Rotraut Mielke

Herrengolf und andere Irrtümer


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Pärchen, die sich sinnliche Blicke zuwarfen oder sich im Arm hielten, ja, genau das war es, was sie suchte. Sofort stand für sie fest, dass sie sich bei diesem Internetportal anmelden würde. Und dann würde sie dafür sorgen, dass Gerd es auch ganz sicher mitbekam.

      Es konnte nicht angehen, dass er sie völlig links liegen ließ. Wenn sie bedachte, was sie für ihr gutes Aussehen so alles auf sich nahm, war das eine glatte Unverschämtheit. Im Fitness-Studio war sie Stammgast, und außer Zumba und Beckenbodengymnastik kamen noch Aqua-Yoga und ihre Joggingrunde hinzu, die sie mindestens dreimal pro Woche absolvierte. Friseur und Kosmetikerin kosteten ein kleines Vermögen. Dafür sparte sie am Essen, zumindest bei dem was ihr über die Lippen kam. Kaum ein Vögelchen konnte man damit am Leben halten! Und wofür das alles?

      Nervös trommelte sie mit spitzen Fingernägeln auf der Tischoberfläche herum, während sie auf der Homepage des Flirt-Portals herumklickte. Plötzlich entdeckte sie das Foto eines Mannes, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Er sah blendend aus, ein südländischer Typ mit schwarzen Haaren, dem man das Temperament sofort ansah. Der würde bestimmt eine gut aussehende Frau zu schätzen wissen. Marlenes Augen klebten förmlich auf diesem Gesicht. Mit fliegenden Fingern suchte sie nach näheren Informationen und triumphierte, als sie fündig wurde. Da stand sein Name. „Gianni“, murmelte sie und spürte, wie sie ein wohliger Schauer überlief. Es klang aufregend, irgendwie nach Abenteuer und Leidenschaft. Sie warf dem Foto eine Kusshand zu und kicherte albern wie ein Teenager. Der war genau der Richtige, um Gerd gehörig die Hölle heiß zu machen.

      ***

      Marions Gesicht glühte vor Aufregung. Der schockierte Blick, den ihr die Galeristin zuwarf, fiel ihr nicht auf. Sie bemerkte auch nicht, dass ein paar Leute die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Aber selbst wenn sie es bemerkt hätte, wäre sie davon überzeugt gewesen, dass das nur purer Neid war. Denn Franz von Herschede, der Meister persönlich, war von ihrer Malerei geradezu begeistert. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.

      Vom ersten Moment an war die Vernissage in der Galerie am Marktplatz für sie ein voller Erfolg gewesen. Wie sie schon befürchtet hatte, war Alfred nicht dazu zu bewegen gewesen, sie zu begleiten. Nach stundenlangen Überlegungen hatte Marion sich für einen dunkelgrauen Hosenanzug entschieden, den sie mit einem farbenfrohen Seidentop in kühner Schnittführung kombinierte. Der Ausschnitt war vielleicht etwas tief für den Vormittag, aber die Jacke kaschierte allzu tiefe Einblicke. Jedenfalls redete Marion sich das erfolgreich ein. Ihre Aufregung hatte sie bereits zu Hause mit einigen Gläsern Sekt bekämpft. Die Kellner, die den Gästen Getränke anboten, hatten sie dann förmlich bedrängt, ihnen das eine oder andere Glas abzunehmen.

      Als Franz von Herschede endlich mit der ihm gebührenden Verspätung eingetroffen war, hatte ihr Alkoholpegel einen Stand erreicht, in dem ihr selbst die hochhackigen, äußerst unbequemen Pumps nicht das kleinste Bisschen mehr ausmachten. Die Galeristin hatte sie dem Ehrengast vorgestellt, und dabei war sie dummerweise ein wenig nach vorn gekippt, geradewegs in seine Arme.

      Er war groß und schlank und ganz in hellblauen Samt gekleidet. Solch einen Anzug hatte Marion noch nie gesehen. Überhaupt war sie entzückt von dem unkonventionellen Aussehen des Künstlers. Aus dem Ausschnitt seines weißen Hemdes lugte ein geblümter Schal hervor, was ihm genau das richtige Quäntchen Nonkonformismus verlieh. Seine blauen Augen lachten sie an, und er schnickte mit einer lässigen Kopfbewegung eine blonde Strähne seiner bis auf die Schultern reichenden Haarpracht aus dem Gesicht. Ihr kleines Missgeschick tat er ab wie nichts. Er duftete intensiv nach einem teuren Aftershave, und ihr war schlagartig sehr warm geworden, so dass sie ihre Jacke aufgeknöpft hatte. Ab diesem Zeitpunkt hatte Franz von Herschede sie nicht mehr aus den Augen gelassen.

      Es war das reinste Kinderspiel gewesen, das Gespräch auf ihre mitgebrachten Bilder zu lenken, und er war ganz begierig darauf gewesen, ihre Arbeiten zu sehen. Atemlos hatte sie auf sein Urteil gewartet, das er schnell und schnörkellos gefällt hatte. In ihrer Aufregung hatte sie nicht alles mitbekommen, aber ‚sehr begabt‘ und ‚Ausnahmetalent‘ klangen immer noch wie Sirenengesang in ihren Ohren.

