Rotraut Mielke

Herrengolf und andere Irrtümer


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grummelte er immer noch aufgebracht. Aber dann ließ er die Sache doch erst einmal auf sich beruhen. Sobald ihre GmbH amtlich war, hatte er eine sehr viel bessere Verhandlungsbasis. Seinen Grund und Boden brauchten sie nun einmal für den Golfplatz, da biss die Maus keinen Faden ab.

      ***

      Man war sich einig, dass das Golfplatzprojekt erst einmal unter der Decke bleiben musste. Niemand außer den zukünftigen Gesellschaftern durfte etwas davon wissen. Und weiterhin wurden natürlich auch die wöchentlichen Golfrunden strikt eingehalten. Walter bedauerte, dass er nicht einmal Ben einweihen durfte. Aber dafür würde noch Zeit genug sein, wenn die Sache erst einmal ins Rollen kam.

      Wieder einmal standen also die drei Freunde spielbereit am ersten Abschlag. Nur Ben war noch nicht aufgetaucht, und niemand wusste Näheres. Wenigstens war dieses Mal die Tee Time ordnungsgemäß reserviert, so dass es keine Probleme gab.

      Walter gab sich seinen gewohnten Aufwärm- und Lockerungsübungen hin, während Alfreds Vorbereitung im Rauchen einer Zigarette bestand. Gerd tigerte unruhig hin und her und schaute dauernd auf die Uhr. „Wo bleibt er denn nur? Er ist doch sonst immer so pünktlich.“ Ungnädig schüttelte er den Kopf.

      Da näherte sich vom Clubhaus eine schmale Gestalt, die ein Golfbag auf dem Rücken trug. Es handelte sich um ein Kind, wie unschwer zu erkennen war. Der Golfplatz war bekannt für seine erfolgreiche Nachwuchsarbeit, und bei den entsprechenden Benefizturnieren zeigte man sich stets freigebig. Aber es war natürlich eine ganz andere Sache, mit einem der hoffnungsvollen Jungspieler auf Runde zu gehen.

      Gerd runzelte die Stirn. „Der will zu uns“, stellte er fest.

      Mit rotem Kopf tauchte Walter aus einer anstrengenden Dehnhaltung auf und betrachtete den näher kommenden Jungen, der vielleicht zwölf Jahre alt sein mochte.

      „Mit so jemand kann man doch nicht golfen.“ Alfred ließ seine Kippe auf den Boden fallen und trat sie aus. Dann hob er sie sorgsam auf und warf sie in einen Papierkorb. „Der fängt doch an zu weinen, wenn er zu viele Schläge braucht.“

      Ratlos schauten sich die drei an. Sollte man den Kleinen gewinnen lassen, großzügig über Fehler hinwegsehen und ihn bei Laune halten?

      „Das brauchen wir jetzt wirklich nicht. Ich will in Ruhe spielen und sonst nichts.“ Gerd pflanzte sich breitbeinig hin und verschränkte die Arme vor der Brust. Aber der Junge, der den Abschlag inzwischen erreicht hatte, ließ sich davon nicht beirren. „Hallo, ich bin Dirk. Tee Time um halb Zehn, das seid wohl Ihr?“, fragte er munter und streckte Alfred die Hand hin zur Begrüßung.

      „Wir warten noch auf unseren vierten Mann“, machte Gerd einen letzten Versuch, um den unwillkommenen Mitspieler loszuwerden.

      „Der hat wahrscheinlich abgesagt. Im Sekretariat haben sie mir jedenfalls gesagt, dass ich bei Euch mitspielen kann.“

      Und damit war der Fall klar. Wenig begeistert stellte man sich vor und gab sich brav die Hand.

      Der Neuankömmling schien die reservierte Haltung der älteren Herren gar nicht mitzukriegen. „Ihr könnt ruhig schon abschlagen, ich muss mich noch schnell warm machen.“

      Gerd zog seinen Driver aus dem Bag und platzierte seinen Ball auf dem Abschlag. Er konzentrierte sich kurz und zog dann so geschmeidig, wie es seine Leibesfülle zuließ, durch. Der Ball flog weit, allerdings etwas zu sehr nach links, und kam neben einem Busch im halbhohen Gras zum Liegen. Aufatmend überließ Gerd Alfred seinen Platz. Wenigstens hatte er den ersten Schlag nicht total verhunzt. Er hasste es, mit Leuten zu spielen, die er nicht kannte. Und dann auch noch ein Kind! Er hätte es nie zugegeben, aber die Situation verunsicherte ihn doch sehr.

      Auch Alfred und Walter brachten ihre Abschläge halbwegs passabel hinter sich.

