Helen Dalibor

Die Rollen des Seth


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lassen Sie mal meine Sorge sein", unterbrach sie Professor Winter ruppig. "Der Handel, also das Angebot der Gegenstände, war genauso illegal wie das, was ich nun in Auftrag geben werde."

      Isis lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, der gar nicht enden wollte. Das war nicht in ihrem Sinne. Wie nur konnte sie Professor Winter überzeugen, dass er von dieser Idee ablassen sollte?

      "Aber Sie kennen doch niemanden, der bereit wäre, so etwas zu tun. Und wer weiß, selbst wenn jemand sich bereit erklären sollte, das zu tun, wissen wir oder Sie immer noch nicht, ob dieser Hacker es gegen uns verwenden könnte. Vielleicht ist er sogar ein Spitzel der Polizei und schwärzt uns an."

      Professor Winter lachte laut auf. Diese Skepsis und Ängste kannte er von seiner früheren Studentin und jetzigen Mitarbeiterin nicht. Er betrachtete sie kurz. Ihre Augen schienen wirr zu blicken, ratlos und verängstigt. So starrte sie ihn an, verängstigt. Nein, sie sah ihn nicht an, sondern an ihm vorbei, als könne sie ihm nicht ins Gesicht blicken. Doch wovor fürchtete sie sich? Dass sie in die illegale Sache hineingezogen werden könnte? Es schien absurd, aber warum sollte Frau Just sonst versuchen, ihm es ausreden zu wollen?

      "Es ist sehr löblich von Ihnen, dass Sie versuchen, mich vor irgendwelchen drohenden Unannehmlichkeiten zu schützen, doch die Zeit der Stasi-Spitzel ist längst vorbei. Hoffe ich jedenfalls. Es ist Ihnen nicht gelungen, mich davon abzuhalten. Ich habe die Gegenstände zwar nicht bekommen, dennoch hat sich eine durch Ihre unbedachte Aussage wunderbare Möglichkeit ergeben, wie ich doch noch daran komme. Dafür haben Sie meinen ergebensten Dank."

      "Sie wollen sich wirklich in das Forum einhacken? Bedenken Sie doch, was für Auswirkungen das haben könnte. Das sind Vase und Kette nun wirklich nicht wert."

      Isis war zurückgewichen, als Professor Winter sie misstrauisch ansah. In seinen Augen las sie Unverständnis und Unglauben. Sie konnte sich selbst nicht verstehen. Warum ließ sie ihn nicht gewähren? Er würde nie auf sie kommen, doch wenn sie sich weiter gegen diese - dennoch illegalen - Methoden wehrte, machte sie sich verdächtig. Sie musste ihren Mund halten und ihm beipflichten, egal wie schwer es ihr fiel.

      "Meine liebe Isis." Wie sehr sie solche Anreden hasste. So konnte mit dem eigenen Kind oder Haustier gesprochen werden, aber doch nicht mit ihr - einem erwachsenen Menschen. "Ich weiß wirklich ihre Besorgnis zu schätzen, dennoch verwundert es mich, dass Sie so reagieren. Sind Sie immer dafür, dass Gegenstände, die deutschen Museen angeboten werden, auch dort hinkommen sollten, um nicht ins Ausland zu gelangen. Ihnen wären sogar illegale Mittel Recht - geben Sie's zu!" Isis starrte ihn mit großen Augen an. Irgendwann schien sie einmal mit ihren persönlichen Ansichten übertrieben zu haben. "Sie glauben, ich wüsste nicht, was durch Ihren Kopf geht, aber ich weiß es sehr gut. Und jetzt will ich mal etwas tun, was Sie immer fordern, und Sie sind vehement dagegen. Es tut mir leid, aber das kann ich nicht verstehen. Es klingt beinahe so, als wollten Sie gar nicht, dass der Bieter gefunden wird. Entschuldigen Sie meine Worte, aber das schließe ich aus Ihrer Reaktion und Ihren Worten."

      Isis spürte, wie ihr Herzschlag für einen Moment aussetzte und sich dann beschleunigte. Jetzt musste sie Argumente bringen, damit sich Professor Winters Verdacht sofort zerstreute. Durch ihre dämliche Angst würde sie sich nur weiter reinreiten. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich noch durch ihre unbedachte Art verraten.

      "Ich bin nicht gegen Ihr Vorhaben, herauszufinden, wer sich hinter dem Bieter verbirgt. Ich bin nur dagegen, dass jemand das Forum hackt. Wie können wir jemandem vertrauen, den wir gar nicht kennen? Er würde sich Fragen stellen und uns vielleicht sogar erpressen. Deshalb bin ich gegen dieses Vorhaben, das eine Schnaps-Idee ist."

      Professor Winters Misstrauen gegen Isis verschwand so schnell, wie es gekommen war. Es verpuffte in einer Art Seifenblase und verstreute sich. "Jetzt verstehe ich, was Sie mir die ganze Zeit sagen wollten. Sie wollten mich vor weiterem Ungemach schützen. Sehr löblich, aber das brauchen Sie nicht. Für dieses Vorhaben kann ich auf jemanden zurückgreifen, dem ich blind vertrauen kann."