      „Wollen wir noch irgendwo etwas trinken gehen?“ Franz von Herschede hatte ihren Ellenbogen ergriffen und bugsierte sie aus dem Kreis der Besucher heraus in eine ruhige Ecke. Lässig stützte er rechts und links von ihrem Kopf seine Hände an die Wand und lächelte sie an.

      Marion spürte, wie ihre Knie weich wurden. Aber urplötzlich stieg eine Welle der Übelkeit in ihr hoch. Der Sekt bahnte sich seinen Weg vom Magen hoch in die Speiseröhre und suchte einen Ausgang. Panisch öffnete sie ihre Handtasche und zerrte eine Visitenkarte heraus.

      „Ich muss jetzt leider gehen“, stieß sie hervor. „Vielleicht ein andermal.“

      Sie drückte ihm das Kärtchen in die Hand und schlüpfte schnell unter seinen Armen hindurch. Mit dem letzten Rest an Selbstbeherrschung stöckelte sie auf den Ausgang zu.

      „Ich melde mich, meine unbekannte Schöne“, hörte sie ihn rufen und drehte sich noch einmal zu einem, wie sie hoffte, graziösen Winken um.

      Draußen traf sie die frische Luft wie ein Faustschlag in den Magen. Alles drehte sich vor ihren Augen. Das Kopfsteinpflaster des Marktplatzes war für Stilettos völlig ungeeignet. Sie riss sich die Schuhe von den Füßen und hastete barfuß weiter. Nur rasch nach Hause, bevor noch ein Unglück passierte!

      7.

      ‚Der schnelle Hans‘, eine kleine, aber gemütliche Kneipe im Zentrum von Gelnhausen, war der ideale Treffpunkt für Gerd, Walter und Alfred. Sie besetzten den Ecktisch ganz hinten im Gastraum, der genügend Platz bot, um Pläne und Zeichnungen ausbreiten zu können. Und dann rauchten für geraume Zeit die Köpfe. Die Besprechung gestaltete sich langwierig, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Auf einer großen Karte waren die Grenzen des zukünftigen Golfplatzes eingezeichnet. Auch der ungefähre Verlauf der Bahnen war bereits skizziert. Begeistert und mit unverhohlenem Stolz betrachteten sie ihr Werk, und jeder der drei sah in Gedanken den fertigen Platz bereits vor sich. Als nächstes stand die Gründung einer GmbH an, in der sie als gleichrangige Gesellschafter eingetragen sein würden. Diese Gesellschaft würde der Pächter des für den Golfplatz erforderlichen Areals sein und eine Pacht an Walter zahlen.

      Soweit waren sie sich einig, aber nun hakte es. Gerd hatte einen ersten Vorschlag über die Höhe der Zahlung auf den Tisch gelegt. Und der trieb dem Landwirt die Zornröte ins Gesicht.

      „Dass du dich nicht schämst, deinen alten Freund so über den Tisch ziehen zu wollen“, donnerte er.

      „Pst, nicht so laut“, mahnte Gerd. „Das ist doch nur ein erstes Angebot. Wir können über alles reden. Aber du musst bedenken, dass du als Gesellschafter ja auch einen Teil der Pacht mitzahlst. Wenn du die also zu hoch ansetzt, schneidest du dir ins eigene Fleisch.“

      Darüber musste Walter erst einen Moment nachdenken. Aber dann changierte seine Gesichtsfarbe zu einem dunklen Violett. „Du willst doch nicht etwa sagen, dass ich von dem bisschen, das du mir anbietest, auch noch einen Teil wieder abgeben muss?“ Wie ein aufs Land geratener Karpfen schnappte er nach Luft.

      Alfred machte sich allmählich ernsthaft Sorgen um Walters schwaches Herz. „Lasst uns diesen Punkt doch erst mal vertagen, bis die GmbH eingetragen ist“, schlug er vor und warf Gerd einen warnenden Blick zu.

      Walter lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Wenn da nicht was Besseres kommt, könnt ihr die ganze Sache gleich vergessen. Ihr haltet mich wohl für blöde, aber da habt ihr euch geschnitten.“

      Gerd vertraute auf seine diplomatischen Fähigkeiten. „Wir werden uns einigen, ganz sicher. Du wirst nicht zu kurz dabei kommen, das kann ich dir garantieren.“ Sein Lächeln wirkte wie festgeklebt, und für eine Sekunde hatte er eine fatale Ähnlichkeit mit einem bösartig grinsenden Hai. „Hör mal, ich werde meinen alten Kumpel doch nicht übers Ohr hauen. Das wäre ja noch schöner!“

      „Dafür leg ich meine Hand nicht ins Feuer“, konterte Walter trocken.

      Gerd beugte sich zu ihm hinüber. „Ein Teil auf dem Tisch und ein Teil unterm Tisch, wenn du