Lisa Blech

L II


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und wachsam um, sahen jedoch keinen Bewacher oder auch nur irgendetwas. Ted und Pius hatten die Umgebung magisch abgescannt, konnten aber auch nichts Ungewöhnliches feststellen.

      Ist der Orkan nur ein Trugbild gewesen, oder was?!

      Nichts, niemand, nada, niente! Sie gingen vorsichtig hintereinander in die prunkvolle Halle hinein, die reichlich mit allerlei Arten von Schätzen gefüllt war. Schwere Holztruhen und alte lederne Koffer hielten die Reichtümer im Zaum, die sich unaufhaltsam auf den Boden ergossen, der aus Tonplatten zusammengesetzt schien.

      „Könnta irgendwat sehn?“, zischte Pius so leise wie es ihm nur irgend möglich war.

      „Neee!“, kamen es von seinen anderen drei Mitstreitern zugleich zurück.

      Als sie in der Mitte der Halle angekommen waren, stellten die Vier sich Rücken an Rücken, sodass alle Himmelsrichtungen abgedeckt waren. Loreley konnte keine Feinde erkennen – weder mit ihren Augen, noch durch Magie.

      KOMISCH!

      Sie wussten gar nicht wirklich, was sie in der Halle tun sollten, da niemand von ihnen erwartet hatte, WIRKLICH soweit zu kommen und den Schatz im Golm zu finden. Es war ja nun auch nicht gerade schwer gewesen, wenn man es sich mal genau überlegte.

      Loreley schreckte urplötzlich zusammen. Ein ekelerregend hoher Pfeifton zwang sie, sich die Ohren zuzuhalten. Die Jungen blieben erstaunlicherweise davon unberührt. Sie schauten Loreley an wie blöde und versuchten sie ein wenig zu rütteln, damit sie wieder zu Sinnen käme.

      Die Junghexe wand sich vor Schmerzen. Ihre Ohren schienen gleich bersten zu wollen und ihre Augen drehten sich schmerzvoll nach innen. Sie konnte nicht einmal mehr ihre Hände am Kopf belassen, sondern war schon auf den Boden gesunken und kauerte dort wie ein Häufchen Elend.

      Ted schaute derweil hektisch umher, um die Quelle von L's Qualen ausfindig zu machen. Es brachte ihn fast zur Weißglut, nicht helfen zu können. Pius und Herakles versuchten derweil die Junghexe zu beruhigen – was ihnen selbstverständlich nicht gelang.

      Mit einem Mal war die zuvor funkelnde Halle in tiefes Dunkel gehüllt und das Rauschen, das sie vorhin während des Orkans gehört hatten, ertönte nun unheilbringend direkt über ihnen. Herakles und Ted gingen in Kampfposition, Pius bewachte Loreley.

      PLOPP.

      Der riesige Schatten war verschwunden und sie schauten sich erst einmal verdutzt um, bis sie ein kleines schwarz-grünes ETWAS auf einer geschlossenen Holztruhe sitzen sahen. ES schlug lässig die Beine übereinander und schaute sie belustigt an. SEINE Augen schimmerten in einem saftigen Dunkelrot und ES hatte eine kleine gnubbelige Kartoffelnase.

      „So, so, so. Wasch hamwa denn hier? Zchauberbälga in meinem Bersch?“, quietschte es in hohen Tönen. (5)

      Die Bande schaute ES kampfbereit an, die Muskeln beinahe bis zum Bersten angespannt. Daraus machte sich das Geschöpf nicht wirklich viel, hüpfte leichtfüßig von der Truhe und trippelte auf Loreley zu.

      „Wasch isch denn mit der?“

      Das Wesen schaute Pius fragend an, der nur mit den Schultern zuckte – darauf bedacht, seine Deckung nicht fallen zu lassen. ES hüpfte weiter auf die Junghexe zu, berührte sie aber nicht. ES legte die Stirn in Falten, dann schien IHM plötzlich etwas einzufallen.

      „Achsoooo, mein Schutz isches beschtimmt! Musch wohl futsch sein, sonscht wärta alle uffm Boden!“

      ES nahm die Arme hinter den Rücken und verhakte die Hände. Einen Nasenwackler später, lag Loreley ruhig da und wand sich nicht mehr vor Schmerzen. ES schien den Zauber aufgehoben zu haben.

      „Menschenschskinda, warum immer nosch irgendwea herkommt! Achscho, vorschtellen schollt isch misch och mal! Isch bin Adalbertia, Hüterin desch Golm und Wäschterin der Schätzsche!“

      Sie machte einen kleinen Knicks und sah in die staunenden Gesichter der pubertierenden Bande.

