Lisa Blech

L II


Скачать книгу

Hauptsache, sie kam mal von ihrem Vater weg. Mutter Kautzfeld war sowieso selten zuhause, da viele OP's anstanden und sie die Nummer Eins in ihrem Feld war.

      „Das will ich auch hoffen. Vergesst nicht, dass da ungefähr hundert genervte Grannys in Schattenthal hocken!“, warnte Ted sie und blickte dann Loreley an. „L, was meinst du?“

      „Worauf warten wir denn noch, Jungs? Ab! Du gibst den Weg an, Herki!“

      Die Meute stand abrupt auf, verabschiedete sich von Vater Kautzfeld, der ihr Gehen lediglich mit einem Murren hinter der Zeitung kommentierte, und stapfte in Jolandas fantastischen Garten hinaus. Dieses Wunderwerk der Magie schien leider nicht nur die Jahreszeit Sommer zu kennen, wie Schattenthal. Weshalb es auch immer wieder etwas irritierend war, wenn sie in die Menschenwelt und zu Jolanda gingen und dort Minusgrade herrschten, wo sie doch gerade eben noch bei sommerlichen Temperaturen in Hängematten herumgelungert hatten.

      Juan, der pickellose Gartenflamingo, begrüßte sie fröhlich aus einiger Entfernung und auch seine 'Gefolgschaft' schwang fröhlich die Flügel zum Gruße. Loreley freute sich immer, wenn sie ihn sah. Er erinnerte sie an die einfachen Zeiten – vor den Kämpfen. Sie winkte zurück und schlurfte dann hinter den Jungs her; Herakles und Pius voran, Ted hinterdrein.

      ++++

      „Wo sind wir hier!?“

      Loreley schaute sich gespannt um, konnte aber in der einsetzenden Dunkelheit nichts weiter als Wald erkennen. Die Sonne ging gerade unter und sie saßen auf einem kleinen Hügel inmitten des Waldes, von dem aus sie den Sonnenuntergang beobachten konnten. Ein wohliges Lila-Rosa-Orange-Rot ging nun in das Dunkel der Nacht über.

      Sie befanden sich noch in der Menschenwelt, sonst wäre es schon Morgen bzw. Vormittag. Diesen Zeitunterschied musste die Junghexe auch noch ergründen. Das war ganz schön MERKWÜRDIG.

      „N Stück vom Dorf wech. Schön ruich hia!“, freute sich Pius und fläzte sich auf einem Findling, der völlig allein seinen Platz in der Welt behauptete.

      Loreley setzte sich auf den feuchten Waldboden. Es schien gerade erst geregnet zu haben. Herakles und Ted hingegen lehnten sich jeweils an eine Tanne und so blickten sie alle diesem alltäglichen Naturspektakel zu.

      „So, und nun?“, hakte das Mädchen nach und pustete sich gleich darauf eine verirrte Strähne ihres hellen Haares aus dem leicht geröteten Gesicht.

      Es war doch ein wenig SEHR kalt draußen und Loreley hätte sich mindestens zwei Schichten mehr Kleidung gewünscht. Kalt!

      Die Junghexe konnte allerlei Insekten und Waldgeschöpfe um sich herum hören – geschäftig und ungestört. Sie war zwar die Bewohner des Schattenwaldes gewohnt, aber die Geschöpfe hier kannte sie nicht, weshalb sie auch auf der Hut war.

      „Aaaaalso, hört mal. Wir müssen jetzt nur noch hier hinten runter laufen und dann sind wir auch schon an dem Ort, den ich euch zeigen wollte!“, erklärte Herakles, stellte sich gerade hin und stapfte dann, der Meute voran, los.

      Sie folgten ihm im Gänsemarsch und kraxelten den kleinen Hügel hinunter – das erste Mal, dass Loreley sich bei so einer Aktion keine Schnittwunden einfing! Geht doch!

      Sie konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen und so fischte das Mädchen ein kleines Einmachglas aus ihrem Rucksack und entzündete darin ein wohlig warmes magisches Feuer, das ihnen von da an rosanes Licht darbot. Sie schaute sich verdutzt um, genau wie Ted und Pius.

      „Alta, was is did denn?“, Pius ging einen Schritt weiter auf das zu, was er vor sich sah.

      „Wie genial isn did?“, freute sich Pius, sichtlich angespornt und interessiert.

      Loreley nickte übereinstimmend und ließ ihren Mund offen stehen. (2)Trolololololol!

      Vor den vier Abenteurern lag ein kleines Camp, Dorf, wie auch immer. Baumhäuser waren durch Strickleiterbrücken miteinander verbunden und dicke Seile sollten es den Bewohnern wohl möglich machen, sich noch schneller fortzubewegen. (3)

      Loreley staunte nicht schlecht. Sie schloss ihren Mund, da er schon ganz trocken wurde. Gibt es hier auch Bewohner?

