Lisa Blech

L II


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zu reflektieren, bis Loreley wieder bei Bewusstsein wäre.

      „Ha! Ja, komisched Ding.“, ergänzte Pius und betrachtete Ted dabei so unauffällig wie möglich.

      „Also, wenn wir wieder mal zu einem Abenteuer aufbrechen, müssen wir wirklich auf ALLES gefasst sein. Meine Güte!“, fügte Ted hinzu.

      Damit war das Thema gegessen. Nach einem kurzen Augenblick, in dem Herakles auf seine Armbanduhr schaute, verabschiedete er sich hektisch und spurtete dann durch den mystischen Garten in Richtung Schattenthal davon. Es war weit nach ihrer Sperrstunde, nämlich schon vier Uhr morgens.

      Pius lachte kurz laut auf, als er den schlaksigen Herakles davonsprinten sah und verabschiedete sich dann auch für die Nacht, wonach er in sein Zimmer hinaufging. Pius und Ted lebten, genau wie die Kautzfelds, bei Jolanda. Die beiden Jungs durften aber nur dort hausen, wenn sie sich an alle gesetzten Regeln hielten. Dazu gehörte auch, dass sie den Eltern des Mädchens hoch und heilig versprechen mussten, Loreley nicht anzurühren – nicht einmal dran zu denken. (9)

      Ted wartete ab, bis er Pius' Schritte nicht mehr hören konnte und sicher war, dass niemand ihn beobachten konnte. Er saß kerzengerade auf seinem Platz, Loreleys Kopf direkt neben ihm. Der Junghexer strich dem Mädchen mehrmals sanft durchs Haar, lehnte sich dann nach vorn, die Ellenbogen auf den Beinen abgestützt. Dann fuhr er sich selbst nervös von vorn nach hinten durchs Haar. Sein Kopf zeigte zur Decke und er stieß, in Gedanken versunken, einen leisen Seufzer aus.

      Ted verharrte eine Weile in dieser Position und richtete sich dann wieder auf. Er lehnte sich zur Seite, breitete in der Luft die Hände über Loreleys Körper aus, soweit sie reichten, und murmelte einige weitere Worte, die Magda ihn gelehrt hatte. Kleine smaragdgrüne Blubbern schossen daraus hervor und sammelten sich auf der Junghexe.

      PLOPP. PLOPP. PLOPP.

      Nach wenigen Sekunden waren die kleinen zarten Blubbern zerplatzt. Ted lehnte sich ein Stück zurück und hörte dann das typische wirre Murmeln von Loreley, wenn sie erwachte. (10) Der Weckzauber hatte demnach einwandfrei funktioniert.

      Loreley lächelte, als sie sich näher an Ted heranzog und ihren Kopf auf seinem Schoß ablegte. Sie wackelte mit dem hellen Schopf kurz hin und her, um es sich gemütlich zu machen, und schnaufte kurz auf.

      „Hi L!“, begrüßte Ted sie sanft und strich ihr erneut durchs Haar.

      „Moo … ooorgen, Ted …“, gähnte sie, immer noch sichtlich mitgenommen. „Wasn passiert, waren wir nicht im Golm?“

      „Njaaa, das ist schon n paar Stundn her, fürchte ich. Hast einiges verpasst, L. Die Kurzfassung: Es gibt n Schatz – hast du ja gesehn – und dazu auch noch ne Koboldin, die das ganze Zeug bewacht! Hat uns aber gehn lassn!“

      Bloß gut! Auweia, man, wie lange hab ich denn geschlafen?

      Das Mädchen rieb sich die geröteten Augen und danach die Ohren. Es klingelte darin immer noch, als würden tausende Glöckchen gleichzeitig läuten. Sie war froh, dass Ted bei ihr war.

      „Geht's wieder?“, fragte er knapp.

      Loreley drehte sich ein Stück zu ihm hin und sah in seine eismeerblauen Augen, die sie sorgsam beobachteten. Sie nickte kurz und kuschelte sich dann an ihn, wobei sie seine Hand auffordernd auf ihren Kopf legte. Ted strich ihr also wieder über das Haar und sie schloss dabei die Augen. (11)

      So verharrten sie eine Weile, bis Loreley eingeschlafen war. Als Ted sichergestellt hatte, dass sie wirklich tief und fest schlief, hob er ihren Kopf an, um von der Couch aufzustehen, und ließ ihn dann sacht auf ein plüschiges graues Kissen nieder. Er deckte das immer noch erschöpfte Mädchen richtig mit der schwarzen Decke zu und ging dann in sein Zimmer hinauf, genau ein Stockwerk unter dem von Pius, und ließ sich – selbst völlig fertig – auf sein knarrendes Bett fallen. Ein Lächeln umspielte seine dünnen Lippen bis zu den dichten Bartstoppeln hin, als er einschlief.