      „Waschn? Nosch nie ne Kobolddame geschehn, oda wasch?! Glotzscht nischt scho, dasch ischt unhöflisch!“

      Adalbertia sah nun sichtlich genervt aus und hätte die Brut wahrscheinlich am liebsten aus dem Landkreis katapultiert, aber sie hatte heute ausnahmsweise mal gute Laune, weshalb sie auch jegliche tödlich endenden Maßnahmen unterließ. (6)

      Die Jungs waren immer noch etwas fassungslos. Wenn dies ein weiblicher Kobold – eine Koboldin? – sein sollte, wie sahen dann erst die männlichen Vertreter aus? Das Exemplar vor ihnen war etwa so groß wie ein Couchtisch, hatte pustelige schwarz-grüne Haut und struwwelig kurzes schneeweißes Haar. OK, ein Indiz könnte sein, dass ihre wulstigen Lippen quietschrosa angestrichen waren. Das war es dann aber auch schon.

      „Scho, wasch mascht ihr nun hiäää?“, erfragte sie die Intentionen der jungen Eindringlinge.

      Herakles wagte einen Versuch und erläuterte, dass sie gar nicht wirklich einen Schatz suchen wollten und auch gar nicht daran geglaubt hätten, auch nur irgendetwas zu finden. Die kleine Koboldin nickte ihm dabei zu und schien die Entschuldigung zu akzeptieren.

      „Scho, scho, scho, da habt ihr eusch ja in eine brenzschlige Lage gebrascht! Ihr habt rieschiges Glücksch, ihr dürft gehen! Aber wenn ihr noschmal wieder her kommt, reißsche isch eusch auscheinander!“

      Dabei grinste das kleine Wesen amüsiert und verwandelte sich in ein Schattenwesen, das die verschwommene Form eines Hundes annahm. Die dunkelroten Augen glühten sie auffordernd an.

      Herakles half Pius kurz, dann hatte der Junghexer schon die immer noch ohnmächtige Loreley Huckepack genommen. Ted lief ihnen voran, zuckte kurz mit der Nase und die anderen Beiden samt menschlichem Ballast liefen hinterdrein. Im Gänsemarsch führte Adalbertia sie zum Ausgang zurück, wartete, bis sie oben angelangt waren – gar nicht so einfach mit einer 1,70m großen Loreley auf dem Rücken – und ließ dann die Falltür scheppernd zufallen. Einen Moment später war der Eingang schon nicht mehr zu erkennen. (7)

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      „Alta, haste eijeentlich n Ding anna Waffl! Kannst uns doch nich da runta schickn und dann is da wirklich n Schatz und Stuff!“, tobte Pius, nachdem er L behutsam auf dem lilanen Sofa in Jolandas Wohnzimmer abgelegt hatte, wobei das Sofa ein leises PATTTT von sich gab.

      „Das lief ja nochmal glimpflich ab!“, fügte Ted hinzu.

      Herakles sah betreten zu Boden und zog gleichzeitig eine beleidigte Schnute. Immerhin waren sie doch alle freiwillig mitgekommen! Warum bekam nur er Mecker?

      Ted schaute sich im Haus um, aber Loreleys Eltern schienen schon schlafen gegangen zu sein. Beider Autos standen vor der Tür, alle Lichter waren ausgeschaltet und der Abwasch gemacht. Letzteres konnte man am nassen Geschirrtuch erkennen, das über der Lehne einer der Küchenstühle hing. (8)

      Als Ted wieder ins Wohnzimmer zurückgekehrt war, überprüfte er Loreleys Vitalfunktionen, was er von der besten Heilerin Schattenthals – Magda – gelernt hatte, und wandte einen leichten Heilzauber auf sie an. Es schien ihr gut zu gehen, aber er wollte auf Nummer sicher gehen.

      Ted betrachtete kurz ihr Gesicht, das mit einzelnen hellen Sommersprossen versehen war, die sich im Sommer dunkler einfärben würden. Sie atmete sacht ein und aus, wobei sie eine einzelne Strähne ihres hellen Haares jedes Mal weg pustete, nachdem sie wieder zurückfiel. Ted konnte Pius' Gezeter nicht länger ertragen und würde nun als Schlichter fungieren müssen, damit endlich Ruhe herrschte.

      „Nu mal ruhig, Pius. Wir habn doch alle mitgemacht! L geht's auch gut, also ist doch alles in Ordnung!“, erklärte Ted sachlich, wonach er sich über den dunklen Schopf fuhr und dann neben Loreley auf dem Sofa Platz nahm. Pius wirkte nur wenig überzeugt, ließ sich aber neben Herakles nieder und atmete spöttisch durch die Nase aus.

      Einen Drachen gezähmt! Ted ging es ziemlich gegen den Strich, wenn irgendwer stritt. So war es schon wesentlich angenehmer. Er breitete die dunkle weiche Decke über der Junghexe aus und strich ihr die einzelne Strähne aus dem Gesicht, die sich bei jedem Atemzug hin und her bewegte.

      „Hätte echt nicht gedacht,