Rotraut Mielke

Herrengolf und andere Irrtümer


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vom Hocker reißen“, sagte er in völligem Unverständnis dieses bäuerlichen Phlegmas.

      „So langsam kapier ich es auch. Dann kann ich endlich wieder baggern. Sogar sehr viel baggern.“ In Alfreds Augen lag plötzlich ein unternehmungslustiger Glanz. Tschüss, Langeweile! Ade, Altersruhestand! Wieder mit dreckbespritzten Gummistiefeln herumzulaufen, mit den Kumpels ein Bierchen zu zischen, hach, das wäre schön. „Aber wir werden einen ganzen Haufen Kohle brauchen.“

      „Nun mal ganz langsam“, stoppte Walter die Gedankenflüge. Er hatte das Gefühl, dass er als einziger noch klar denken konnte. „Das ist doch eine völlig aberwitzige Idee. Keiner von uns hat eine Ahnung davon, wie man so einen Golfplatz anlegt. Geschweige denn betreibt. Ganz davon abgesehen, was das kostet. Und wie wir eine Genehmigung für so was kriegen, wissen wir auch nicht.“

      Gerd winkte ab. „Alles machbar.“ Das waren doch nur Kleinigkeiten, die ganz sicher in den Griff zu kriegen waren.

      Er sah im Geiste schon die Zufahrtsstraße vor sich, vielleicht würde sie sogar nach ihm benannt werden. ‚Gerd-Scheurich-Allee‘, das hatte was. Dankbar würden sie ihm alle sein, ihn förmlich dazu drängen, den Bürgermeisterposten anzunehmen. Sein Blick verfinsterte sich kurzzeitig, als er an seinen Erzfeind Schneider dachte. Der sollte am besten direkt auswandern, denn wenn er erst einmal am Ruder war, würde der keinen Fuß mehr auf die Erde kriegen.

      „Das ist doch ausgemachter Blödsinn.“ Walter ließ sich von Gerd Beschwichtigungen nicht beirren. „Wenn ich das richtig verstehe, wollt ihr diesen Golfplatz genau hier bauen. Aber bevor Alfred auch nur eine weitere Baggerschaufel in meinen Grund und Boden versenkt, habe ich ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte Gerd in die Augen.

      Du sturer Kerl, dachte der, auch du wirst noch kapieren, dass das der Grundstein für ein Vermögen ist. Aber im Moment war da nichts zu machen, und so gab Gerd erst einmal klein bei.

      „Hahaha“, lachte er gekünstelt. „Da bist du mir aber schön auf den Leim gegangen. Das war doch nur so daher gesagt. Da braucht es schon ganz andere als uns drei, um so etwas auf die Beine zu stellen. Und außerdem weiß ich ja, wie sehr du an deinem Land hängst. Das würdest du doch nie und nimmer für einen Golfplatz hergeben.“

      Das saß und sollte genügen, um Walter und Alfred zum Nachdenken anzuregen. Nun musste er sich in Geduld fassen und abwarten, bis die beiden das Ganze in aller Ruhe überlegt hatten.

      ***

      Obwohl in den nächsten Tagen keinem der drei Herren das G-Wort über die Lippen kam, spukte es natürlich ständig in ihren Köpfen herum.

      Stirnrunzelnd betrachtete Marion einen ganzen Haufen bekritzelter Zettel, den ihr Mann auf dem Wohnzimmertisch hatte liegen lassen. „Was malst du da eigentlich“, fragte sie ganz beiläufig.

      „Nichts. Das sind nur so Ideen.“ Alfred knüllte die Blätter zusammen und warf sie in den Papierkorb.

      Marion glaubte ihm natürlich kein Wort. Und sie beobachtete, wie er wenig später klammheimlich die Zettel wieder aus dem Abfall hervorholte und in der Schublade seines Nachttischs versteckte. Allerdings ergab selbst eine genaue Untersuchung keine Erkenntnisse. Da gab es Bögen und Kurven und straffierte Flächen, die mit Sternchen und Dreiecken verziert waren. Es war ein vollkommenes Rätsel. Eindeutig war da etwas im Busch. Aber was?

      Alfred war keiner, der viel redete. Marion wusste, dass sie abwarten musste, bis er endlich sein Ei gelegt hatte. Dann würde er auch anfangen zu gackern.

      Über mangelnde Kommunikation konnte sich Marlene nicht gerade beschweren. Ganz im Gegenteil, wenn Gerd schon immer wie ein Wasserfall alles Mögliche von sich gegeben hatte, so wurde es nun noch schlimmer. Aber es war nur unzusammenhängendes Gerede, das sie nicht verstand. Er schien von einer fixen Idee besessen zu sein, die ihn offenbar sogar bis in seine Träume verfolgte. Jedenfalls wachte sie ein paarmal auf und hörte, wie er im Schlaf redete. Sie verstand allerdings nur ein paar Satzfetzen, in denen sich die Wörter ‚Bürgermeister‘ und ‚Allee‘ regelmäßig wiederholten. Maßlos enttäuscht musste sie feststellen, dass sein Interesse an ihr nun auf den absoluten Nullpunkt gesunken war. Egal, was sie versuchte, er behandelte sie wie Luft. Frust und Zorn über den nachlässigen Ehemann erreichten ein neues Allzeithoch. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Kessel überkochte.