      ++++

      (1) Wie, bitteschön, blieben die ganzen Jugendlichen und Helden in den Filmen, Serien und Büchern immer so sauber? Der Mist ist anstrengend!

      (2) Oder besser gesagt: stritten wie die Waschweiber!

      (3) Sie war zwar schon geübter in den magischen Künsten – aber jetzt mal ehrlich. Man fühlt sich schon WESENTLICH sicherer, wenn man weiß, dass man nur ein Amulett anhauchen muss, damit Hilfe kommt!

      (4) Ihr wisst schon, was gemeint ist ;)

      (5) Ich sag nur: Nägel, die über eine Tafel kratzen.

      (6) Am liebsten ließ sie ihre Magie spielen, wodurch den Eindringlingen zuerst die Trommelfälle platzten und dann nacheinander auch alle anderen Organe. Ein sehr blutlastiges Unterfangen, aber es machte ihr SEHR viel Spaß, den Goldgräbern beim langsamen Sterben zuzusehen.

      (7) Wahrscheinlich ein wandernder Einlass in den Berg. Wäre ja auch zu einfach, wenn der Einstieg starr an einem Ort verankert wäre!

      (8) Seit sie bei Jolanda wohnten, hatten sie ihre Regeln bezüglich Loreley ein wenig gelockert. Immerhin gab es nun noch mehr Leute, also ganz Schattenthal, die auf sie aufpassten!

      (9) Mit Magie kann man so etwas leicht herausfinden. Dafür gibt es auch eine Spezialistin in Schattenthal, von der man es vlt. nicht erwarten würde – Granny!

      (10) Vielleicht fragst du dich jetzt, Mensch, warum kennt der das denn? Naja, Nachmittagsschläfchen! -^.^-

      (11) Bei dem Anblick wären wortwörtlich Herr Kautzfelds Augen aus den Höhlen gesprungen, wenn dieser anwesend gewesen wäre.

       Die neue Großhexe (Erinnerung)

      Jolanda kam gegen Mittag freudig ins Wohnzimmer gestapft und fand eine sich im Tiefschlaf befindliche Loreley auf dem lilanen Sofa vor. Durchsichtiger Speichel lief am Kinn ihrer Enkelin herab, was der alten Frau einen lauten Lacher entlockte. Sofort öffnete Loreley die Augen und strahlte ihre Großmutter an.

      „Morgen, Kindchen! Gute Neuigkeiten! Die neue Großhexe wurde ENDLICH gewählt! Du kennst sie sogar!“

      Jolanda feixte und machte dann ein ernstes Gesicht. In die Fußstapfen von Alberta zu steigen würde kein einfaches Unterfangen werden, doch es würde gehen.

      „Du!“, Loreley machte große Augen. „Omi, krass!“

      Jolanda lachte herzlich, ließ sich neben Loreley nieder und nahm sie kurz in den Arm.

      „Das wird nicht einfach werden. Wir haben ein neues System ausgetüftelt. Granny und ich bilden zusammen den Posten der Großhexe. Allein würde ich das gar nicht schaffen, Liebes! Du glaubst gar nicht, was Alberta alles zu tun hatte! Mögen die Elementare sich ihrer gut annehmen!“

      „Boah, Oma, das ist der Hammer! Bist du dann auch oft auf Reisen?“

      „Ja, Kindchen, das kommt leider alles dazu. Aber ich habe ja Granny. Sie reist sowieso viel lieber umher als ich!“

      Die Großmutter lachte und fischte dann zwei Kekse aus ihrer Rocktasche; einen davon reichte sie ihrer Enkelin. Haferkekse! Loreley und ihre Oma bissen zeitgleich hinein und kauten fröhlich drauf los.

      In dem Moment kamen Marla und Torald Kautzfeld ins Haus spaziert und liefen zu ihnen ins Wohnzimmer. Sie schienen schon Mittag gegessen und einen kleinen Verdauungsspaziergang gemacht zu haben.

      „Na endlich, Loreley! Ich habe schon um acht Uhr versucht dich zu wecken, aber du hattest wahrlich einen Schlaf der Toten!“, echauffierte sich Frau Kautzfeld und blickte ihrer Tochter teils besorgt, teils angesäuert ins Gesicht. (1) „Was habt ihr Rasselbande denn getrieben, dass du schläfst wie ein Stein?“

      „Ach Mami, wir waren nur ein bisschen im Wald spazieren. Mehr nicht. Ihr geht sowieso immer viel zu früh ins Bett! Waren pünktlich wieder da!“, log Loreley die Sterne vom Himmel und zuckte dabei nicht einmal mit der Wimper.

      Sie konnte viel zu gut lügen. Eine der eher praktischen Eigenschaften, die ihr nun zugute kam.