      "Und wem?"

      Sie hätte sich auf die Zunge beißen können, doch es war zu spät. Erst nachdem sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde Isis bewusst, wie unverschämt ihre Frage gewesen war. Doch wenn Professor Winter sie so aufnahm, ließ er es sich nicht anmerken.

      "Mein Sohn Lukas. Er hat Informatik studiert und..." Er zögerte, als überlege er, ob er die nächsten Worte wirklich laut aussprechen sollte. "Na ja, er hat so was früher mal gemacht. Damals illegal, heute verdient er damit sein Geld. Überprüft die Webseiten von großen Firmen. Hätte nie gedacht, dass man damit Geld verdienen könnte."

      "So ändern sich die Zeiten."

      Isis klang erleichtert, dennoch war ihr nicht wohl dabei, dass es für Professor Winter ein Leichtes sein würde, den Namen des Bieters zu bekommen. Damit wäre es kein Problem, auch an den Namen desjenigen zu kommen, der den Zuschlag bekommen hatte. Es würde sehr wahrscheinlich nicht mehr allzu lange dauern bis man auf sie kommen würde. Das musste sie verhindern. Sie hatte so viele Vorsichtsmaßnahmen getroffen, doch das alles drohte auseinander zu brechen. Was sollte sie nur tun? Sie musste Karla und Mona um Rat fragen. Die wussten sicherlich, was zu tun war.

      17

       Hamburg-Stellingen

      "Sei froh, dass deine Befürchtungen sich nicht bewahrheitet haben. Niemand weiß, dass dir nun die Sachen gehören."

      Karla hatte leicht reden, wusste sie doch nicht, was Professor Winter vorhatte, um an den Namen des Bieters zu kommen - an ihren Namen.

      "Aber bei der Flunsch, die Isis zieht, ist sie nicht wirklich beruhigt. Was hat denn der Herr und Meister gesagt?"

      "Ach!" Isis wandte sich ab. Mona schien sie nicht ernst zu nehmen. Aber wurde sie überhaupt je ernst genommen von ihren Freundinnen? Egal was sie sagte oder vorschlug, es wurde nicht befolgt. "Er will unbedingt herausfinden, wer der Bieter ist."

      "Na und? Kann er doch versuchen, er weiß doch eh nicht, wie das geht."

      Ihre Freundinnen schienen wirklich nichts begriffen zu haben. Deren Begriffsstutzigkeit war einfach nicht auszuhalten. Was hatte sie ihnen denn eben erzählt?

      "Aber ich hab's ihm gesagt!" Mona und Karla sahen sie sprachlos an. Erst wollte sie auf Nummer sicher gehen, um unerkannt zu bleiben, und dann tat sie so etwas. Nein, verstehen konnten sie Isis nicht. "Es sollte nur ein Witz sein, eine Art Aufheiterung. Erst war er beleidigt, dann fand er Gefallen daran. Ich wollte es ihm ausreden, aber all meine Versuche endeten darin, dass ich mich verdächtig machte. Glücklicherweise konnte ich mich herausreden. Aber nun ist Professor Winter gewillt, das Forum zu hacken, um an den Namen zu kommen."

      "Und wie will er das machen? Er selbst sei doch angeblich technisch so unbegabt, dass er sogar den Bildschirmschoner für den Zugang ins Internet hält. Hast du jedenfalls gesagt."

      "Ja, Karla, habe ich mal gesagt. Aber er will das auch gar nicht selbst machen. Da bräuchte ich keine Angst zu haben, eher legt er das komplette Uni-System lahm. Der würde bereits Probleme haben, überhaupt die Internet-Adresse einzugeben. Wie er seine Emails verschickt, ist mir völlig schleierhaft. Nein, nein, er hat sich dafür schon jemanden ausersehen."

      "Und wen?"

      "Dich ja wohl nicht. So eine Ahnung mit Skripten hast du dann doch nicht. Kannst ja nicht einmal mit HTML umgehen."

      "Nein, Mona. Wär' ja auch noch schöner, dass ich mich selbst suchen soll. Nein, viel schlimmer - sein eigener Sohn!"

      "Oh!", kam es gleichzeitig aus den Mündern ihrer erstaunten Freundinnen.

      "Genau! Versteht ihr nun, warum ich immer noch Angst habe?"

      "Um ehrlich zu sein, nicht ganz. Du hast dich irgendwo an einem öffentlichen Ort angemeldet und hast eine neue Email-Adresse eingerichtet, wo du dir eine fiktive Wohnanschrift ausgedacht hast. Oder etwa nicht?"

      Mona blickte Isis scharf an, doch diese wandte den Blick nicht ab. Sie hatte alles getan, um ihre wahre Identität zu verschleiern. Auf sie