Schweigen. Dann ergriff Walter das Wort. „Tja, wir sind halt nicht mehr die Jüngsten. Ob wir uns wirklich noch dran machen sollen, einen Golfplatz zu bauen?“ Er schüttelte zweifelnd den Kopf.

      „Wenn wir nicht mal gegen einen Zwölfjährigen mithalten können…“ Alfred sah das ganz genauso.

      „Was seid ihr bloß für Memmen! Lasst euch von so was ins Bockshorn jagen“, ereiferte sich Gerd.

      „Pst, nicht so laut! Es braucht doch hier niemand zu wissen, was wir vorhaben. Schließlich sind wir doch die neue Konkurrenz“, wies Alfred ihn zurecht.

      So schnell ließ sich Walter von seiner Einschätzung der Lage nicht abbringen. „Auch wenn es euch nicht gefällt, ich muss es noch einmal sagen: Vielleicht sind wir zu alt für so eine verrückte Sache. Es kann gut sein, dass wir gehörig auf die Nase fallen.“ Ihm gingen plötzlich viele Zweifel durch den Kopf, und es war wichtig, dass Gerd und Alfred das wussten.

      „So ein Blödsinn!“, schimpfte Gerd. „Was meinst du mit zu alt? Nur weil ein Kind besser Golf spielt als wir, heißt das doch noch lange nicht, dass wir unser Projekt nicht auf die Beine stellen können. Dafür braucht es ganz andere Qualitäten. Lebenserfahrung, Geschäftssinn, Cleverness. Und da brauchen wir uns weiß Gott nicht zu verstecken, oder?“ Auffordernd boxte er Alfred in die Seite.

      Der straffte sich. „Da hast du Recht. Und es verlangt ja schließlich keiner, dass wir die Bahnen mit Hacke und Schaufel ausheben. Dafür habe ich meinen Bagger. Und den kann ich bedienen, bis sie mich aus dem Führerhaus rausheben müssen.“

      Alfred hatte sich also schnell wieder breitschlagen lassen von Gerd. Aber damit waren Walters Zweifels keineswegs zerstreut. Im Moment hatte er jedoch keine Energie mehr übrig, um sich auf längere Diskussionen einzulassen. „Wir werden sehen“, sagte er matt und griff wieder zu seinem Glas.

      8.

      Direkt nach dem Mittagessen hatte Alfred das Haus mit unbekanntem Ziel verlassen. Marion verkniff es sich schon seit langem, ihn nach seinen Plänen zu fragen. Er brauchte einfach seinen Auslauf, und den gönnte sie ihm auch. Außerdem kam es ihr gerade heute äußerst gelegen, dass er den Nachmittag offenbar aushäusig verbringen wollte. Sie warf einen letzten Blick auf ihr Atelier. Zwei Tage lang hatte sie aufgeräumt und geputzt und daran gefeilt, eine Art kunstvolles Chaos zu arrangieren. Mit dem Ergebnis war sie sehr zufrieden. Sie zupfte an ihrem Hausanzug herum, den sie für den Anlass ausgewählt hatte. Attraktiv, aber nicht extravagant, das erschien ihr heute genau richtig. Als i-Tüpfelchen drapierte sie noch ihren weißen Malerkittel, den ein paar dekorative Farbspritzer zierten, über einer Ledercouch. Es war auch höchste Zeit, dass sie fertig wurde. Der Besuch würde gleich auf der Matte stehen.

      Franz von Herschede hatte sich tatsächlich telefonisch bei ihr gemeldet. Er war in dem Sinne natürlich kein Besucher, sondern er wollte mit ihr arbeiten, wie er angekündigt hatte. Aber wenn der große Künstler sich schon die Zeit nahm, sie mit seiner Gegenwart zu beehren, wollte Marion natürlich einen möglichst guten Eindruck machen. Sie überprüfte gerade noch einmal den Sitz ihrer Frisur, als es klingelte. Mit einem erwartungsvollen Lächeln eilte zur Haustür.

      „Herr