      Dann war der Junge an der Reihe. Mit der ganzen Unbeschwertheit der Jugend machte er einen halbherzigen Probeschwung, holte dann zügig aus und katapultierte den Ball in den wolkenlos blauen Himmel. Gerd, der direkt hinter ihm gestanden hatte, um die Flugbahn besser im Auge behalten zu können, klappte seinen Mund auf und bekam ihn nicht mehr zu. Eine gefühlte Ewigkeit stieg der Ball, schien von irgendwoher einen neuen Impuls zu bekommen und verschwand dann mit immer noch beträchtlichem Tempo hinter einem Hügel. Das war eine Distanz, die keiner der drei auch nur annähernd schaffte. Schlagartig wurde den Freunden klar, dass diese Golfrunde möglicherweise anders verlaufen würde, als sie noch vor ein paar Minuten gedacht hatten.

      „Schönes Spiel!“, wünschte Dirk in die Runde. Offenbar war er auch mit der Etikette bestens vertraut. Er schob sich die Träger seiner Golftasche auf die schmalen Schultern und zog los. Die drei Freunde folgten ihm mit einem kleinen Abstand.

      „Hast du gesehen, wie der sich verbogen hat? Da tut einem ja schon vom Zuschauen alles weh.“ Alfred war ein wenig blass um die Nase.

      „Hast du vorhin nicht gesagt, dass jemand weinen könnte, wenn es nicht läuft? Kann gut sein, dass das auf jeden Fall nicht diese Viertelportion ist.“ Auch Gerd hatte schon gesünder ausgesehen, aber zumindest hatte er zwischenzeitlich seinen Mund wieder zu gekriegt.

      Walter hatte sich als erster wieder gefangen. Stillvergnügt lächelte er vor sich hin. Das versprach, eine hochinteressante Runde zu werden.

      ***

      Auf der Terrasse vor dem Clubhaus stand die diensttuende Sekretärin mit einem Fernglas in der Hand. Der Greenkeeper gesellte sich zu ihr. „Was gibt’s denn zu sehen?“, erkundigte er sich neugierig.

      „Nichts weiter. Ich habe nur unseren Dirk mit diesen drei Figuren aus Gelnhausen auf Runde geschickt.“

      „Der ist einstellig, gell?“

      Sie nickte, und die beiden grinsten sich an.

      „Na, dann wird heute zur Abwechslung mal ernsthaft Golf gespielt“, meinte der Mann trocken und ließ sich das Fernglas reichen. „Der wird die drei das Fürchten lehren, darauf kannst du wetten.“

      ***

      Gerd spürte, wie ihm heiß wurde vor lauter Anstrengung. Sich von einem Kind vorführen zu lassen war das Letzte, und die Situation forderte seinen ganzen Ehrgeiz heraus. Stirnrunzelnd betrachtete er die unglückliche Lage des Balles und peilte dann mit zusammengebissenen Zähnen die Richtung zur Fahne an. Der verflixte Busch war eindeutig im Weg. Gab es da nicht eine Regel, dass man den Ball besser legen konnte? Aber die wollte ihm jetzt absolut nicht einfallen. Halbherzig holte er zu einem Probeschwung aus, wobei ihm ein paar Zweige die Arme zerkratzten. Dieses Gewächs hatte auch noch Dornen, so was gehörte verboten auf einem Golfplatz! Wie nicht anders zu erwarten blieb der Ball nach ein paar kläglichen Hopsern schnell wieder liegen.

      „Schade. Der Ball lag aber auch wirklich übel.“ Der Junge, der aus kurzer Entfernung zugesehen hatte, schüttelte mitfühlend den Kopf. „Du hast dich verletzt“, stellte er kurz darauf fest.

      Gerd betrachtete den langen Kratzer auf seinem bloßen Unterarm. „Nicht der Rede wert“, murmelte er und stopfte seinen Schläger zurück ins Bag. Mitleid von einem Kind, das war wirklich das Letzte.

      Walter und Alfred machten ihre Sache auch nicht besser. Obwohl sie mit ihren Abschlägen auf dem Fairway gelandet waren, ließen ihre nächsten Schläge zu wünschen übrig. Sie blieben weit hinter Dirks Ball zurück. Im Schneckentempo arbeitete sich der Flight vorwärts. Die Bahn Eins wollte heute einfach kein Ende nehmen.

      Mit einem Schwung, der fast unverschämt mühelos aussah, platzierte der Junge seinen Ball kurz vor das Grün.

      „Das war doch erst dein zweiter Schlag“, platzte Walter heraus.

      Der Kleine strahlte. „Ja. Das hab ich noch nicht oft geschafft auf dieser Bahn.“

      „Müsstest du nicht in der Schule sein um diese Zeit?“ Alfred konnte es nicht fassen, dass die sonst so entspannte Golfrunde dermaßen aus den Fugen geriet.

      „Die haben einen Wasserrohrbruch. Haben sie heute Morgen im Radio durchgesagt. Wir waren schon auf