      „Lebt hier wer?“, kam Ted ihr zuvor.

      Er nahm Loreley das Glas aus der Hand und hielt es in Richtung des baulichen Meisterwerkes. Das magische Licht erhellte beinahe alle Ecken des hölzernen Konstruktes.

      „Nenene, das ist alles schon lange leer. Hab ich vor zwei Jahren mal mit meinem Cousinchen entdeckt.“

      Er streckte sich mit einem lauten Knacken, kletterte auf eine nahe Anhöhe und schwang sich mit einem dicken Seil auf das nächste Plateau, von dem aus er ihnen nun fröhlich zuwinkte. „Kommt rauf, macht echt Fun!“

      Loreley zog es vor, an der nächsten Strickleiter empor zu klettern und Ted tat es ihr gleich. Pius hingegen ließ sich das dicke graue Seil von Herakles zurückschwingen und stand wenige Sekunden später schon neben ihm. Sie ließen sich auf der Plattform nieder, lehnten am rauen Geländer und schauten auf den aufgeweichten Waldboden hinab. Loreley mochte den erdigen Geruch.

      Ted stellte das Wärme spendende Einmachglas in ihre Mitte und warf jedem eine kleine Tüte mit Möhrensticks zu. (4) Loreley musste unweigerlich an Terra (5) denken, sobald sie eine Möhre sah, was ihre Laune sogleich ins Bodenlose zog. So saßen die Vier da, knabberten lautstark vor sich hin und hörten dem Summen der Insekten zu. In der Nähe hörten sie ein vertrautes UHUUU.

      Herakles lehnte sich, nachdem er seine Möhrchen in Windeseile verschlungen hatte, vor und entfachte ein grünliches Feuer in seinen Händen, das dort für die Dauer der Geschichte, die nun folgen würde, eine unheimliche Atmosphäre schaffen sollte. Der Junghexer räusperte sich.

      „Es war einmal … nein, so fangen wir nicht an … Auf dem Golm, einem Berg zwischen Baruth und Jüterbog, stand einst eine Kapelle, wo die Leute hingingen, um Ablass zu leisten. Mit der Zeit sammelten sich dort RIESIGE Schätze an, die in den Kellern der Kapellen mitten im Berg versteckt wurden. Der Legende nach liegt dort immer noch ein so wunderbarer und prächtiger Schatz, dass immer wieder Abenteurer und Geldgierige zum Golm pilgern, um den Reichtum zu bergen. Doch Obacht! Der Schatz wird bewacht von einem mysteriösen Schattenwesen, ähnlich unserem Waldgeist. Es soll glühend rote Augen haben und den Eindringlingen die Kehlen zerfetzen, sobald es diese erwischt!“

      Herakles schaute sie gespannt an. Klar, es war eine schöne Geschichte, aber jetzt mal ehrlich. Sie hatten schon viel Schlimmeres erlebt. Mit so einem Ding würden sie doch locker fertig werden! Den Gedanken äußerte Loreley auch – nun wieder bester Dinge – und erhielt als Erwiderung wohlwollendes Nicken von beiden Seiten.

      „Och Mensch, ey. Macht einmal mit! L, du bist so'ne Spielverderberin!“, klagte Herakles und wirkte eingeschnappt.

      „Geht die Geschichte noch weiter? Du hast doch irgendwas vor, oder?“, fragte Ted und nagte an seiner Karotte, bis nur noch der süße innere Strunk übrig war.

      „Wir befinden uns hier ganz nah am Fuß des Golms, Leute. Das Baumdörfchen hier wurde gebaut, damit die Leute halbwegs komfortabel wohnen konnten, während sie den Berg plünderten! – Was wir hier wollen? Den Schatz!“

      What?

      Loreley zog eine Augenbraue voll Skepsis in die Höhe.

       Alter, brauchen wir wirklich noch mehr Abenteuer?

      Jungs, ey! Nur Stuss im Kopf!

      „Dein Ernst? Was, wenn da wirklich so'n Schattenwesn haust, was uns krepiern sehn will?“, warf Ted ein.

      „Egal, man. Das is unsre Chance! Granny und Jolanda sind beim Konvent, L's Fadder hat zu tun und ick hab echt Bock ufn bissl Spaß!“, erwiderte Pius und lehnte sich dabei ein Stück nach vorn.

      Nun lag es an Loreley. Es funkelte in ihren Augen. Sie kannte die Gefahr, aber sie hatte auch noch nie an einer echten Schatzsuche teilgenommen. Ted wusste schon, was kommen würde, kniff seine Lippen zusammen und zog sie beim Einatmen schmollend nach oben. Loreley nickte ihnen zu.