      Walter ruhte wie immer ganz in sich. Wenn überhaupt etwas auffällig war, dann die Tatsache, dass er häufiger als sonst in seiner Lieblingspose auf der Terrasse seines Häuschens verharrte. Er hatte eindeutig etwas von einem hessischen Buddha, wie er, die Hände unter seinem Bauch gefaltet, völlig regungslos da saß und Löcher in die Luft starrte. Sein Gesicht war entspannt, und ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund, während er diese Sache mit dem Golfplatz von allen Seiten ausführlich bedachte. Es wäre schön, wenn die brach liegenden Felder endlich wieder sinnvoll genutzt würden. Saftiges Grün statt stoppeligem Unkraut, das war eine Vorstellung, die ihm sehr behagte.

      Und es gab noch einen zweiten Punkt, der ihn beschäftigte. Ein Golfplatz musste organisiert werden, und besonders aufs Geld musste jemand ein scharfes Auge haben. Wer war besser dafür geeignet als Ben? Wenn man ihm die gesamte Finanzierung dieses Projektes übertrug, würde das ein Quantensprung für die Karriere sein. Dieser Gedanke gefiel Walter immer besser, je länger er darüber nachdachte. Ben war einfach ein feiner Kerl und zudem bestimmt äußerst tüchtig. So jemanden musste man doch einfach ins Boot holen.

      5.

      Jede der drei angetrauten Damen sah dem in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Kaffeeklatsch im kleinen Einkaufszentrum dieses Mal mit großer Spannung entgegen. Marion und Annelie kannten sich schon seit Ewigkeiten. Und irgendwann hatten sie, wenn auch zögerlich, Marlene in ihren Kreis aufgenommen. Einfach war es nicht gewesen, mit der jüngeren und sehr selbstbewussten Frau klar zu kommen. Marion hatte sofort gemutmaßt, dass die üppige Oberweite der zweiten Frau Scheurich nicht natürlichen Ursprungs sein konnte. Überhaupt, diese tadellose Figur und so ein makelloses Äußeres, das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber Marlene hatte sich stets bedeckt gehalten, es war nichts aus ihr herauszubekommen. Die vagen Anspielungen hatte sie rigoros im Keim erstickt. Und auch sonst hatte sie sich schnell zur Wortführerin entwickelt. Das heutige Treffen machte da keine Ausnahme.

      „Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit Gerd los ist. Der führt sich auf, als hätte er mit den Fingern in eine Steckdose gegriffen, er steht ständig unter Strom. Hektisch war er ja schon immer, aber nun hat das ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr auszuhalten ist. Er kann keine fünf Minuten still sitzen. Und seit Neuestem redet er sogar im Schlaf.“

      Interessiert beugte sich Marion vor. „Was sagt er denn so?“

      Marlene schüttelte den Kopf. „Es ist nicht richtig zu verstehen. Aber es muss was Politisches sein, er erzählt was von ‚Bürgermeister‘.“

      Marion bleckte die Zähne. „Das wird dann wohl ein Traum bleiben. Diese Schmiergeldsache hängt ihm doch immer noch nach.“

      Sie warf Annelie einen aufmunternden Blick zu, doch auch etwas zu sagen. Aber die hatte offensichtlich gar nicht zugehört. Sie starrte auf den Schaum ihres Cappuccinos, als läge darunter ein Goldschatz verborgen.

      Seufzend gab Marion ihre eigenen Beobachtungen zum Besten. „Meiner kritzelt Zettel voll mit irgendwelchen Hieroglyphen. Ich werde nicht schlau daraus. Er versteckt sie vor mir, also muss es was Wichtiges sein. Allerdings hatte ich nicht viel Zeit, um mich darum zu kümmern. Herr von Herschede kommt in Kürze, das wisst ihr doch noch?“

      Inzwischen war auch Marlene aufgefallen, dass Annelie einfach nur da saß und keinen Piep sagte. „Was ist mit Walter? Benimmt er sich irgendwie anders in letzter Zeit?“, bohrte sie in ihrer direkten Art.

      Annelie schaute kurz hoch und schüttelte den Kopf. „Der ist wie immer. Wenn überhaupt, ist er noch ruhiger als sonst.“ Ihr Blick versank wieder im Milchschaum, der sich allmählich auflöste.

      „Ist alles in Ordnung mit dir? Du kommst